Raul Zelik hat der taz eine Reportage angeboten über die Familienangehörigen von Arnaldo Otegi, Generalsekretär der baskischen Linkspartei SORTU. Nachdem unsere Reportage-Redaktion den Abdruck abgelehnt hat, erläutert Zelik auf seiner Webseite, dass auch sein Protest dagegen bei der Chefredaktion nicht geholfen hat und er nun nicht mehr für die taz schreiben will.
Zelik verbindet diese Ankündigung mit einer Reihe von Vorwürfen gegen die taz. Er schreibt, bei ihm „verfestigt sich damit der Eindruck, dass es in der TAZ handfeste Formen von politischem Ausschluss und Zensur gibt“. Für die taz seien Menschenrechte und politische Rechte offenbar nur außerhalb der EU oder an deren Rand von Bedeutung. Zelik: „Bei der Verfolgung von Oppositionellen in Kuba, Russland oder einem afrikanischen Land zeigt sich die TAZ als Speerspitze des kritischen Journalismus. Die Verhältnisse in der EU selbst hingegen scheinen ihr weniger relevant.“
Zelik räumt zwar ein, dass sich „einige RedakteurInnen in der TAZ sehr um gesellschaftskritischen Journalismus bemühen“. Dies könne aber „nicht darüber hinwegtäuschen, dass die TAZ oft die Funktion ausübt, rechte Positionen in der Linken durchzusetzen. So werden Militärinterventionen stark gemacht, die Spaltung von Linken in ‚vernünftige Moderate‘ und ‚durchgeknallte Fundamentalisten‘ forciert, soziale Bewegungen diskreditiert usw.“ Er selbst habe „versucht, zumindest gelegentlich auch in der Zeitung kritische Gegenpositionen zu formulieren. Aber die Tatsache, dass sich die TAZ selbst den einfachsten Auseinandersetzungen um kontroverse Texte und Themen entzieht, zeigt mir, dass das keinen Sinn mehr hat.“
Raul Zelik zitiert auch aus dem Gespräch mit der Reportagen-Redaktion die Gründe, warum der Text von der taz nicht gedruckt wird. Er stellt dabei nur seine Sicht der Dinge dar. Wir bitten um Verständnis, dass wir hier nicht ebenfalls Zitate aus diesem Gespräch veröffentlichen. Aus unserer Sicht ist das persönliche Gespräch mit dem Autor der Ort, an dem die konkrete Kritik an eventuellen handwerklichen oder inhaltlichen Mängel besser aufgehoben ist. Wir möchten solche Kritik auch in Zukunft persönlich anbringen und nicht hier im Blog. Wer sich selbst ein Urteil darüber bilden möchte, ob der Text für eine „Reportagen“-Seite geeignet war, kann ihn auf Zeliks Webseite lesen.
Die allgemeinen Vorwürfe von Zelik gegen die taz können wir nicht nachvollziehen. Wir verstehen bereits nicht, wie man die Ablehnung eines Textes durch eine Redaktion als „Zensur“ bezeichnen kann. Es ist die ureigenste Aufgabe einer Redaktion, die angebotenen Artikel zu prüfen und anzunehmen oder abzulehnen – die taz hat schließlich nur einen begrenzten Seitenumfang und wir sind kein offenes Forum, in das jeder alles reinschreiben kann.
Unverständlich ist für uns auch der Vorwurf, die taz würde sich für Menschenrechte innerhalb der EU nicht interessieren. Die taz berichtet täglich über die Menschenrechtsverletzungen in Deutschland und anderen EU-Staaten. Auch über die Verfolgung von Oppositionellen innerhalb der EU berichtet die taz regelmäßig.
Die Spaltung der Linken in „vernünftige Moderate“ und „durchgeknallte Fundamentalisten“ wird hauptsächlich von diesen Linken selbst betrieben; die taz berichtet nur darüber. Soziale Bewegungen werden von der taz nicht „diskreditiert“, aber kritisch und unabhängig beobachtet. Die Beobachtung, dass die taz sich „selbst den einfachsten Auseinandersetzungen um kontroverse Texte und Themen entzieht“, kann ich nicht teilen. Die taz steht gerade für ihre Binnenpluralität und dafür, dass sie Meinungsunterschiede in der Redaktion offen im Blatt austrägt. Zur Frage, ob eine Aufrüstung der EU die richtige Antwort auf den Ukraine-Konflikt ist, erschienen zum Beispiel sechs Debattenbeiträge, um die ganz Meinungsvielfalt in der taz dazu abzubilden:
Klaus-Helge Donath forderte ein Wettrüsten mit Russland: Der Aufstockung der Militärhaushalte um ein Drittel könne Putin nur wenig entgegensetzen. Schwächlinge werden verachtet!
Stefan Reinicke warnt vor militärischer Eskalation und setzt sich stattdessen für die friedliche Alternative ein: Das Einzige, was hilft, ist Geduld!
Bernd Pickert fordert uns auf, Russland zu verstehen, schließlich könne einen Krieg, aber auch den Frieden nur gewinnen, wer seinen Feind versteht. Russland verstehen!
Daniel Bax zeigt auf, dass nicht Kriegslogik sondern Entspannungspolitik Frieden schafft, die Ablehnung militärischer Muskelspiele mithin keine Naivität, sondern Vernunft ist. Der Kriegslogik entgehen!
Dem hält Dominic Johnson entgegen, dass nur wer Stärke zeige, eine gewaltbereiten Aggressor in die Schranken weisen kann. Stärke zeigen!
Klaus Hillenbrand schließlich mahnt ein Ende der rhetorischen Gewaltspirale an, da, wer den Gegener dämonisiere, dabei das rationale Denken ausschalte und den Krieg herbeirede. Keine Dämonisierung!
Unter dem Namen „tazkommune“ schreiben die Community-ManagerInnen der taz
Versteht sich Raul Zelik Ihrer Meinung nach überhaupt als Journalist? In seinem Twitter-Account stellt er sich als Schriftsteller und Professor für Politik einer spanischen Universität vor. https://twitter.com/RaulZelik