vonHelmut Höge 16.01.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Die Süddeutsche Zeitung hat es heute mit dem Idiotenwort “Baustelle”. Seitdem die Check-Point-Charly-Investoren Palmer, Lauder den Slogan “Jede Baustelle – eine Schaustelle” erfanden, benutzen hier in Berlin alle möglichen Halbintellektuellen das Wort Baustelle – für ihre zwielichtigen “Projekte”, sofern sie noch in der “Pipeline” stecken, und beenden Gespräche gerne mit dem Satz “Ich muß weg, ich hab noch eine andere Baustelle!” Womit sie sagen wollen, dass der Quatsch, den man gerade mit ihnen bei einer Tasse “Cappuccino” durchgehechelt hat, etwas Konstruktiv-Architektonisches ist, eben eine Baustelle, wo am Ende so etwas wie ein Gebäude entsteht, das Bestand und Wert hat – und dazu wohlmöglich noch lobend in der Weltpresse erwähnt wird.

Bei der SZ ist es heute die “Plauderbaustelle” – im Feuilleton, und die “größte Siemens-Baustelle” im Wirtschaftsteil. Mit letzterer ist der derzeitige Umbau der “IT-Dienstleistungen” des Schweinekonzerns gemeint. Dazu heißt es: “Am Montag ging die Siemens-Sparte IT Solutions and Services (SIS), Nachfolgerin des Krisenbereichs Siemens Business Services (SBS) an den Start.” 43.000 Beschäftigte sind davon betroffen. Wie viele davon Baustellen-Unfällen zum Opfer fallen werden, ist noch nicht raus. Neben der SBS gehören die Wiener PSE, die indische SISL, die griechische DIP und die Schweizer BIC zur “neuen Siemens SIS”. Das sind Wirtschaftsnachrichten, da kann man sich Hände und Füße dran wärmen!

Ebenso kryptisch ist die SZ-Kurznachricht “Siemens – Kartellstrafe droht”:

Nachdem nun hunderte von Siemens-Watcher und -Neider die Europäische Kommission gedrängt haben, endlich gegen das Elektrokartell IEA – vermutlich immer noch in Pully bei Lausanne domiziliert – vorzugehen, haben die EU-Kartellwächter nun eine Presseerklärung herausgegeben – des Inhalts, dass sie “gegen ein Preiskartell in der Elektroindustrie vorgehen”. Betroffen sind davon neben Siemens: Alstom, Schneider Electric und Areva. Und es geht um Preisabsprachen bei Schaltanlagen für Stromleitungsnetze, wodurch nahezu sämtliche Stromversorger “geschädigt” – sprich: beschissen wurden. Untersucht “werden” mögliche Preisabsprachen in den Jahren “1988 bis 2002”, so dass mindestens die ersten beiden Jahre 88 und 89 noch in die Zeit der IEA fallen, die ja selbst wie berichtet betont hat, sich erst zum letzten Quartal 1989 aufgelöst zu haben.

Nun wollen aber die “Brüsseler Wettbewerbshüter” schon in der kommenden Woche Geldstrafen gegen die am Wettbewerbsbetrug beteiligten Firmen verhängen. Das heißt also: die Brüsseler Saubermänner haben sich selbst eine Woche (!) Zeit für die Untersuchung gegeben. Mehr ist nicht drin, denn andernfalls würden sie in einem Wust von Korruption, Betrug und kriminellen Handlungen zum Schaden von x Entwicklungsländern (non-producing countries) und nicht zur IEA gehörenden Firmen, die mit “Fighting-Procedures” (Dumpingpreisen, Patenrechtsprozessen etc.) in die Pleite getrieben wurden, versacken. Die SZ schreibt am Ende ihrer Meldung – wie am Ende jeder Siemens-Meldung: “Siemens wollte sich dazu am Montag unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.”

Bei der Firma Areva handelt es sich im übrigen, wie auch bei den anderen o.e., um einen zur IEA gehörenden Konzern, der sich nur mehrmals, nicht nur namentlich, gewandelt hat. Dazu heißt es bei Wikipedia:
Die AREVA-Gruppe ist ein französischer Nuklear-Konzern und Weltmarktführer für zivile Nukleartechnik. Das Unternehmen entstand 2001 aus einem Firmenzusammenschluss, bereits am 30. November 2000 verkündete man den Zusammenschluss der CEA-Industrie, COGEMA, Framatome ANP und FCI. Zur AREVA gehört unter anderem das Unternehmen COGEMA, das die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague, Frankreich, betreibt und im nuklearen Brennstoffkreislauf in den Bereichen Herstellung, Transport, Wiederaufarbeitung und Entsorgung tätig ist. Die COGEMA besitzt zudem Anteile an Goldbergwerken in Australien und der Elfenbeinküste.

Außerdem ist die AREVA durch ihre Tochter TECHNICATOME im Zuliefergeschäft für Kernkraftwerke sowie in den Bereichen Steuerungs-, Regel-, Mess– und Sicherheitseinrichtungen und dem Bau von nuklear angetriebenen Wasserfahrzeugen engagiert. Mit der Übernahme eines Teils des Kernkraftgeschäftes von Siemens ist die AREVA zum größten integrierten Lieferanten für Kernkrafttechnik und -dienstleistungen avanciert. Die französische Regierung plante schon zweimal, das Unternehmen zu privatisieren. Das Vorhaben wurde aber beide Male zurückgezogen.

Im Zuge der weiteren Fokussierung auf das Nukleargeschäft wurde der Verkauf der Tochter FCI am 3. November 2005 an den Finanzinvestor Bain Capital bekannt gegeben.

Weiter gehört zur AREVA Gruppe der Bereich T&D (Transmission and Distribution), so dass die Kette von der Stromerzeugung bis zum Endverbraucher geschlossen ist. Im T&D Bereich arbeiten weltweit 22.000 Personen.

Entgegen der o. g. Fokussierung hat Areva im September 2005 den Hauptanteil am Windanlagenhersteller REpower Systems erworben und ist dadurch zu dessen größtem Aktionär geworden.

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