von 20.04.2013

taz Hausblog

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Von Timo Stukenberg

Christof Ellinghaus, Jan Scheper, Frank Spilker, Angelika Strittmatter, Julian Weber, Foto: David Oliveira

Urheberrecht im Internet erklärt Frank Spilker, Sänger der Band Die Sterne, gerne mit folgender Geschichte: “Eine Band nimmt einen Song im Probenraum auf. Anschließend verkauft der Gitarrist den Song für 300 Euro auf dem Schulhof – und will das Geld nicht mit seinen Kollegen teilen.” Der Gitarrist in der Anekdote verkörpert YouTube, die restlichen Bandmitglieder sind Musiker in Deutschland. Und die gucken derzeit in die Röhre, wie er auf der taz.lab-Podiumsdiskussion “Video killed the Radiostar” erzählt.

Um Spilkers Szenario zu verhindern, wurde bereits 1947 die Verwertungsgesellschaft GEMA gegründet. Sie soll dafür sorgen, dass Komponisten für ihre Arbeit bezahlt werden. Es geht immerhin um 66.000 Künstler in Deutschland. Deren Lieder laufen zwar nicht im Radio rauf und runter – YouTube aber spielt fast jeden Song, kostenlos. Deswegen verklagt die GEMA YouTube, in gleich drei Gerichtsverfahren. Gleichzeitig verhandelt sie mit der Google-Tochter. Eine Einigung ist weder vor Gericht noch am Verhandlungstisch absehbar.

Harte Bandagen

Den Konsumenten geht dieser Streit gehörig auf die Nerven. Allein von den 1.000 Topvideos auf YouTube sind 61,5 Prozent gesperrt, wie die Daten-Agentur Open Data City gezeigt hat. Obwohl aus den drei Gerichtsverfahren noch kein rechtskräftiges Urteil hervorgegangen ist, sperrt YouTube diese Videos mit dem Hinweis auf die GEMA. Die Urheberrechtsanwältin Angelika Strittmatter beurteilt das so: “YouTube kämpft mit harten Bandagen und versucht die User gegen die GEMA aufzubringen.”

Unter dem Kampf der beiden Riesen leiden vor allem die Musiker. Sterne-Frontmann Frank Spilker sagt: “Dieser Streit wird auf dem Rücken der Musiker ausgetragen.” Ein Indie-Musikvideo werde durchschnittlich rund 10.000 Mal angesehen. Daran verdient Spilker rund 30 Euro. Das ist nicht besonders viel – aber mehr als ein gesperrtes Video einspielt.

Schwanzvergleich und Kampfgeist

Für den Gründer des Labels City Slang, Christof Ellinghaus, geht es bei dem Streit um einen “Schwanzvergleich”. Die beiden Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber. Dabei habe sich sowohl YouTube als auch die GEMA bereits mit anderen geeinigt. “Wir dürfen nicht vergessen, dass YouTube als Teil von Google am liebsten sämtliches Urheberrecht abschaffen will.”

In dieser Situation sei die Rolle der GEMA besonders wichtig, sagt Anwältin Strittmatter. Trotzdem gibt die Verwertungsgesellschaft keine besonders gute Figur ab: “Die GEMA steht der Digitalisierung hilflos gegenüber.” Das ist gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung gefährlich. Lässt sich die GEMA in den Verhandlungen von YouTube über den Tisch ziehen, muss sie wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes zukünftig allen vergleichbaren Plattformen die gleichen Konditionen anbieten. “Deswegen ist das Verhalten der GEMA toll”, sagt sie. “Wir alle müssen für das Urheberrecht kämpfen.”

In einer früheren Version des Textes stand als Gründungsjahr der GEMA 1933, das ist falsch. Wir entschuldigen uns für den Fehler!

Zudem distanzieren wir uns in aller Form von den im Forum geschriebenen Äußerungen über die Gema. Sie geben weder die Meinung der Moderatoren noch der eingeladenen Gäste wieder. Die taz-Hausblog-Redaktion

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https://blogs.taz.de/hausblog/taz-lab-2013-gema-gegen-youtube-gegen-musiker/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • […] Wie bewertet die GEMA den Imageschaden, der durch die gesperrten Videos entsteht? Wie sieht die GEMA generell die  Entwicklung der immer schärferen Kritik an der Verwertungsgesellschaft, die den Rückhalt vieler Künstler verliert: Der DJ-Tarif, CC-Lizenzen, kein Fair Use, ungerechte Verteilung, … Gerade die falschen Sperrtafeln tragen zu einem Imageverlust bei. Deshalb gehen wir gegen diese gerichtlich vor. Wir verlieren beim Thema YT überhaupt nicht den Rückhalt unserer Mitglieder oder Urheber da diese sich dem Sachverhalt in der Regel bewusst sind. Aktuell: http://blogs.taz.de/hausblog/2013/04/20/taz-lab-2013-gema-gegen-youtube-gegen-musiker/ […]

  • Würde die GEMA das Urheberrecht angemessen verteidigen, dann würden wohl ALLE Musiker unisono ins gleiche Horn stoßen und ihre Praktiken verteidigen. So aber sehen wir uns mit einer absolut unangemessenen Zensurpraxis auf YouTube konfrontiert, die mir und anderen verbietet, mich so wie es in anderen Ländern völlig problemlos geschieht, über Neues und Zugehöriges in der Musik, die uns interessiert, zu informieren. Bildungsstop für alle, oder wie?

    Am schlimmsten sind solche Sätze wie “…ist in deinem Land nicht verfügbar, weil es Musik enthalten KÖNNTE, etc…” – WIIIE BITTE? Es wird nicht einmal nachgeprüft, ob es tatsächlich so IST?

    Ich empfinde das als ZENSUR, nicht mehr und nicht weniger.

    Wieso können wir in Deutschland eigentlich YouTube nicht genauso entspannt gegenüberstehen wie andere Länder auch? Sogar in den ach so kapitalistischen USA kann man ohne Ärger YouTube Toplists anschauen, ohne ständig abbrechen zu müssen.

    Die GEMA verteidigt die Musik?

    Ich GEMA sch…

  • @ Claudi

    Da sprechen Sie etwas wahres an. Entweder verstehen GEMA und deren Verteidiger tatsächlich nichts von dem, was man zu ihnen sagt (was ich nicht glaube), oder aber sie nutzen wirklich JEDE Möglichkeit inkl. Lügen und Wortverdrehungen, um eine angemessene und nötige Reform zu verhindern.

    Niemand hat die Absicht, das Urheberrecht abzuschaffen.

  • @ nadja

    Das Problem bei der Sache ist folgendes: Um stimmberechtigt zu sein, muss man ein ordentliches Mitglied sein. Sobald man es geschafft hat, vom außerordentlichen- zum ordentlichen Mitglied “aufzusteigen”, profitiert man jedoch von den Erträgen der außerordentlichen Mitglieder, sprich: man würde sich ins eigene Knie schießen. Um so zu handeln, wie es eigentlich nötig (und auch moralisch richtig) wäre, bedürfte es eines sehr starken Charakters, der über die eigenen Vorteile hinwegsieht. Davon scheint es nicht viele zu geben…

  • Das angeblich YouTube als Teil von Google am liebsten sämtliches Urheberrecht abschaffen will, ist ganz großer Blödsinn und eine freche Lüge! Hätten diese peinlichen Lobbyisten einen Funken Verstand, wüssten sie, dass Google aufgrund eigener Produkte selber ein Interesse daran haben muss, dass es weiterhin ein Urheberrecht gibt. Google setzt sich lediglich für eine dem Internet angepasste Form ein, welche die veränderten Realitäten nicht ignoriert und im Mittelalter hängengeblieben ist.

  • Sehr geehrter Herr Weber,

    ich habe erst heute Nachmittag von Ihrer taz.lab-Diskussion erfahren. Leider wohne ich ein paar hundert Kilometer zu weit entfernt, um daran persönlich teilnehmen zu können. Vielleicht haben Sie ja noch nicht gemerkt, daß nicht JEDER in oder um Berlin wohnt. ^^

    Wenn Sie NICHT für die GEMA tätig sind, habe ich mich getäuscht und bitte selbstverständlich um Entschuldigung.

    Was mich jetzt allerdings viel brennender interessiert, als die mir fehlende Möglichkeit, in persona zu erscheinen, ist die unangenehme Tatsache, daß Sie offensichtlich nun meinen, mich als “jämmerlich” bezeichnen zu müssen. Niveau ist etwas anderes. Sachlichkeit ebenso. Der einzige Affront, den Sie mir in meinem letzten Beitrag ankreiden könnten und wegen dem Sie evtl. sauer sein könnten, ist die “Unverschämtheit” als die ich Ihre pauschal gehaltene Kritik an der “anonymen Kritikern” bezeichnet habe, und die habe ich sachlich begründet. Das haben SIE leider NICHT getan. Weder in Ihrer Reaktion auf meinen Beitrag noch in ihrem ersten Beitrag. Sie sagen sinngemäß: “Ihr seid scheiße weil ihr scheiße seid”, und DAS, werter Herr Weber, ist leider unterste Kanone.

    Aber es ist sehr bezeichnend, daß Sie es nicht für nötig halten, auf die anderen Fragen und von mir erwähnten Fakten einzugehen. Sie wissen ja: keine Antwort ist auch eine Antwort.

    … und ich wünsche noch einen schönen Tag.

    P.S. Sind Sie wirklich SICHER, daß Sie kein Geld von der GEMA bekommen?? ^^

  • Man fragt sich ja schon, wann die Musiker (und sie sind die einzigen, die dies könnten) die GEMA wirklich mal in eine transparente Organisation reformieren statt seit Jahren nur darüber zu reden, und zu reden, und zu reden. — Man könnte ja auch mal eine weitere Verwertungsgesellschaft gründen, aber auch darüber wird ja nur geredet.

  • Hm, mit der GEMA hab ich gar nix zu schaffen. Aber ich finde bedenklich, dass Sie lieber hier Posten, als zu unserer Diskussion zu kommen. Vielleicht ist es nicht mal Feige, sondern einfach nur jämmerlich.

  • GEMA reformieren!
    google mit konsequenter öffentlichkeitsarbeit entlarven.
    ein it-großkonzern – immerhin!
    und alle filesharer und fielsharing-plattformbetreiber solten sofort
    zur unterstützung der musiker durch die fans aufrufen!

  • Sehr geehrter Herr Weber,

    wann und wie die GEMA gegründet wurde und wie sich die von Ihnen vertretene Gesellschaft vorher oder mittendrin genannt hat, ist in dieser Diskussion V-O-L-L-K-O-M-M-E-N irrelevant.

    Selbstverständlich MUSS niemand in die GEMA eintreten. Wenn man als Musiker aber Geld verdienen will, kommt man leider (!) nicht darum herum, auch wenn man als “Außerordentliches Mitglied” mit seinen kleinen Winzeinnahmen die “Ordentlichen Mitglieder” wie Grönemeyer & Co alimentiert – nach einem Verteilerschlüssel, der von Ihrer Gesellschaft BIS HEUTE GEHEIM GEHALTEN WIRD, was sicherlich nicht nur in meinen Augen eine unverfrorene Frechheit darstellt.

    Und wie sieht’s eigentlich mit der GEMA-Vermutung aus? Wieso muss ICH der GEMA beweisen, daß ein Song, den ich spiele, nicht GEMA-pflichtig ist? Guter Mann, eigentlich sollte es nach menschlichem Ermessen UMGEKEHRT sein.

    Und mit welcher Berechtigung genehmigt sich der Vorstands-Chef der GEMA ein Gehalt von 380.000,- Euro per Anno? Zur Info: Das sind fast 100.000,- Euro mehr, als unsere Bundeskanzlerin verdient…

    Im Übrigen ist es bei im Netz diskutierten Themen absolut normal, sich anonym oder unter einem Nicknamen zu beteiligen, denn schließlich will nicht jeder a) seinen Klarnamen veröffentlicht sehen oder b) ‘nen gewaltigen Haufen Spam erhalten.

    SIE jedoch, der Sie öffentlich im Namen der GEMA tätig sind, MÜSSEN Ihren Klarnamen angeben. Aus Ihrer Situation heraus jeden Kritiker der GEMA, der sich online anonym äußert, als feige abzustempeln, ist schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit, die sich mit dem bisherigen Auftreten der GEMA im Netz leider deckt. Auch auf der GEMA-Seite wurden deren Kritiker als “anonym & feige” diffamiert.

    Ein Ex-GEMA-Mitglied

  • Seltsam,

    auf dem Panel wurde herausgestellt, dass die Gema grundsätzlich reformiert werden muss. Und zwar dringend. Leider wird dieses Forum dazu benutzt, um eine Lanze für den Industriegiganten Youtube zu brechen, bzw. die Gema und damit auch Künstler, die von ihr Tantiemen bekommen, in Nazikontinuität zu rücken. Selbstverständlich anonym. Und diese Feigheit ist bezeichnend für die Diskussionskultur im Netz. Niemand muss in die Gema eintreten, von daher sollen doch Musiker DIY machen.

  • Google und die amerikanische GEMA zusammen haben z.b. ELEMENTARY REVOLT aus dem Netz genommen. Dort gab’s eigentlich überhaupt keine Copyrightverletzungen, weil die Bands zugestimmt hatten.

  • Der Artikel ist gut. Ob die GEMA vorher Stagma hieß, ( hieß sie )oder in China ein Sack Reis umfällt, ist egal. Entscheidend für mich ist die exakte Darstellung vor welchem
    Hintergrund im 21. Jhrdrt im Lande der Dichter und Denker um das geistige Eigentum gekämpft werden muss. Der Kampf wird mit ungleichen Mitteln geführt. Vergesst nicht, Google zahlt den Rechtsstuhl Jura an der HU zu großen Teilen mit….

  • Lieber Herr Wondraschek,

    Ihnen möchte ich ganz bestimmt nichts sagen.
    Wenn Sie gestern beim Panel dabei gewesen wären, hätten Sie mitbekommen, dass gesagt wurde, es hat VOR der Gema eine Organisation namens StAgma gegeben und VOR 1933 eine Organisation namens AFMA.

    Die Gema wurde auf Beschluss der Allierten gegründet, im August 1947.

    Der Satz “Um Spilkers Szenario zu verhindern, wurde 1933 die Gema gegründet” ist falsch.

  • Aus wikipedia:
    “Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die STAGMA ihre Arbeit fort, ab dem 24. August 1947 allerdings unter der Bezeichnung GEMA”
    Was also will uns Julian Weber sagen?

  • Youtube will das Urheberrecht abschaffen? Gibt’s dafür auch Belege oder ist das eine Verschwörungstheorie?

    Wenn das so wäre, wär das ja eine mittlere Sensation. Aber so als in den Raum gestellte Behauptung – und ich verfolge die Debatte schon eine Weile und erinnere nicht, jemals irgendetwas derartiges gelesen zu haben – wirkt es schon eher wie letzteres.

  • Die Gema bezahlt sowieso nicht an kleine Künstler irgend eine Summe aus.
    Die haben so ein Regelwerk, das man erstmal berümt sein muß
    um ein paar Cent zubekommen.

    Da ist Youtube und Co. viel besser.

    Meine Meinung!

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