vonHelmut Höge 27.08.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Der Schlitzer Limnologe Joachim Illies soll angeblich am Vogelsberger Wasser religiös geworden sein. Das Gegenteil passierte – ebenfalls wegen Wasserproblemen – dem Vogelsberger Maler Karl Möller: er wurde immer aktivistischer – geradezu areligiös. Hier ein Prozeßbericht dazu:

„Vogelsberg nimmermehr, geb‘ ich für Geld dich her, laß nicht von dir …“ So lautet ein bekanntes Vogelsberg-Lied (wiederabgedruckt in „Menschen am Fluß … wie lange noch?“ Hamburg 1985) Weil die Stadt Frankfurt sich seit Jahren ihr Brauchwasser aus dem Vogelsberg rauspumpt und etliche umweltbewußte Vogelsberger sich dagegen – ebenfalls schon seit Jahren – zur Wehr setzen, deswegen wurde der Liedtext mit in das e.e. Buch von Inge Kramer und Günther Zint aufgenommen. Auf Seite 8 heißt es dazu: „Der Kampf um das kostbare Naß wird zuweilen mit harten Bandagen ausgetragen“. Der Text des Vogelsberg-Liedes legt es bereits nahe: Diese oberhessischen Mittelgebirgsbewohner scheinen sich besonders hartnäckig an ihre Scholle zu krallen. Einmal prozessierte beispielsweise die Gemeinde Wüstwillenroth über hundert Jahre gegen den Isenburger Fürsten zu Birstein – wegen ihrer Wasserrechte.

Im Jahre 1974 hatte Karl Möller aus Clauburg-Clauberg, der in Büdingen aufs Gymnasium gegangen war und dann am Frankfurter Städel Kunst studiert hatte, vom Ortenberger Fürsten zu Stolberg-Rossla ein Anwesen in Volkartshain gemietet. Der Fürst, dem einstmals große Besitzungen im Osten gehört hatten, lebte jetzt bescheiden von seinen Ländereien und Immobilien im Vogelsberg. Sein ehemaliger Kammerdiener war sein Rentamts-Verwalter geworden; der kunstliebende Fürst verbrachte viel Zeit im Keller seines Ortenberger Schlosses, wo er als Hobby-Archäologe in römischen Koelkjemoedings herumgrub, daneben hatte er auch mäzenatische Ambitionen, deswegen vermietete er sein Forsthaus mit drei Hektar Land drumherum gerne an den Künstler Möller, dem sogar hundert Mark Mietzins im Monat erlassen wurden. Anfänglich war das Verhältnis zwischen Eigentümer und Pächter durchaus freundlich, man traf sich bei Gelegenheit eines fürstlichen Jagdausflugs am Altenfelder Hof und fachsimpelte beispielsweise über die Kunst und Geschichte der Lithographie. Karl hatte in der Scheune seine Lithopresse aufgestellt. So nach und nach hatte er aber auch angefangen, Teile der Wirtschaftsgebäude und des Geländes landwirtschaftlich zu nutzen. Nach einigen Jahren besaß er bereits eine große Ziegenherde und sein Mitbewohner Knuffi backte wöchentlich zwei mal 50 Biobrote. Die brotlose Kunst gab er bald ganz auf. (In einem Artikel über seinen Hof in der Kreiszeitung wird allerdings noch erwähnt, dass er die blutigen Laken von der Geburt seiner Tochter auf Rahmen gespannt hatte und sie als Kunstobjekte aufbewahrte – eine Übergangslösung vielleicht, mit Reminiszenz an die Schüttbilder von Nitsch, den Karl noch als Dozent am Städel kennengelernt hatte.)

Zu dem vom Fürsten gemieteten Forsthaus gehörte eine eigene Quelle, von der eine Wasserleitung zum Haus führte. Als diese Zuleitung einmal kaputtging, bat Karl seinen Vermieter den Schaden zu beheben. Nichts geschah. Nach einiger Zeit trat Wasser in den Keller ein, worauf Karl den Fürsten ein weiteres mal anschrieb, damit der auch diesen Schaden beheben lasse, wobei er darauf hinwies, dass der zweite Schaden nicht entstanden wäre, wenn man den ersten früher behoben hätte, im übrigen sei die ganze Angelegenheit dringend, in den Sommermonaten wäre die Wasserversorgung des Hauses bereits zusammengebrochen. Wieder geschah nichts. Der Mieter übergab die Angelegenheit einem linken Rechtsanwalt in Frankfurt, der sich im Zusammenhang der dortigen Hausbesetzer-Bewegung auf Mietrechtsprobleme spezialisiert hatte. Gemeinsam taxierte man den Gesamtschaden und Karl zog ihn in Raten von der monatlichen Miete ab. Auf diese mieterliche Eigeninitiative reagierte das Fürstlich Stolberg’sche Rentamt mit einem Brief, in dem darauf hingewiesen wurde, dass dem Pächter von Anfang an klar gemacht worden war, wie mangelhaft die Wasserversorgung des Hauses sei und dass man deswegen seinerzeit den Pachtzins für das Anwesen auf hundert Markt monatlich verringert hätte. Karls Anwalt forderte im Gegenzug vom Fürsten die Herausgabe des Schlüssels zum „Quellhäuschen“, damit das Wasserwirtschaftsamt Friedberg die Ursache für den Wassermangel feststellen könne. Gleichzeitig besorgte sich sein Mandant von einem Freund, der mit einer Anakonda und einer Boa Constrictor als Feuerschlucker in Oberhessen herumzog, eine Quittung über tausend Mark „für Arbeiten zur Wasserbeschaffung von Herrn Möller“. Das Rentamt bestätigte den Eingang des Schreibens, „wegen eines Trauerfalls“ würden sie es demnächst beantworten. Als nächstes schrieb Karl aber seinem Anwalt, dass er eine Kaution für die Hofanmietung hinterlegt hätte und dass er die mit den nächsten Mieten verrechnen wolle, zugleich würde er sich nach einem neuen Platz umsuchen. In seiner Antwort bezeichnete der Anwalt diese Kleinmütigkeit und Kampfunlustigkeit als „Milchmädchenrechnung“, außerdem fände er, Karl, so einen schönen Hof nie wieder. Folgsam beauftragte Karl eine Firma, die einen Kostenvoranschlag für die Behebung des Rohrbruchs aufstellte: 1800 Mark – für diese Arbeit wurde ein Teil der Miete einbehalten. Das Rentamt forderte daraufhin die fehlende Miete ein, später informierte die Kreissparkasse Karl darüber, dass sie einen Teil der seinerzeit übernommenen Bürgschaft an das Rentamt überwiesen hätten. Inzwischen hatte sich auch der Fürst einen Anwalt genommen, der an Karls Rechtsvertreter einen Brief schrieb, in dem das Pachtverhältnis zum 31. Juli 1979 für beendet erklärt wurde; das dünne Schreiben endete mit dem Satz: „Ihre Mandatschaft mag den Wasserschaden selbst beheben“. Karl Möller war – gelinde gesagt – niedergeschlagen, aber sein Anwalt kam erst auf Touren, er bearbeitete seinen Mandanten, jetzt nur ja nicht aufzugeben. Der suchte sich nun nach zusätzlicher Unterstützung im Landkreis um: Der Landrat in Friedberg schrieb ihm ab: „aus wasserrechtlichen Gründen kann ich in Ihrem Fall leider nicht tätig werden“.

Auch sein Vermieter sollte noch einmal zu einem Sinneswandel bewogen werden: „Sehr geehrte Durchlaucht“, schrieb er, „bei unserem kurzen Zusammentreffen vor wenigen Tagen wollte ich Sie nicht abhalten von Ihrem Jagdvorhaben. (….) Ich bin zutiefst empört über das Verhalten Ihres Verwalters – Herrn Scheuermann …“ Und dann stellte er noch einmal den ganzen Fall bis dahin aus seiner Sicht dar, wobei er zum Schluß darauf hinwies, dass er sich in den feuchten Räumen bereits ein Rheumaleiden zugezogen habe, dass es ihm „unmöglich mache, längere Zeit an einem Stück zu malen“. „Ich betreibe hier den gesamten Altenfelder Hof mit seinen Inhalten und Wandlungen als Kunstwerk. Darüber war auch bereits in Presse und TV zu erfahren. Es sollte in diesem Sommer ein Bildband dazu erscheinen, ich fand aber weder Ruhe noch Zeit dafür, ob das ganzen Ärgers“. Sodann zählte er einige Mängel an Haus und Gartenzaun auf, die der Fürst als Vermieter zu beheben hätte. Der Brief endete „mit Vogelsberggrüßen“. In einem weiteren Schreiben – an den Verwalter, Scheuermann – beschwerte Karl sich über „den Entzug der Berechtigung zur Haltung“ eines Hundes: a) brauche er ihn als Wachhund, das Forsthaus sei sehr isoliert gelegen und b) sei sein „altdeutscher Hirtenhund“ notwendig für seine „gelegentliche Arbeit als Aushilfsschäfer“, c) mitnichten würde der Hund „im Revier streunen und den Jagdbetrieb stören“.

Zu Beginn des Jahres 1979 antwortete ihm der Fürst: „Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben und die Weihnachts- bzw. Neujahrswünsche, die ich noch nachträglich erwidern möchte. Außerdem bedanke ich mich für den überlassenen Probedruck.“ Des weiteren bedauerte der Fürst, in der Angelegenheit Altenfelder Hof keine Stellung nehmen zu können, da er – sowohl als auch Karl – bereits einen Anwalt mit der Klärung beauftragt hätten. Am 10.4. hieß es in einem Brief von Karls Anwalt an das Amtsgericht Büdingen, „dass es sich bei dem fälschlich als ‚Pachtvertrag‘ bezeichneten Vertrag um ein ‚Wohnraummietverhältnis‘ handeln“ würde und somit die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, es könne kein ‚Eigenbedarf‘ vom Fürsten nachgewiesen werden und der behauptete ‚Betriebsbedarf‘ (einer der Förster des Fürsten – Baumann – sollte in das Forsthaus einziehen!) sei nicht identisch mit ‚Eigenbedarf‘.

Karl bekam ebenfalls einen Brief von seinem Anwalt, in dem dieser ihn daran erinnerte, beim Sozialamt Gedern ein Armenrechtszeugnis zu beantragen. In dem Schreiben an das Gericht war diesbezüglich schon darauf hingewiesen worden, dass „der Kläger Möller nur über ein monatliches Einkommen von 300 Mark verfüge“. Die Gegenseite – das Anwaltsbüro des Fürsten – beantragte beim Amtsgericht „Klageabweisung“ und „Vollstreckungsschutz“. Sie beharrten auf dem Begriff „Pachtvertrag“ – „Beweis: Augenscheinnahme“ (es wird auf dem Altenfelder Hof landwirtschaftlich gearbeitet). Zum Wasserleitungsproblem führten sie aus, dass „im Vogelsberggebiet naturbedingt schon seit Jahren Wassermangel besteht“. Entweder war das eine Lüge, wenn damit auf die jährliche Niederschlagsmenge in Nordhessen angespielt wurde, oder aber das „naturbedingt“ war ein hermeneutischer Fehlgriff, wenn damit der „Wasserraub der Frankfurter“ (I. Kramer/G. Zint, s.o.) gemeint war…

Karls Anwalt verfaßte daraufhin einen zweiten dünnen Schriftsatz für das Büdinger Gericht, in dem zu dem Wasserproblem noch ein Sachverständigengutachten als Beweis angeführt wurde. Das Amtsgericht verhörte dann auch als Zeugen einen Schlossermeister aus Gedern und kam im August 1979 zu dem Urteil: 1. Der Beklagte (der Fürst) wird verurteilt, an den Kläger (Karl) 500 Mark nebst 4% Zinsen zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen (sie ist nur z.T. begründet) und 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Das fürstliche Anwaltsbüro erhob dagegen Klage beim Landgericht Gießen – wegen „Räumung und Zahlung – Wert: 4050 Mark“, zusätzlich wurde darum gebeten – wegen der anstehenden Gerichtsferien die Angelegenheit zur „Feriensache“ zu erklären, „damit das Pachtobjekt alsbald anderweitig wirtschaftlich verwendet werden“ könne. Da Karls Anwalt vor dem Landgericht Gießen nicht zugelassen war, übernahm stellvertretend für ihn ein Anwaltskollektiv aus Lahn-Wetzlar den Fall und dieses schrieb dem „Landgericht – 3. Ferien-Zivilkammer“: 1. Die Klage abzuweisen, hilfsweise dem Beklagten eine Räumungsfrist einzuräumen und 2. Ihm das Armenrecht zu gewähren.

Dann wurde aber die SPD-Idee einer Europa-Großstadt „Lahn“ noch vor seiner Realisierung wieder rückgängig gemacht, wobei das Lahn-Wetzlarer Anwaltskollektiv zulassungsmäßig Limburg zugeschlagen wurde und somit Karl nicht mehr in Gießen verteidigen konnte. Ein neues Kollektiv in Linden- Leihgestern übenahm den Fall. Während dieses fliegenden Wechsels hatte Karl noch eine einstweilige Verfügung erwirkt gegen das fürstliche Rentamt, das die drei Hektar um den Hof wegen der im August zu erwartenden Kündigung neu verpachten wollte: Bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 50.000 Mark wurde dem Fürsten verboten, „das verpachtete Grundstück zu verändern“.

Durch seine fortwährenden Rechtshändel juristisch gefestigt und ob seiner bisherigen Teilsiege ermutigt, organisierte Karl im Frühherbst eine „Rock gegen Rausschmiß“-Veranstaltung auf dem Gelände des Altenfelder Hofs. Die Kreiszeitung schrieb später darüber: „Mit diesem Treffen sollte noch einmal ‚die Power‘ der alternativen Kultur demonstriert werden“. Karls Frankfurter Anwalt mahnte ein neues Armenrechtszeugnis für die Gießener Korrespondenzanwälte an.

Die Anwälte des Fürsten beantragten bei Gericht die Abweisung des Armenrechtsgesuchs des Beklagten „wegen Aussichtslosigkeit“. Zur Begründung ihrer Klage schrieben sie: „Eine gewisse Wasserversorgungskalamität war stets zu befürchten.“ Ferner wiesen sie darauf hin, dass der Beklagte auf dem Gelände des Altenfelder Hofs ein „Rock Festival“ veranstaltet habe – „Beweis: Kreisanzeiger vom 8.9.79“. Mindestens 120 Fahrzeuge (darunter zwei Busse) seien dazu aus der BRD und dem Ausland angereist. Etliche fremde Personen befänden sich mit ihren Fahrzeugen noch immer auf dem Hof. Die Veranstaltung wäre behördlich nicht angemeldet worden und wäre auch nicht genehmigt worden – „Beweis: Auskunft der Bürgermeisterei Gedern“. Um die Benutzung des Forsthauses für den Revierförster Baumann zu begründen, führten sie – gemäß Palandt § 556a, Anm. 6 – noch einmal „Eigenbedarf, auch für nahe Verwandte (Weimar, WM 68, 427)“ an. Sie hatten schlichtweg vergessen, dass Förster schon seit den napoleonischen Reformen nicht mehr zum Gesinde des Landesherrn zählten.

Einmal speisten Karl und seine Freundin Gisela mit einem der fürstlichen Anwälte in einem Büdinger Restaurant und bekamen dabei ihre Einschätzung bestätigt: Es war ein absolut mattköpfiger CDU-Karrierist, der für den Fürsten vor Gericht stritt. Ende Oktober wies das Landgericht Gießen den Antrag von Karl auf Armenrecht zurück. Das Gießener Anwaltskollektiv legte dagegen Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde abgewiesen. Der Frankfurter Anwalt von Karl ging daraufhin in Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt, wo Richter Theo Rasehorn (der sich unter Pseudonym schon mehrfach öffentlich für die Abschaffung der Justiz ausgesprochen hatte) den Antrag auf Armenrecht zu bearbeiten hatte.

Er entschied, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Mietvertrag handele und genehmigte den Antrag auf Gewährung des Armenrechts. Zuvor hatten die fürstlichen Anwälte dem OLG Frankfurt mitgeteilt, dass es gar nicht darauf ankäme, was die Gegenseite zu Armenrechtsgesuch und anhängiger Klage vortrage, „fest steht, dass die Beklagten den Altenfelder Hof in eine Niederlage für Rock und Roll und zu einem Asyl für ortsfremde Korbflechter umfunktionieren“. „Es versteht sich von selbst und entspricht allgemeiner Lebenserfahrung“, dass dadurch das ganze wunderschöne Anwesen der Fürsten völlig versaut wird (sinngemäß). Ferner habe der Beklagte vom Kläger eine Reparatur des Badezimmers verlangt, „verweigere aber dem Leiter des Rentamtes, Herrn Amtmann Scheuermann, die Augenscheinnahme“. Als der „Amtmann Scheuermann zusammen mit dem Wehrleiter Göttlicher“ das Anwesen mitsamt den ganzen Wohnwagen, Zelten und Leuten fotografieren wollte, wurde der Beklagte sogar handgreiflich und drohte, den Fotoapparat zu zertrümmern. „Nun war es Amtmann Scheuermann weder zumutbar noch möglich, eine Ortsbesichtigung vorzunehmen“. „Mehrere männliche und weibliche Personen nebst mehreren Kindern beobachteten den Vorfall (hieraus ergibt sich die unzweifelhafte vertragswidrige Überbelegung des Anwesens) von den Fenstern des ersten Stocks aus“.

In der Annahme, „dass Angriff die beste Verteidigung sei, erstattete daraufhin der Beklagte Strafanzeige bei der Polizeistation Büdingen wegen Hausfriedensbruchs“. Nach der Rockveranstaltung waren etliche mit Traktoren und Wohnwagen angereiste Besucher noch da geblieben. Einige von ihnen hatten neben einem Ziegenstall eine „Swetlodge“ errichtet – eine aus Reisig gebaute Rundhütte, die als Sauna benutzt wurde, indem man im Innern einige heiße Steine in ein großes Wassergefäß legte. Gerade als Revierförster Baumann sich zu einem Smalltalk mit Karl auf dem Altenfelder Hof aufhielt, wollte jemand die Swetlodge benutzen und trug einen heißen Stein hein, der rollte jedoch statt ins Wassergefäß an einen Strohballen und schon Minuten später brannte die ganze Sauna, kurz danach auch Teile des angrenzenden Stalls. Zwar wurde das Feuer bald gelöscht, aber ein paar Tage später erhielt Karl vom Amtsgericht Büdingen eine einstweilige Verfügung, in der ihm bei Strafe von 50.000 Mark fürderhin verboten wurde, auf dem Gelände des Forsthauses offene Feuer anzulegen. Gegen diese Verfügung legte Karl keine Beschwerde ein.

Um aber dem schlechten Eindruck etwas entgegenzusetzen, den die Darstellung der fürstlichen Anwälte von dem auf dem Hof herrschenden bunten Treiben eventuell auf das OLG Frankfurt gemacht hatte, überreichte Karls Anwalt in einer Anlage dem Gericht fünf Fotografien: „Bild 1 – Das Forsthaus einschließlich des ‚Asyls für ortsfremde Korbflechter‘ (Deren Tipis sich wohltuend in das umgebende Gelände einfügen); Bild 2 – Essensausgabe für die Besucher des Musikfestes; Bild 3 – Der Sohn der Zeugin Gisela Brückl in und mit Körben der ‚ortsfremden Korbflechter‘; Bild 4 – Das Forsthaus und – im Vordergrund – der Acker; Bild 5 – Teilansicht des Gemüsegartens (im Vordergrund Radieschen und Wirsingkohl sowie Mohrrüben- Reihen, hinten Kopfsalat und Endivien“. (Der Frankfurter Anwalt meinte herausbekommen zu haben, dass am 8. Zivilsenat des OLG Frankfurt zwei Vegetarier saßen!)

Diese fotografische Dreistigkeit konterten die fürstlichen Anwälte mit einem weiteren Schreiben, in dem sie noch einmal hervorhoben, wieviel Leute die Rock-Veranstaltung besucht hätten und wieviel davon jetzt immer noch auf dem Gelände kampieren würden – „dass durch diese Massenansammlung und Lärmeinwirkung die jagdlichen Belange des Klägers erheblich beeinträchtigt werden, wird vorsorglich hiermit unter Sachverständigenbeweis gestellt“.

Dessen ungeachtet wurde das Gießener Landgericht am 19. März 1980 vom OLG Frankfurt angewiesen, „dem Beklagten das Armenrecht nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu versagen“. Das Landgericht erklärte sich daraufhin für unzuständig, weil durch Beschluß des OLG der Fall zu einem „Mietprozeß“ geworden war und Mietprozesse erstinstanzlich an Amtsgerichten stattfinden: Zurück nach Büdingen. Dort hatte Richter Demel jetzt über den Fall zu befinden.

Derweil beschlossen zwei von den Korbflechtern zu heiraten und es wurde ein großes Fest organisiert. Die Unkosten dafür bezahlte der Hessische Rundfunk, Ulf von Mechow – ein Regisseur – drehte gerade einen Film: „Der Fürst und die Freaks“, und die Szene von der Hochzeitsfeier sollte freaklicherseits eine nachmittägliche Teezeremonie im fürstlichen Schloß zu Ortenberg kontrastieren. Die beiden in den Rechtsstreit verwickelten Parteien spielten also in dem Film mit.

Vor Beginn der Dreharbeiten hatte Karl dem Rentamt einen Brief geschrieben, in dem er vor allem den „miserablen Zustand“ des Wende- und Parkplatzes auf dem Hof erwähnte: „Wohl ist mir klar, dass es Ihnen eine klammheimliche Freude sein wird, wenn wir hier durch den Matsch stiefeln müssen“, trotzdem bitte er um neuen Schotter für diese Flächen. Wenn das Fernsehteam vom HR anrücke – Mitte April – „könnte wohl gerade der Schlamm und Matsch ein zusätzlich sehr negatives Bild auf Sie werfen.“ Rechtzeitig vor Drehbeginn ließ der Fürst Zufahrtsweg und Parkplatz neu einschottern. Karls Frankfurter Anwalt beantragte beim Amtsgericht Büdingen erst einmal wieder die Bewilligung des Armenrechts. Die fürstlichen Anwälte beantragten dagegen, Karl das Armenrecht zu entziehen – Begründung: „Der Beklagte hat bei der Fa. Fischer in Siechenhausen einen Unimog zum Preis von 10.000 Mark gekauft und bar bezahlt“. Zwar erkannte das Büdinger Gericht Karl am 1. August das Armenrecht zu, aber sein Anwalt schrieb ihm am 27.8., er müsse unbedingt Stellung dazu beziehen, ob „wegen des Unimog-Kaufs die für das Armenrecht erforderliche ‚Kostenarmut‘ weggefallen ist“. Karl antwortete seinem Anwalt umgehend: 1. benötige er das Gefährt für ein zweites Filmprojekt und 2. Versuche er gerade eine neue Karriere als Puppenspieler, dazu wolle er mit zwei Wohnwagen und Unimog sich demnächst „on the road“ begeben. „Das Geld habe ich vom Verkauf eines Fachwerkhauses im Vogelsberg, wovon mit 1/4 ideell gehörte“. Dieser Brief wurde bereits von einem Weinbauerngut im Rheinhessischen abgeschickt, wo Karl, seine Freundin und die gemeinsamen drei Kinder sich bereits befanden – „Freitag fahren wir weiter in Richtung Süden!“

Im Oktober fällte Richter Demel sein Urteil: „1. Die Klage wird abgewiesen, 2. Der Kläger (der Fürst) hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen!“ In der Begründung hieß es, dass die Kläger die Schäden durch Rock- Veranstaltung und dort kampierende Korbflechter „nach Art und Umfang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen“ hätten. Bei der Aufnahme von Frau Brückl in des Beklagten Haushalt handele es sich um seine Lebensgefährtin und also um keine „erlaubnispflichtige Untervermietung“.

In einem 2. Beschluß wurde allerdings die Beiordnung von Karls Anwalt als Armenanwalt abgelehnt. Die Anwälte des Fürsten hatten zuvor Bedenken gegen den Beschluß des OLG angemeldet: „1. Ist der Begriff ‚freischaffender Künstler‘ nicht näher definiert. 2. Ist die Beziehung seiner Kunstausübung zur gleichzeitigen Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unklar“. Außerdem habe der Beklagte sich einen Wohnwagen angeschafft mit dem er über Land zu ziehen beabsichtige“, den Hof will er der Nutzung und Verwaltung eines der dort untergebrachten Korbflechter überlassen, den er zu seinem ‚Stellvertreter‘ bestimmen will“. Und weiter hieß es: „Etwa Ende Februar 1980 sprach der zuständige Revierförster Baumann den Beklagten wegen der Räumung des Altenfelder Hofes an. Der Beklagte erklärte, Baumann möge mit dem Kläger sprechen, er – der Beklagte – sei bereit, gegen Zahlung von 10.000 Mark sofort auszuziehen. Anfang April fragte Baumann, der gelegentlich bei Wegebaumaßnahmen mit dem Beklagten zusammentraf, diesen wiederum, wann er auszuziehen gedenke. Der Beklagte erwiderte, Baumann sei schlecht informiert, das Gericht habe in zweiter Instanz seinem Armenrechtsgesuch stattgegeben, nun habe er – der Beklagte – viel Zeit und mit 10.000 Mark sei es nun auch nicht mehr getan. Er erklärte wörtlich: ‚Jetzt will ich Geld sehen! Einen ganzen Tisch voll Geld!‘ und weiter: ‚Ich habe ja nun ein Haus, das gehört so gut wie mir‘. Beweis: Revierförster Baumann: Diese Erklärungen des Beklagten lassen erkennen, dass es dem Beklagten darauf ankommt, unter dem Druck seines Räumungsschutzbegehrens eine möglichst hohe Abstandssumme, die materiell keineswegs berechtigt ist, zu erhalten. Außerdem verletzt seine Haltung (faktische Expropriation des Klägers!) dessen in Artikel 14 Grundgesetz garantiertes Eigentumsrecht“.

Nachdem das für den Fürsten nachteilige Urteil ergangen war, stellten seine Anwälte beim Amtsgericht Büdingen erneut einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung, mit der auch die Feuerstellen in den Wohnwagen und Tipis verboten werden sollten. Diesem Antrag wurde stattgegeben und Karls Anwalt legte auch keine Beschwerde dagegen ein.

Dann gingen die fürstlichen Anwälte gegen das Büdinger Urteil beim Landgericht Gießen in Berufung. Erst einmal schrieb aber der Verwalter des Rentamts – Scheuermann – dem Mieter Karl einen privaten Brief: „Die ganze Angelegenheit ärgert mich insofern am meisten, weil auf meine Vorsprache S.D. der Fürst Ihnen s.Z.t. den Hof auf Treu und Glauben vermietet hat und es jetzt sein Geld kostet, dass z.B. unser Revierleiter Baumann täglich vier mal die Strecke Ortenberg-Mittel- Seemen fahren muß und deshalb der forsttechnische Betrieb ordnungsgemäß nicht ausgeführt werden kann. Auch Herr Baumann muß darunter leiden. Vielleicht macht Ihnen das eine klammheimliche Freude. Herr Forstoberrat Diehl, den Sie jetzt auch kennen, meinte, Sie seien ein ehrlicher Partner. Es fällt mir schwer, dieser Meinung zu folgen. (…) Anscheinend haben sich die Zeiten geändert und das Wort ‚Vertragstreue‘ muß aus dem Duden entfernt werden. Ansonten sind meine Tage bei der Fürstlichen Verwaltung meines Alters wegen gezählt – vielleicht verstehen Sie gerade die letzten Worte. Das ist alles, was ich Ihnen antworten wollte. Dass aus dieser Antwort ein Briefwechsel entsteht, wünsche ich nicht.“

Für den nun in Gießen weitergehenden Prozeß reichten die fürstlichen Anwälte und Karls Frankfurter Anwalt bzw. dessen Korrespondenzanwälte ihre dünnen Schriftsätze beim dortigen Landgericht ein. Letztere schrieben: „Der Kläger verfolgt offensichtlich die Taktik, in systematischer Weise ‚Mosaiksteine‘ zu sammeln“. Zu den Wohnwagen und Tipis auf dem Altenfelder Hof erklärten sie: „Die Beklagten haben die Korbflechter eingeladen, mit ihnen einen Film sowie ein Buch zum Thema ‚Ästhetik der Subkultur‘ zu machen.“

Karl bedankte sich am 4.7.1980 bei dem Verwalter Scheuermann, dass dann dessen Intervention beim Gederner Bürgermeister der Altenfelder Hof endlich Anschluß an die Müllabfuhr bekommen habe, er vergaß aber nicht hinzuzufügen, dass noch etliche Reparaturen am Haus ausgeführten werden müßten … „In diesem Sinne und in der Hoffnung auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit. Mit Vogelsberggrüßen“.

Der Frankfurter Anwalt erinnerte Karl am 1.8. daran, dass sie „vor langer Zeit mal ausgemacht“ hätten, dass er bei der Volksfürsorge eine Rechtsschutzversicherung abschließen sollte.

Das Rentamt schrieb ihm am 3.9.: „Am Montag wird durch unseren Gebäudemeister Alfred Wollny, geb. 4.12.1928, eine Besichtigung des o. Anwesens durchgeführt. Wir melden dies vorsorglich an.“

Am 16.2.81 reichten die fürstlichen Anwälte ihre Begründung für die Berufungsverhandlung ein, indem sie sich darüber beklagten, dass der Beklagte bauliche Veränderungen auf dem Anwesen vorgenommen hätte:

A) Einen Ziegenstall, für den weder die Genehmigung des Klägers noch eine Baugenehmigung eingeholt worden sei und bei dem „sich der Beklagte außerdem nicht darum scherte“, dass das Kreisbauamt des Wetteraukreises bereits eine Abbruchverfügung angeordnet hätte. (Tatsächlich war das Verfahren wegen des Stalls aber noch anhängig – Karl hatte die Hütte zum „Kunstwerk“ erklärt, war beim Verwaltungsgericht damit abgewiesen worden, hatte Widerspruch dagegen eingelegt, dies Schreiben war verloren gegangen, erst musste der Widerspruchstermin verlängert werden, dann wurde noch einmal Widerspruch eingelegt, sodann war es zu einer Verhandlung gekommen, hierbei war ein Termin verstrichen, schließlich hatte das Umweltschutzamt die Hütte beanstandet und dabei war wieder die selbe Schriftwechsel-Prozedur notwendig geworden. Zwei Jahre später wurde die Hütte schließlich den Nachbarn geschenkt, die sie in ihrem Garten aufbauten.)

B) Hätte Karl einfach ein Ofenrohr durch die Decke zum Schornstein geführt und

C) entsprächen seine nachträglich verlegten elektrischen Leitungen nicht den DIN-Vorschriften.

Zu Karls Freundin Gisela führten die fürstlichen Anwälte aus, dass sie im vergangenen Jahr beim Sozialamt Büdingen einen Antrag auf Mietzuschuß gestellt und dabei eine vom Beklagten unterschriebene Mietquittung vorgelegt hätte. Beweis: „Schriftliche Auskunft des Sozialamts Büdingen. Es kann danach keine Rede davon sein, dass Frau Brückl die ‚Lebensgefährtin‘ im Sinne des angefochtenen Urteils ist. Wie sich aus der Mietbescheinigung ergibt, ist sie Unterpächterin. Ansonsten läge möglicherweise ein Betrug zum Nachteil des Sozialamts vor, was von der Staatsanwaltschaft überprüft werden müßte.“ Zum Schluß wurden dann noch etliche bauliche Mängel aufgelistet.

Karl legte daraufhin am 25.2.81 seinem Anwalt in einem Brief dar, dass und wie fast alle die vom Kläger erwähnten Mängel Folge der von ihm versäumten Reparaturen seien. Sein Frankfurter Anwalt hatte aber langsam die Nase voll von diesem Prozeß und gab den Fall an seine Korrespondenzanwälte in Linden-Leihgestern ab. Diese versuchten dann in ihrem Schreiben an das Landgericht Gießen alle vom Kläger aufgestellten Behauptungen Punkt für Punkt zu widerlegen. U.a. präsentierten sie dem Gericht auch eine schriftliche Genehmigung des Klägers zum Bau eines Ziegenstalls.

Ende März verkündete das Landgericht Gießen sein Urteil: „Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.“ Noch im Siegestaumel schrieb Karl dem Fürsten einen langen Brief, indem er a) dem Verwalter Scheuermann die Schuld an „dem schlechten Stil“ der bisherigen Auseinandersetzung gab und b) einen Termin vorschlug, an dem „man über die Zukunft des Hofes“ sprechen solle, um fürderhin den Weg über die Gerichte zu vermeiden.

In einem weiteren Brief – an das Rentamt – forderte er 1. einen neuen Gartenzaun, 2. eine neue Kellertreppe, 3. neue Fenster, 4. einen neuen Außenanstrich und 5. die Genehmigung zu einigen „zeitgemäßen baulichen Veränderungen“. Wenig später schrieb er auch seinen Rechtsanwälten; denen gegenüber sprach er die Befürchtung aus, dass man die Renovierungen eventuell auf dem Rechtswege einklagen werden müsse.

Das Rentamt schrieb ihm am 16.4.81 zurück, dass er mehrfach die Waldwege benutzt hätte mit seinem Pkw – „dadurch wurde der Grundbesitz durch verbotene Eigenmacht verschiedentlich gestört“. Karl antwortete, dass er verbrieftes Wegerecht besäße, außerdem hätte er nun wegen der Reparaturen einen Kostenvoranschlag eingeholt und würde die durch die Mängelbeseitigung entstehenden Unkosten mit der laufenden Miete verrechnen. Das Rentamt kündigte daraufhin eine erneute Besichtigung „durch unseren Gebäudemeister Alfred Wollny, geb. 4.12.1928“ an.

Nach Wollnys Inspektion schrieb Karl noch einmal dem Rentamt einen Brief, in dem er wütend erklärte: „Es geht Sie einen Dreck an, wieviel Leute sich hier aufhalten!“ Außerdem erweiterte er die Mängelliste auf 13 Punkte und erwähnte ferner eine noch offenstehende Summe von 2200 Mark.

Das Rentamt konterte seinerseits mit einer Mängelliste, die Karl am 7.5.81 wiederum Punkt für Punkt zu widerlegen suchte. „Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass mir im Prinzip an dieser ‚Kriegsführung‘ wenig bis nichts liegt. Aber Sie scheinen von ihren vertraglichen Pflichten nicht viel zu halten – doch es sind nun einmal die Zeiten vorbei, wo dem Adel die uneingeschränkten Rechte in die Wiege gelegt wurden.“

An das Einwohnermeldeamt Gedern schrieb Karl, er verlange, dass seine dem Datenschutz unterliegenden Angaben nicht wieder an das Rentamt weitergegeben werden. Einige Tage später kamen vier Büdinger Polizisten auf den Hof und nahmen von den anwesenden Bewohnern und Gästen die Personalien auf. Dann folge eine Hausdurchsuchung, weil man seinen Hund der „Jagdwilderei“ verdächtigte. Ein Jahr später stellte ein Büdinger Richter dieses Verfahren ein. Karl ließ einen Bauingenieur kommen, der ein Gutachten über den Umfang und die Ursachen verschiedener baulicher Mängel erstellte – für 862 Mark 60.

In einem Brief an seine Gießener Anwälte klagte Karl darüber, „dass die Bullen in den letzten drei Monaten schon fünf mal hier waren, jedesmal wegen irgendeiner Geschichte, die die Fürstenbande uns angehängt hat!“

Am 6. Juni 1981 schrieb er seinen Anwälten erneut: „Heute morgen trudelte eine neue fristlose Kündigung zum Monatsende von unserem Freund ein. Ich hatte eigentlich nicht geglaubt, dass die Bande tatsächlich so doof ist und ihr ganzes Pulver restlos verschießt, außerdem habe ich mittlerweile Rechtsschutz. Ich lege einen Schrieb vom Elektriker bei, dass alle Leitungen den EDV-Vorschriften entsprechen.“

Dem Rentamt teilte Karl mit, dass jetzt alle beanstandeten Mängel beseitigt wären – Herr Wollny hätte überdies alles kontrolliert. Am 17.8. ließ der Fürst durch eine Firma die Fassade des Forsthauses renovieren, die Farbmischung hatte die Fürstin ausgesucht – für alle ihre Forsthäuser gleich. Auch darüber kam es wieder zu einem Streit. Karl fand, es sähe aus wie „Das Forsthaus im Silberwald“; und weil in Frankfurt gerade einige Hausbesetzungen liefen, drohte er den Malern eine Gerüstbesetzung für das Wochenende an, um „die Profilleisten am Dachgesims mit Gold abzusetzen“.

Die Maler informierten sofort den Fürsten, der setzte seine Anwälte in Marsch und schon am nächsten Tag verbot eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Büdingen Karl, dass er dem Gerüst auch nur in die Nähe kam.

Karls Anwälte hatten unterdes beim selben Gericht Klage gegen die Kündigung und wegen der Erlaubnis zur Untervermietung eingereicht.

Die fürstlichen Anwälte reagierten darauf mit einem Klageabweisungsantrag, in dem sie bestritten, dass der Kläger nur 400 Mark monatlich verdiene, weil er z.B. eine wertvolle Zuchtstute besitze (sie gehörte einem Freund!), außerdem bestritten sie mit Nichtwissen, dass der Kläger „derzeit eine Lebensgefährtin hat, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin einen Beruf ausüben und dass sie aus beruflichen Gründen öfters von dem Forsthaus abwesend sind“. (Die Untermietsforderung war von Karl damit begründet worden, dass er und Gisela öfters weg wären und jemand in der Zeit Haus und Hof versorgen müsse!)

Zu der wertvollen Zuchtstute erklärten Karls Anwälte, dass sie ihrem Mandanten nur zu einem Drittel gehöre und dass sie ihm ebenfalls zum Unterhalt dienen würde, insofern er des öfteren Aufführungen, teilweise mit Kindern, mit ihr vornehme.“ (Eine abenteuerliche Konstruktion!)

Am 18. Oktober 1981 erschien zur Abwechslung mal wieder die Büdinger Polizei auf dem Hof, um die Personalien des Anwesenden aufzunehmen. Sie hatten einen Brief vom Rentamt an den Landrat sowie einen Brief vom Landrat an die Polizei dabei, in denen sie aufgefordert wurden, den Hof zu kontrollieren.

Im November lehnte das Büdinger Gericht erst einmal den Antrag auf Prozeßkostenhilfe ab (man sprach nicht mehr von Armenrecht mittlerweile!): Das Gericht sah sich außerstande, „die Frage der Armut des Klägers zu prüfen.“ Am 2.12. folgte das Urteil: „Die Klage wird abgewiesen. Die Widerklage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 4/13 und dem Beklagten zu 9/13 auferlegt“. Zwei Wochen später legten die Anwälte des Fürsten beim Landgericht Gießen Berufung gegen dieses Urteil ein.

Mitte März 1982 verkündete die Berufungsinstanz Gießen ihr Urteil: Karl wurden die 5000 Mark zur Trockenlegung des durch den Wasserrohrbruch naßgewordenen Kellers nicht zugesprochen, ebensowenig das Untervermietungsrecht, dafür war aber auch die Kündigung der Gegenseite nicht rechtes und Karls eigenmächtige Reparatur des Gartenzauns, die er von der Miete abgezogen hatte, wurde ihm nachträglich gebilligt.

Die Ablehnung der Prozeßkostenbeihilfe hatte Karls Kampfgeist etwas gedämpft. Zudem hatte er angefangen, sich in Gedern um die Anmietung einer Schule zu kümmern, in der er Kurse im Hobbymalen veranstalten wollte – „Der Trend geht zum Aktivurlaub“ hatte er dazu dem Gederner Bürgermeister schriftlich mitgeteilt. Seine Landwirtschaft hatte er mittlerweile abgeschafft, die Korbflechter waren mitsamt ihren Tipis und Wohnwagen weitergezogen, seine eigenen zwei Wohnwagen hatte er verkauft und den Unimog hatte eine Nachbar- Landkommune zu Schrott gefahren, die wertvolle Zuchtstute graste ebenfalls nicht mehr auf dem Altenfelder Hof, ihren Stall baute Karl zu einem Atelier um. Überhaupt wurden nach und nach alle Räume des Forsthauses neu und modern renoviert – statt Naturholz Resopal und Metall und statt Kerzenbeleuchtung Neon. Angefangen hatte dies ausufernde Styling-Bedürfnis, dem auch Karls Kleidung und Haarschnitt zum Opfer fielen, ganz harmlos:

Noch vor dem Urteil des Gießener Gerichts, das schlußendlich weder vom Kläger noch vom Beklagten angefochten wurde, hatte Karl damit begonnen, der immer wieder in den gegnerischen Schriften auftauchenden Behauptung, die Räume seien „verwahrlost“, entgegenzutreten, indem er tagelang alle Zimmer neu tapezierte, strich, den Küchenherd und den Wasserkessel blankscheuerte, dann beim Gärtner Kurt für 500 Mark Schnittblumen bestellte, die er in den Räumen verteilte und zum Schluß den Fotografen Reinhard herbestellte, der mit einem Weitwinkelobjektiv diese saubere Pracht, die „Schöner Wohnen“ alle Ehre gemacht hätte, ablichtete. Fotografien waren zwar bei Gericht als Beweis nicht zugelassen, aber Karls Anwälte legten sie trotzdem ihren Schriftsätzen bei, zur gefälligen Kenntnisnahme.

Der Fotograf hatte Karl die Aufnahmen umsonst angefertigt. Ein paar Monate später arbeiteten die beiden zusammen mit einer Frau an einem gemeinsamen Kunstobjekt, das für eine Ausstellung in Kassel vorgesehen war. Der Fotograf kümmerte sich zusätzlich noch um den Ausstellungskatalog. Als der fertig vorlag mußten Karl und die Frau entsetzt feststellen, dass nur des Fotografen Name darin vorkam.

Die beiden Geprellten beauftragten sofort einen Hanauer Anwalt mit einer einstweiligen Verfügung gegen den Fotografen. Der reagierte mit einer saftigen Rechnung für die Fotografien von den Räumen des Forsthauses. Schließlich einigten sich die drei außergerichtlich, jedoch ohne ihr gemeinsames Kunstobjekt wieder aufzunehmen bzw. auszustellen. Unterdessen hatte das fürstliche Rentamt seinen Revierförster Baumann entlassen, weil der verheiratet war, aber mit einer jugoslawischen Freundin zusammenlebte.

Und Ende des Jahres steuerte die Fürstin ihren Mercedes bei Glatteis gegen einen Baum, wobei ihr Mann – der Fürst – wenig später seinen Verletzungen erlag. Erbe seiner Besitztümer wurde ein weitläufiger Verwandter in Gedern – ein 16jähriger Prinz. Der ließ – nach einer angemessenen Trauerzeit – den Mieter des Altenfelder Hofes – Karl – vorsorglich durch den Leiter des Rentamts Scheuermann darüber informieren, dass er am 15. Februar seinen neuerworbenen Besitz – also auch das Forsthaus – in Augenschein zu nehmen gedenke.

Karl Möller hatte sich mittlerweile wieder am Frankfurter Städel immatrikuliert und arbeitete mit zwei anderen Städel-Künstlern gerade an einer gemeinsamen Ausstellung. Seine Freundin – Gisela Brückl – hatte auch wieder eine Arbeitsstelle in Frankfurt angenommen – als Werbetexterin. Die beiden wohnten die Woche über meistens in ihrer neuen Stadtwohnung, nur am Wochenende auf dem Altenfelder Hof. Karl unterschrieb seine Briefe aber nach wie vor „Mit Vogelsberggrüßen“. Ein hartnäckiger Menschenschlag – diese Oberhessen.

Im Sommer 2002 stellte er die Photos dann noch einmal einer Ausstellung mit Veranstaltungen über die Hochzeit der alternativen Scene im Vogelsberg zur Verfügung, von wo aus einige dann ins Internet gelangten. Organisiert wurde die Ausstellung in Ulrichstein u.a. von Liane Jache. Die geborene Licherin war 1996 den Vogelsberg hoch gezogen und hatte über ihre dortigen Erfahrungen und Erlebnisse ein Buch mit dem Titel „Rosa Basalt“ veröffentlicht.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/08/27/noch-mal-zum-wasserproblem-im-vogelsberg/

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  • Soeben haben die Blog-Kollegen Barbara Kalender und Jörg Schröder was Freundliches über Jakob von Uexküll – als leidenschaftlicher Briefmarkensammler (!) – mitgeteilt – in ihrem letzten Blogbeitrag. Und dann schrieb noch der Biologe Cord Riechelmann, er hätte auch mal, schon vor langer Zeit – in einer Talkshow die anwesenden: Katharina Rutschky und Roger Willemsen – über Jakob von Uexküll aufgeklärt. Nur – „es nützt nichts“.

  • Über die Anfänge der deutschen Genetik/Eugenik, u.a. über Erwin Baur und Hans Stubbe, hat auch die Wissenschaftshistorikerin Susanne Heim immer wieder geforscht – und Texte veröffentlicht.  Eines ihrer Bücher sei hier kurz referiert.

    In unseren Schulbiologiebüchern war in den Sechzigerjahren noch neben dem Mendelschen Erbsen-Vererbungsschema das der Familie Bach und ihrer Musikalität abgebildet. Für viele Genetiker gibt es – bis heute – kaum einen Unterschied zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen, d. h. ihre materialistischen Mikroanalysen sind mit sozialen Makropolitiken verknüpft. Sie glauben, dass die Minderwertigen aufgrund ihrer Vermehrungsfreudigkeit die Hochwertigen an den Rand drängen und dass man etwas dagegen tun muss. Bei den Menschen geschieht dies einerseits, indem man Entwicklungshilfegelder mit dem Zwang zur Massensterilisation (z. B. in Indien) verbindet, und andererseits, indem unfruchtbaren reichen weißen Frauen mit kompliziertester Technik doch noch zu einem Wunschkind verholfen wird.Oder indem man – wie jetzt in der BRD – das Kindergeld von unten nach oben umschichtet.

    In einem zusammen mit Ulrike Schaz 1996 herausgegebenen Buch „Berechnung und Beschwörung“ ist die Genetik- und Faschismusforscherin Susanne Heim den letzten Verfeinerungen dieser G-7-Politik nachgegangen. 2004 ist sie noch einmal auf die Hochzeit dieser wissenschaftlichen Weltanschauung zurückgekommen – auf die Pflanzenzucht und Agrarforschung im Nationalsozialismus – und hat eine Aufsatzsammlung über „Autarkie und Ostexpansion“ herausgegeben.

    Gleich im ersten Beitrag – von Jonathan Harwood – ist dabei von „Politischer Ökonomie“ die Rede: im Zusammenhang der Saatgutverbesserung und -vereinheitlichung und den daran anknüpfenden deutschen Züchtungsforschungen bis 1933. Vier Jahre später spricht der Züchtungsforscher Wilhelm Rudorf angesichts der bevorstehenden rassistischen Osterweiterung von den „politischen Aufgaben der deutschen Pflanzenzüchtung“.

    So heißt dann auch der Beitrag des Wissenschaftshistorikers Thomas Wieland, in dem er nach „den Ursachen für die auffallende Bereitschaft der akademischen Pflanzenzüchter, ihre Forschung an nationalsozialistischen Zielen auszurichten“ fragt. Nach den Erfahrungen des verlorenen Ersten Weltkriegs ging es darum, die „Ernährungsfreiheit“ des deutschen Volkes sicherzustellen, was im Kontext der deutschen Expansionspolitik ab 1941 bedeutete, dass gleichzeitig Millionen von Menschen im Osten dem Hungertod ausgeliefert wurden, weil sie nun als „unnütze Esser“ galten. Für die Pflanzenforscher tat sich dabei jedoch ein Eldorado auf, denn ihnen fielen dutzende polnische und sowjetische Agrarinstitute sowie Versuchsgüter in die Hände, gleichzeitig wurden – u. a. vom späteren DDR-Genetikpapst Hans Stubbe – „Sammelkommandos“ durchgeführt, „um Wild- und Kulturpflanzensortimente in den besetzten Gebieten zu rauben“.

    Die Sowjetunion hatte zunächst einen Vorsprung in der Saatgutverbesserung – und in der genetischen Grundlagenforschung. Dann war sie jedoch ab 1932 von „jeglicher Verbindung biologischen Gedankenguts mit sozialplanerischen Konzepten“ abgerückt. Nicht nur wurde die Eugenik als faschistisch kritisiert, die sowjetische Genetik wurde faktisch liquidiert, und einige Genetiker kamen sogar in Arbeitslager. Während die bürgerliche Forschung bis heute eher auf die Hochzüchtung erworbener Eigenschaften setzt, ging der Lyssenkoismus umgekehrt von der Möglichkeit der „Umerziehung“ sogar von Pflanzen aus: Keimlingen wurde Intelligenz attestiert und Setzlingen solidarisches Verhalten. Einer der sowjetischen Genetiker, Timofejew-Ressowsky, konnte sich diesem revolutionären „Wahn“ entziehen, er ging nach Berlin und brachte es dort sogar zu einem der bedeutendsten Genetiker des „Dritten Reiches“, seine Forschungsergebnisse veröffentlichte er u. a. in „Der Erbarzt“. Daniil Granin schrieb nach seiner Rehabilitierung in den Achtzigerjahren ein kitschiges Porträt über ihn, das dann auch auf auf Deutsch – in der DDR – erschien.

    Tatsächlich kann man sagen, dass die deutsche Pflanzenforschung direkt in Auschwitz kulminierte: Es gab dort eine Anlage zur Kautschukpflanzenzüchtung. Die Wissenschaftler trugen nicht selten SS-Uniformen, auf der anderen Seite betrieb die SS selbst ein eigenes Pflanzenforschungsinstitut. Im Sammelband von Susanne Heim befasst sich nun Michael Flitner mit dem damaligen „genetischen Diskurs“ im internationalen Vergleich – unter dem Aspekt der „agrarischen Modernisierung“. Sowohl in Russland als auch in den USA und in Deutschland ging es zunächst um die Verbesserung der Erträge von Nutzpflanzen, um die Versorgung ihrer Bevölkerungen zu gewährleisten, in Deutschland noch forciert durch die Erfahrung der „Hungerwinter“ des Ersten Weltkriegs. Hier entwickelt sich daraus eine zunehmende Affinität zwischen Nationalsozialismus und Eugenik bzw. Rassenhygiene, die als „antiindividualistische Genpool-Orientierung“ bezeichnet wird. Während man in den USA ab Ende der Zwanzigerjahre mehr und mehr von der Eugenik abrückt, wird in der UdSSR mit der Genetik auch gleich die gesamte bürgerliche Biologie verworfen.

    P.S.: In Susanne Heims letzten Buch „Karlorien, Kautschuk, Karrieren“ (2003) findet sich ein ausführlicher Lebenslauf von Hans Stubbe.  Über Leben und Werk Erwin Baurs hat der 2001 gestorbene DDR-Biologe Reimar Gilsenbach im Zusammenhang seiner Sinti- und Roma-Studien in mehreren westdeutschen Zeitschriften Texte veröffentlicht – vor allem in den „Beiträgen zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik“, zuletzt auch noch in der Schweizer Wochenzeitung WOZ.  Auf der anderen Seite erschienen noch 2001 ganzseitige Lobeshymnen auf den schrecklichen Rassisten Baur und sein Institut in Müncheberg – in einigen von Westunternehmern übernommenen märkischen Tageszeitungen.

    Mit Louis Althusser könnte man  die massenmörderischen Konzeptionen dieser beiden hochgeehrten deutschen Pflanzenforscher, die die Genetik als Hauptdisziplin der Biologie etablierten und von da aus auch gleich im Analogieschluß auf die Gesellschaft anwandten, als „Spontane Philosophie von Wissenschaftlern“ (SPW) bezeichnen, wobei ihnen ihre materialistische Genetik zur idealistischen Eugenik geriet. Althusser hat diesen unseligen Hang oder Drang zum „Spiritualismus“ 1968 am Beispiel der College-de-France-Antrittsvorlesung des Genetikers Jacques Monod herausgearbeitet – und dabei den Begriff SPW geprägt.  Monod  hatte mit dieser Vorlesung seine persönliche und wissenschaftliche Wende von der sowjetisch-„proletarischen“ zur amerikanisch-„bürgerlichen Biologie“ vollzogen, einen Schritt, den die Rockefeller-Stiftung und Charles de Gaulle mit Millionen von Dollar  unterstützten. In seiner Rede war Monod die „Ethik“ verlogenerweise ein besonderes Anliegen – wobei er – genau wie Erwin Baur – ausgerechnet die Wissenschaftler für den wichtigsten Teil der Menschheit hielt.

    Der Althusser-Schüler Dominique Lecourt sprach später im Zusammenhang der „proletarischen Biologie“ und speziell ihres Wortführers Lyssenko von der „spontanen Philosophie eines Gärtners“ (SPG). Hierbei würde der (idealistische) Analogieschluß jedoch quasi umgekehrt von der bolschewistischen Gesellschaftsanalyse  zur  Pflanzenforschung verlaufen. Dafür spricht,  dass man die Dialektik u.a. am Weizenkeim zu exemplifizieren versuchte. Lecourt meint bei seinem SPG-Begriff mit „Gärtner“ aber vielleicht auch erst einmal nur die jahrzehntelangen  Züchtungserfolge von Iwan W. Mitschurin, auf die der Agronom Trofim D. Lyssenko dann seine „Philosophie“ sattelte. „Spontan“ war daran, dass er neben der Propagierung von Mitschurins Erfahrungen den jeweils akuten Landwirtschaftsproblemen immer wieder mit – teilweise uralten – bäuerlichen  Verfahren schnell und entschieden entgegentrat. Und diese wurden dann im Hinblick auf seinen neuen „schöpferischen Darwinismus“ interpretiert.

  • h.söderbaum

    Ähnlich schillernd (!) wie Illies ist auch der Zoologe und Ökologe Jakob Johann von Uexküll. Das Berliner Institut für Faschismusforschung schreibt über ihn – den großen Chamberlain-Verehrer:

    „Uexkülls eigene Werke waren ebenfalls rassistisch und sozialdarwinistisch. In seinem 1920 erschienenen Buch „Staatsbiologie“ machte er für die ökonomischen und politischen Krisen des Kaiserreichs und der beginnenden Weimarer Republik „Parasiten am Gemeinschaftskörper“ verantwortlich, und zwar insbesondere „Fremdrassige“, die „in einem kranken Staate, der nur noch schwach auf ihre Eingriffe reagiert“, gut gedeihen könnten. „Solange der Betrieb des Staates geregelt weiterging“ (im alten Kaiserreich), habe der Staat „die Möglichkeit (gehabt), den einzelnen Arbeitsfeindlichen durch einen Arbeitswilligen zu ersetzen, der wohl stets vorhanden war. Sobald aber eine größere Zahl Arbeiter aus der Arbeitskette zurücktrat und streikte, stand das betroffene Staatsorgan vor dem Untergang“. Deshalb müsse ein staatliches „Streikverbot“ her.“

    Uexkülls biologische Forschungen fanden wiederum Eingang in Martin Heideggers und Konrad Lorenz‘ Arbeiten.

  • klaus greune (Wächtersbach)

    1981 unterzeichnete Joachim Illies das „Heidelberger Manifest“. Die beiden Hauptinitiatoren (Schröcke und Schmidt-Kaler) hatten ihre Leitgedanken zum Manifest kurz zuvor bereits veröffentlicht:

    * Der Begriff ‚Volk‘ läßt sich heute naturwissenschaftlich definieren: Völker sind (kybernetisch und biologisch) lebende Systeme höherer Ordnung mit voneinander verschiedenen Systemeigenschaften, die genetisch weitergegeben werden. Dabei sind auch die nicht körperlichen Eigenschaften eingeschlossen, die genauso vererbt werden, wie die körperlichen (die Milieu-Theorie ist wissenschaftlich falsch).“ [2]

    * „Unser Problem sind nicht die Gastarbeiter schlechthin, sondern ihr asiatischer Anteil. (…) Wenn man das Spezialproblem Süditalien ausklammert, so kann man feststellen, daß die aus dem europäischen Raum zu uns kommenden Gastarbeiterfamilien nach ihrer Fertilität, ihrem kulturellen, soziologischen und religiösen Kontext Aussicht auf Akkulturation bieten (…). Auf die Asiaten trifft all das nicht zu.“

    In dem von Illies dann mitunterzeichneten Manifest hieß es dann:

    * „Mit großer Sorge beobachten wir die Unterwanderung des deutschen Volkes durch Zuzug von vielen Millionen von Ausländern und ihren Familien, die Überfremdung unserer Sprache, unserer Kultur und unseres Volkstums. (…) Völker sind (biologisch und kybernetisch) lebende Systeme höherer Ordnung mit voneinander verschiedenen Systemeigenschaften, die genetisch und durch Traditionen weitergegeben werden. Die Integration großer Massen nichtdeutscher Ausländer ist daher bei gleichzeitiger Erhaltung unseres Volkes nicht möglich und führt zu den bekannten ethnischen Katastrophen multikultureller Gesellschaften. Jedes Volk, auch das deutsche Volk, hat ein Naturrecht auf Erhaltung seiner Identität und Eigenart in seinem Wohngebiet. Die Achtung vor anderen Völkern gebietet ihre Erhaltung, nicht aber ihre Einschmelzung („Germanisierung“).“

    Es hagelte Proteste, in einem Wikipedia-Eintrag dazu heißt es:

    „Nach zahlreichen kritischen Reaktionen in der Öffentlichkeit kam es am 31. Januar 1982 in Mainz zu einer Presseerklärung und der Vorstellung einer Neufassung des Heidelberger Manifestes durch Prof. Schmidt-Kaler. Eine „von der radikalen Linken gesteuerte Diffamierungskampagne“ und die „versuchte Einschleusung rechtsradikaler Kräfte“ hätten es notwendig gemacht, selbst an die Öffentlichkeit zu treten. „Durch Indiskretionen, für die die Unterzeichner nicht verantwortlich zu machen sind, geriet das Heidelberger Manifest an die Öffentlichkeit in einer vorläufigen Form, die nur zur Gewinnung weiterer Unterzeichner bestimmt war“, so Prof. Schmidt-Kaler.“

    Interessant an diesem ganzen reaktionären Professoren-Eiertanz ist die geistige Wiederkehr der faschistischen Bevölkerungspolitik, die auf der Genetik basierte, wie sie von deutschen Biologen, insbesondere von dem rassistischen Züchtungsforscher Erwin Baur, ausgearbeitet worden waren – seit 1905. Baur gründete auch die weltweit erste Zeitschrift für Genetik sowie das Institut für Züchtungsforschung in Müncheberg, das heute zur Max-Planck-Gesellschaft gehört. Baurs „Leistung“, die Hitler dann in „Mein Kampf“ einarbeitete, besteht jedoch vor allem darin, den Volkskörper wie das Saatgut mittels Selektion und Ausmerzung zu verbessern. Das ging dann bei ihm bis zu ganz konkreten Vorschlägen zur Vernichtung von „Zigeunern“ und „Asozialen“ und sogar weit darüber hinaus, wo ihm nicht einmal mehr der verantwortliche Gestapochef Reinhard Heydrich folgen mochte.
    Baur wurde noch lange nach dem Nationalsozialismus in Deutschland – Ost wie West – geehrt, in der DDR konnte sein Schüler Hans Stubbe es sogar bis zum obersten Genetiker bringen. Die unter ihm arbeitenden Biologen sind noch heute glücklich darüber, dass es mithilfe dieses international anerkannten Wissenschaftlers der DDR-Naturwissenschaft gelang, um die alberne jedoch um so verderblichere „proletarische Biologie“ von Mitschurin und Lyssenko, auch „schöpferischer Darwinismus“ genannt,herumgekommen zu sein.

  • noch mal h.söderbaum

    Die Illiessche Religiosität fand u.a. Eingang in die „Theorie der religiösen Erziehung“ von Sylvia Springer. In einer Rezension ihres Werkes heißt es:
    „Die Verfasserin hat das Werk des Humanbiologen Joachim Illies, des Tiefenpsychologen Victor Emil von Gebsattel, des Existenzanalytikers Viktor Emil Frankl und des Theologen Wolfhart Pannenberg systematisch daraufhin untersucht, ob und inwiefern sie durch ihren jeweiligen fachspezifischen Ansatz zu einer Grundlagentheorie der religiösen Erziehung beitragen können. Der wissenschaftliche Pluralismus ist bewusst gewählt, um den Beitrag verschiedener Disziplinen – der Natur- ebenso wie der Humanwissenschaft und der Theologie – zu der einen Frage nach dem Wesen des Menschen zu berücksichtigen.“

    Ob die Illiessche Religiosität (vielleicht sollte man sowieso besser von seiner Rheomatik bzw. Rheologie sprechen) dazu taugt, ist jedoch fraglich. So zitiert die Erzdiözese Wien in der Neunten Katechese ihres Kardinals, die mit „Noch einmal:’Schöpfung und Evolution'“ übertitelt ist, einen Gedanken aus Joachim Illies Buch „Biologie und Menschenbild“:

    „Joachim Illies schreibt über diese Unterscheidung: „Weder ein ordnender Sinn hinter den Dingen noch ein absichtloser Zufall lassen sich naturwissenschaftlich beweisen. Die Biologie erkennt, je weiter sie voranschreitet, dass auf ihrem eigenen Forschungsfeld die Antwort auf die Frage nach den letzten Ursachen der Evolution nicht zu finden ist“ (Biologie und Menschenbild, 1975, S. 19f).“
    Desungeachtet begreift die Molekularbiologie physikalisch-chemische Vorgänge als die Ersten Beweger, weil nur diese sich profitabel genug manipulieren lassen.

  • h.söderbaum

    Was heißt am Vogelsberger Wasser religiös geworden? Es gibt so viele Gewässer am und im Vogelsberg. In der Schlitz „Fluss-Station“, wo der in frage stehende Limnologe Joachim Illies herkommt, konzentriert man sich auf den „Breitenbach“. Dazu heißt es in den Institutsnachrichten:

    Die Limnologische Fluss-Station Schlitz (LFS) ist eine Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Limnologie Plön, Schleswig-Holstein). Sie ist weit vom Hauptinstitut entfernt in Hessen gelegen, ihr Standort ist die Stadt Schlitz unweit Fulda, zwischen Kassel und Frankfurt.
    Die Geschichte der LFS begann im Jahr 1951 und geht auf eine studentische Initiative zurück, die durch die Stiftung des Institutsgebäudes durch Graf Otto Hartmann von Schlitz, gen. von Görtz ihre materielle Basis erhielt.
    Bei ihrer Gründung gehörte sie als Außenstation zur damaligen Plöner Hydrologischen Anstalt der Max-Planck-Gesellschaft.Heute arbeiten in der Fluss-Station 21 Personen. Hauptuntersuchungsgebiet sind kleine naturhnahe Bäche bei Schlitz im hessischen Bergland, vor allem der Breitenbach, der stellvertretend für viele ähnliche Gewässer im hessisch-thüringischen Buntsandsteingebiet umfassend bearbeitet wird.
    Was Illies‘ Hinübergleiten von der Wissenschaft in die Religion – und zurück – betrifft, dazu muß man sich an seine Publikationen halten.Ihre schiere Anzahl weist den Autor bereitsals einen „echten Vogelsberger“ auf. Es handelt sich dabei, alphabetisch geordnet, um folgende Bücher:

    Adams Handwerk
    Adolf Portmann
    Anhtropologie des Tieres Entwurf einer anderen Zoologie DTV …
    Anthropologie des Tieres Entwurf einer anderen Zoologie
    Auf dem Weg zum neuen Menschen Wann beginnt unser Leben? …
    Auf dem Wege Briefe an Thomas Probleme des Jugendalters
    Biologie und Menschenbild
    Brudermord Der Mythos von Kain und Abel
    Danach war Europa anders
    Das Geheimnis des Grünen Planeten (Natur und Mensch Der …
    Der Jahrhundert Irrtum Würdigung u Kritik d Darwinismus
    Der Mensch in Der Schöpfung
    Der Mensch zwischen Furcht und Hoffnung
    Die Affen und wir
    Die Sache mit dem Apfel Eine moderne Wissenschaft vom …
    Die Welt ist Gottes Schöpfung
    Die andere Seite der Biologie
    Dienstanweisungen für Oberteufel Wieviel Verführung …
    Feigenblatt und Lorbeer Unzeitgemäße Betrachtungen eines …
    Für eine menschenwürdige Zukunft Die gemeinsame …
    Geliebte Gefährten Tiere als Hausgenossen und Miterzieher …
    Gottes Welt in unserer Hand Der Aufbruch des ökologischen …
    Konvolut (9 Titel) Die Sache mit dem Apfel Für eine …
    Kosmos Bibliothek Bd 261 Noahs Arche
    Kulturbiologie des Menschen Der Mensch zwischen Gesetz und …
    Leben was ist das? Ein Grenzgespräch zwischen Biologie und …
    Lieben was ist das ?
    Mit der Aggression leben
    Noahs Arche Wege zum biologischen System
    Schöpfung oder Evolution Ein Naturwissenschaftler z …
    Theologeleien
    Theologie der Sexualität Die zweifache Herkunft der Liebe …
    Tiergeographie (Das Geographische Seminar)
    Umwelt und Innenwelt Bewußtseinswandel durch Wissenschaft
    Unterwegs
    Unterwegs Ein Briefwechsel in der Not unserer Zeit
    Wissenschaft als Heilserwartung Der Mensch zwischen Furcht …
    Zoologeleien
    Zoologie des Menschen Entwurf einer Anthropologie
    Zu wahr um schön zu sein
    Zwischen Engel und Tier

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