Dieses Wochenende startet die taz mit einem Experiment: Bezahlen, was nichts kostet. Auf taz.de erscheint künftig die Einladung zu einem Paradox, zur Bezahlung von etwas, was man gerade kostenlos konsumiert hat: täglich 120 neue Artikel, Reportagen und Kommentaren der taz, die frei zugänglich und kostenlos im Netz stehen. Viele Zeitungsverlage finden, dass das nicht so bleiben kann und ziehen entweder Bezahlschranken hoch, oder reduzieren die Qualität ihrer Online-Nachrichten auf billiges Agenturmaterial. Die taz geht jetzt einen dritten Weg: sämtliche Original-Beiträge der KorrespondentInnen und AutorInnen bleiben auch künftig frei zugänglich und kostenlos, doch auf der Webseite finden Sie die Bitte für ein Dankeschön. Dafür wurde „taz zahl ich“ erfunden, die Möglichkeit, einfach kleine Beträge mit wenigen Klicks oder über das Handy zu hinterlassen – und sich damit für die journalistische Qualität, die publizistische Unabhängigkeit und die freie Zugänglichkeit der taz nicht nur zu bedanken, sondern auch zu ihrem Erhalt beizutragen. Denn ökonomisch sind die Seiten von taz.de nach wie vor ein Zuschußgeschäft, dessen Kosten von den Erlösen aus Online-Anzeigen nicht einmal zur Hälfte gedeckt sind. Darüber, und welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, guten Journalismus im Zeitalter freier digitaler Verfügbarkeit zu finanzieren, werden wir auf dem „Schwerpunkt Freiwilliges Bezahlen“ und in diesem Blog künftig regelmäßig berichten. Sowie natürlich darüber, ob und wie die „taz zahl ich“-Kampagne funktioniert.
Wie bei den Preisen für die Abos der gedruckten Ausgabe, für die jede/r mehr oder weniger als den Normalpreis zahlen kann, setzen wir mit „taz.zahl ich“ auf Freiwilligkeit. Wer die Unabhängigkeit, die Qualität und das Engagement der taz schätzt, zahlt freiwillig etwas mehr, und wenn es – wie auf taz.de – nichts kostet, zahlt er oder sie eben immer wieder mal freiwillig eine Kleinigkeit. Damit die Qualität und Unabhängigkeit des taz-Journalismus in Zukunft ebenso erhalten bleiben, wie die kostenlose Zugänglichkeit. Man könnte das „taz zahl ich“-Modell abschätzig „Trinkgeld-Ökonomie“ nennen, oder amerikanisch-positiv „Thank You Economy“ – und in der Tat: wenn von den 1,2 Millionen Menschen, die monatlich 6 Millionen Besuche auf taz.de unternehmen und 17 Millionen Seiten lesen nur die Hälfte beim Verlassen des Lokals ein paar Cent in den Topf werfen würden, gäbe es überhaupt kein Problem. Doch anders als in Restaurants, wo guter Rundum-Service selbstverständlich belohnt wird, ist diese Kultur bei den Köchinnen und Kellnern des Nachrichtenwesens noch nicht angekommen. Mit „taz zahl ich“ machen wir einen Schritt, eine solche Kultur im Netz zu etablieren.
„Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein“ – auch wenn sie sich seit über 30 Jahren auf einem kapitalistischen Markt behaupten muss, hat die taz diese Maxime des alten Karl Marx nie vergessen und sich von Beginn an weniger mit gewerblichen, als mit soldiarischen Methoden finanziert. Tausend Menschen zahlten einst ein Jahresabo im Voraus, damit die erste taz erscheinen konnte, über 10.000 GenossInnen sorgen seit fast 20 Jahren für die journalistische Unabhängigkeit ihrer Zeitung und 45.000 AbonnentInnen sichern ihr tägliches Erscheinen – die taz hatte schon eine community bevor das Wort crowdfunding erfunden wurde. Und ruft jetzt mit „taz.zahl ich“ den neuen Communityismus im Internet aus. Der Appell richtet sich an alle, die die unabhängige Berichterstattung und den kritischen Journalismus der taz schätzen – und verstanden haben, dass diese nicht gratis zu haben sind. Schon vor einigen Monaten haben wir mit „flattr“ eine erstes einfaches Werkzeug für freiwilliges Bezahlen eingeführt, mit „taz zahl ich“ stellen wir es jetzt der gesamten taz-community zur Verfügung. Auf dem taz-lab an diesem Wochenende wird darüber diskutiert – unter dem Motto, das wir hiemit allen NutzerInnen von taz.de ans Herz legen: „Zahlen bitte!“
[…] zugänglich und kostenlos im Netz stehen.” So kündigte der Hausblog am 9. April 2011 den Start von taz.zahl ich an. Während viele Zeitungsverlage begonnen hatten, im Internet Bezahlschranken hochzuziehen, […]