vonHelmut Höge 25.01.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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So heißt ein Quickforum bei spiegel.de. Um der Diskussion Futter zu geben, stellte die Redaktion heute einen Text über das Funktionieren zweier geheimer Briefkastenfirmen von Siemens in einem Liechtensteiner Bürogebäude in der Aeulestraße 74 ins Netz.

Die Firmen „Nomola Establishment“ und „Zelux Establishment“, Postfach 461 in Vaduz dienten den Siemens-Anlagebauern ab Anfang der Achtzigerjahre als „Berater“ – bei „Projekten“ in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Katar. Dazu wurden regelrechte Verträge abgeschlossen.

„Beide Verträge waren mit je 1.807.259 Saudi-Riyal dotiert. Von Siemens zu zahlen auf das Konto 23416 beim damaligen Schweizerischen Bankenverein in Zürich, der heute zur UBS gehört. In Punkt vier der Vereinbarungen sichern sich beide Seiten strikte Geheimhaltung zu, gleich ob es „kaufmännische oder technische“ Informationen der Projekte oder die Vereinbarung selber betrifft. Und das auch über das Ende der Laufzeit des Vertrags hinaus.“

So weit so gut, aber dann kommt die spiegel-online-redaktion ins deuten:

Das „System von schwarzen Kassen für mutmaßliche Schmiergeldzahlungen könnte seinen Ursprung vielmehr im milliardenschweren Anlagenbau haben – und weit in die Siemens-Vergangenheit zurück reichen.“

Da muß man gar nichts vermuten: Das „weit in die Siemens-Vergangenheit zurückreichende System“ hat seinen Ursprung in der Glühbirne – bzw. im „Edison-Patent“, das sowohl ein (technisches) System beinhaltet als auch die Ursache für das erste Elektrokartell ist, das dann schon bald alle Produktbereiche dieser Branche umfasste – und preislich regelte.

Ein teilnehmer am spiegel-onlineforum „siemens“ meint:

„…Wie funktionierts? Wer bezahlts? Also ich hab mal in einer duchgehend korrupten Firma gearbeitet, ungefähr zwei Jahre lang, da hab ich wirklich was fürs Leben gelernt und ich weiß, warum ich gegen Korruption in jeder Form bin. Dort hat letztendlich immer der Kunde bezahlt, er hat`s nur nicht gewusst. War das bei Siemens auch so? wenn ja, wird das unter Umständen das Ende der Firma Siemens sein, ganz abgesehen davon, dass amerikanische Staatsanwälte (Sarbans-Oxley) gnadenlos sind.“

Dass der Kunde dabei draufzahlt, belegt z.B. der Fall des Siemens-Managers Tsekhman und des Siemens-„Beraters“ Papernick, erster transportierte kofferweise Schmiergeld von Siemens nach Moskau und letzterer händigte es dort an „die Richtigen“ aus.

So zum Beispiel bei einem lukrativen Liefervertrag, den Siemens Medical im November 1999 abschloss. Damals orderte das renommierte Burdenko-Institut für Neurochirurgie in Moskau bei dem deutschen Industrieriesen eine Radiologieabteilung und weiteres Gerät für insgesamt 28,2 Millionen Euro. Um den Vertrag und grünes Licht der russischen Regierung zu erhalten, habe Siemens Schmiergelder in Höhe von mehr als sieben Millionen Euro eingeplant, so Tsekhman in seiner eidesstattlichen Erklärung. Sein Vorgesetzter bei Siemens Medical habe diese Zahlungen genehmigt – was der allerdings bestreitet.

Um das Schmiergeld an die Beamten und Politiker zu bringen, ist laut Tsekhman ein Mittelsmann beschäftigt worden: der in Boston ansässige russischstämmige Geschäftsmann Lazar Papernick. Zwei Siemens-Manager hätten Tsekhman zuvor aufgefordert, solche Zahlungen nicht selbst zu leisten, sondern über Dritte zu leiten. Papernick sagt, dass im Fall des Moskauer Burdenko-Instituts allein 1,4 Millionen Euro für Mitarbeiter des Wirtschafts- und des Finanzministeriums sowie das Büro des Premierministers vorgesehen gewesen seien. Auch er bestätigt das in einer eidesstattlichen Erklärung.

Damit trotz der Bestechungsmillionen für den Konzern noch ein Gewinn übrig blieb, so berichten Tsekhman und Papernick übereinstimmend, habe Siemens der russischen Regierung einen 35-prozentigen Preisaufschlag berechnen wollen.

Stern-Recherchen ergaben: „Bis heute müssen russische Kunden deutlich mehr für Medizingeräte zahlen als westeuropäische. Der Computertomograf „Somatom Sensation 16″ etwa kostet in Deutschland rund eine Million Euro, in Russland dagegen laut Preisliste vom Oktober 2004 mehr als 2,2 Millionen Euro.“

Ohne einen derartigen Preisaufschlag, so darf man vielleicht noch hinzufügen, hätten die Aktionärsvereinigungen, die heute auf der Jahreshauptversammlung wegen der ganzen aufgeflogenen Korruptionsfälle „symbolisch Ohrfeigen“ an die leitenden Siemensmanager verteilen wollen, allen Grund, wirklich böse auf die Geschäftsführung zu sein. Da aber die Preise bei Siemens nach wie vor „stimmen“ und die Gewinnaussichten des Konzerns als gut bis neutral eingeschätzt werden, bleibt es dabei, dass sie von den Aktionären nur deswegen kritisiert werden, weil sie sich hier und da haben erwischen lassen. So ähnlich sieht das auch die Junge Welt heute – in ihrem Kommentar:

„Dieser neuerliche Skandal [EU-Bußgeld] wird auch Thema auf der heutigen Hauptversammlung des Konzerns in München sein. Doch letztendlich interessiert die Aktionäre nur der Börsenkurs und die Dividende. Und für den als »harten Sanierer« bekannten Siemens-Chef Klaus Kleinfeld dürfte es kein Problem sein, erneut Betriebsteile zu verhökern und ein paar tausend weitere Jobs zu streichen, um die Korruptionsverluste wieder reinzuholen.“

Dass die Aktionäre vielleicht die gierigsten, aber ganz sicher nicht gerade die hellsten Köpfe sind, zeigt ein Spiegel-Interview mit einer Siemens-Aktionärssprecherin aus Anlaß der heutigen Hauptversammlung:

„SPIEGEL ONLINE: Frau Bergdolt, auf der Hauptversammlung wollen Sie Siemens-Chef Kleinfeld die Leviten lesen. Was werden Sie ihm konkret vorwerfen?

Daniela Bergdolt: Er hat zu spät reagiert. Man wusste schon viel früher, dass es Korruption im großen Stil gab. Siemens hat nicht früh genug die Öffentlichkeit informiert. Kleinfeld ließ sich treiben, aber ein hochkarätiges Management sollte vorausplanend handeln.

SPIEGEL ONLINE: Wie soll es weitergehen mit Kleinfeld – wird sein Vertrag verlängert?

Bergdolt: Das muss der Aufsichtsrat entschieden, aber ich bin dafür, dass er bleibt. Das Geschäft hat sich positiv unter seiner Ägide entwickelt.“

Hiier ein Eindruck von der Siemens-Hauptversammlung 2005 (aus linksnet.de):

Die Hauptversammlung des Siemens-Konzerns offenbarte die Kluft zwischen Beschäftigten und Aktionären gleich zu Beginn. Draußen vor dem Eingang zur Münchner Olympiahalle, protestierten Beschäftigte von Sinitec und Siemens-Hofmannstraße gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze – drinnen eröffnete der Aufsichtsratsvorsitzende Baumann das Hochamt des Kapitals mit den Worten: „Siemens ist ein wunderbares Unternehmen“. In der Tat, für Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionäre ist Siemens ein wunderschönes Unternehmen. Über 33 Mio. Euro kassierte der 12-köpfige Vorstand im abgelaufenen Geschäftsjahr an Bezügen, 8,8% mehr als im Vorjahr. Mit einem Jahresinkommen von 4,6 Mio. Euro zählt der Vorstandsvorsitzende von Pierer zu den Spitzenverdienern unter Europas Vorstandschefs. Stolz verwies Baumann darauf, dass in seiner siebenjährigen Amtszeit die Vorstandsbezüge von 12 Mio. auf 33,4 Mio. gestiegen seien. Dies spiegele den Erfolg des Unternehmens wider, meinte er.
Für Heinrich von Pierer war es die letzte Hauptversammlung als Vorstandschef. Mit einem Gewinnsprung von satten 39 Prozent auf ein Rekordgewinn von 3,4 Mrd. Euro (nach Steuern) verabschiedet er sich. Der Höhenflug des Gewinns geht weiter. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres ist der Gewinn um weitere 38 Prozent gestiegen. „Go for Profit and Growth“, vorwärts für Profit und Wachstum lautet die einschlägige Einpeitscher-Parole bei Siemens. Da es mit dem Wachstum nicht so recht klappt – das Bemerkenswerte an dem Ergebnis: Es wurde bei stagnierendem Umsatz erzielt – müssen Finanzamt und Belegschaft verstärkt ran. So hat Siemens fast ein Viertel weniger an Ertragssteuern abgeführt, als im Jahr davor: magere 661 Mio. Euro. Steueranteil am Gewinn: 15 Prozent. Mit mehr Stress, Lohnsenkung, unbezahlter Verlängerung der Arbeitszeit und der Vernichtung von fast 4000 Arbeitsplätzen im Inland wurde der Supergewinn aus der Belegschaft herausgepresst.
Kein Wunder, dass die Vertreter der Banken und Institutionellen Anleger voll des Lobes für Pierer waren. Schließlich hat die Siemens-Aktie während Pierers Amtszeit um 300 Prozent zugelegt, während der DAX nur um 175 Prozent gestiegen ist. Hatte die Vertreterin der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz [Daniela Bergholt, s.o.] noch vor ein paar Jahren Pierer aufgefordert, „die Brücke zu verlassen“, so lobte sie jetzt, dass Siemens „inzwischen vorbildlich für die Anleger“ sei. Bei dieser Leistung hatten sie auch kein Problem damit, dass Pierer auf den Stuhl des Vorsitzenden des Aufsichtsrates wechselt, auch wenn sie „im Prinzip“ dagegen seien. Unzufrieden zeigten sich die Vertreter der Couponschneider allerdings mit der Dividende: sie wurde „nur“ um 13 Prozent erhöht. Sie sorgten sich, dass Siemens die flüssigen Mittel von über 12 Mrd. Euro für überteuerte Firmenaufkäufe verwendet, anstatt die Dividende zu erhöhen und den Aktienkurs durch Aktienrückkäufe aufzuwerten.
Für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger ist Pierer gar ein „Weltverbesserer“, weil er sich gegen die „tariflichen und staatlichen Verkrustungen“ einsetze. Die 40-Stundenwoche mit zusätzlicher Lohnsenkung in der Handy-Fertigung habe Modellcharakter für Deutschland. Besonderes Lob erntete er für den Abschluss des Ergänzungstarifvertrages für Vertrieb, Montage und Service. Gerade noch rechtzeitig zur Hauptversammlung hatten sich IG Metall und Siemens darauf geeinigt, für 20.000 Siemens-Beschäftigte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu verlängern und feste Lohnbestandteile in ergebnisorientierte Prämien umzuwandeln.

Immerhin gestand Pierer ein, dass „den Menschen ein Opfer abverlangt“ werde. Aber der „Weltverbesserer“ „kämpft um die Arbeitsplätze in Deutschland“ und da müssen eben Opfer gebracht werden. „Der Standort Deutschland ist nicht abgeschrieben, aber in einem globalen Unternehmen muss die Wertschöpfung global verteilt werden“, bekräftigte Pierer. Dieses Ziel hat er in seiner 12-jährigen Amtszeit konsequent verfolgt. Er hat den Konzern von Grund auf umstrukturiert, internationalisiert und auf Shareholder-Value-Kurs getrimmt. Nur noch 164.000 Arbeitsplätze zählt der Konzern in Deutschland. Auf 266.000 ist die Zahl der Beschäftigten im Ausland gewachsen. Dieser Trend soll weiter beschleunigt werden. Denn in Deutschland werden nur noch gut 20 Prozent des Umsatzes gemacht, aber 38 Prozent der Belegschaft sind hier noch beschäftigt.
Finanzchef Neubürger sagte, dass die Dollarschwäche genutzt werden solle, um Produktion und Entwicklung „in den Dollar-Raum zu verschieben“. Investitionen werden vorzugsweise in den USA, Osteuropa und China getätigt. Vor allem China und Indien bieten neue Möglichkeiten. Mit 30.000 Beschäftigten, 50 joint-ventures und zwei Entwicklungszentren partizipiert Siemens am chinesischen Wachstum und nutzt die Niedriglöhne für den Kampf um größere Anteile am Weltelektromarkt. „Durch Wien wird der Osten erschlossen“, begründete von Pierer die geplante Übernahme der österreichischen VA Tech, die einen Auftragsbestand von 4,6 Mrd. Euro aufweist; vorwiegend Aufträge aus den EU-Beitrittsländern in Osteuropa.
Aber nicht nur die Belegschaft ist international, auch die Eigentümerstruktur. Waren im Jahr 2001 noch mehr als 52 Prozent des Aktienkapitals in deutschem Besitz, so sind die ausländischen Anleger jetzt mit 57 Prozent in der Mehrheit. Zufrieden damit, dass das Management inzwischen internationalisiert ist, forderten deren Vertreter auf der Hauptversammlung, nun auch den Vorstand international zu besetzen.
Henning Gebhardt von Deutschlands größter Fondsgesellschaft DWS (Deutsche Bank) kritisierte die komplexe Konzernstruktur und verlangte eine Verschlankung. Im Handy-Geschäft sei Siemens gescheitert, der Bereich Telekommunikation sei zu wenig profitabel und gehöre nicht mehr zu den Stärken von Siemens. Eine Ausgliederung müsse geprüft werden. Pierer versicherte, damit es mit „Profit and Growth“ weitergeht, würden auch in Zukunft alle Möglichkeiten genutzt: Firmenaufkäufe, Joint Venture, Ausgliederungen und Schließung von Bereichen. Die angekündigte Antwort auf die Frage nach der Zukunft der Handy-Sparte blieb er allerdings schuldig. „Fix it, sell or close“ (sanieren, verkaufen oder schließen), verlangte Daniela Bergholt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz – und zwar „schnell und ohne weiteres Zögern“.
Diese Aufgabe liegt jetzt beim neuen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Als Chef von Siemens USA hat er sich den Ruf des knallharten Sanierers erworben. 10.000 Arbeitsplätze sind dabei bei den US-Töchtern auf der Strecke geblieben. Auf der Hauptversammlung ist er trotz mehrfacher Fragen schweigsam geblieben. Er wollte wohl die gute Stimmung nicht trüben. Schließlich waren unter den 11.000 Besuchern der Hauptversammlung viele Beschäftigte. Aber bereits an seinem ersten Arbeitstag hat er seinem Hardliner-Ruf alle Ehre erwiesen. Seine Ära beginnt mit einer drastischen Streichung von Arbeitsplätzen. Nur einen Tag nach seinem Amtsantritt teilte er dem Betriebsrat mit, dass 1.250 Arbeitsplätze im Bereich für Kommunikations-Festnetze gestrichen werden, davon 300 im Betrieb München Hofmannstraße und 200 im Betrieb München Perlach. In Berlin ist der Abbau von 200 Stellen vorgesehen. Schlechte Aussichten für die Beschäftigten im Handy-Bereich, die weiter im Ungewissen über ihre Zukunft bleiben.

Allerdings muss sich Kleinfeld auf Widerstand einstellen. Insbesondere die Belegschaft in der Hofmannstraße hat die Abbaupläne bereits einmal durchkreuzt. Sie hat sich dabei einen so guten Ruf erworben, dass die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger auf der Hauptversammlung extra betonte, dass Siemens-Vorstandsmitglied Radomski „mit seinem Einsatz in der Hofmannstraße Zivilcourage gezeigt“ hatte. Noch größeren Mut und Ausdauer wird die Siemens-Belegschaft in Zukunft bei der Verteidigung ihrer Arbeitsplätze benötigen.
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„Globaler“, „profitabler“ – unsozialer

„Sie setzen einen glanzvollen Schlusspunkt“, lobpreiste Aktionärsvertreterin Daniela Bergholt den Abgang von Pierer als Siemens-Vorstandsboss. „Das Unternehmen ist globaler, wettbewerbsfähiger und profitabler geworden“.

* Wettbewerbsfähiger: Der Umsatz pro Beschäftigten stieg in Pierers 13-jähriger Amtszeit um 80 Prozent; bei relativ stabilen Preisen ein gewaltiger Produktivitätssprung.

* Globaler: 1992 wurden 53 Prozent des Umsatzes im Ausland erzielt – 2004 bereits 77 Prozent. 38 Prozent der Beschäftigten waren damals im Ausland tätig – heute ist es gerade umgekehrt: 38 Prozent sind noch im Inland beschäftigt. Tendenz fallend.

* Profitabler: Der „Gewinn nach Steuern“ betrug 1992 0,99 Milliarden Euro; im abgelaufenen Geschäftsjahr waren es 3,4 Milliarden Euro: plus 240%

* Profiteure: Die Shareholder (Aktionäre): Dividendenausschüttung 1992: 372 Mio. Euro – 2004: 1.114 Mio. Euro: + 200%;

* Der Vorstand: Gesamte Vorstandsbezüge: 1992: 10,7 Mio Euro – 2004: 33,4 Mio. (+ 212%);

* pro Vorstand (Durchschnitt): 1992: 0,85 Mio. Euro – 2004: 2,78 Mio = + 227 Prozent (von Pierer: 1,42 Mio. Euro – 4,64 Mio Euro);

* Verlierer: Die Belegschaft: Zehntausende von Arbeitsplätzen wurden vernichtet (allein zwischen 1997 und 2003: 30.000). Löhne und Gehälter/Beschäftigten: + 43% brutto (netto und real: nahe Null).

* Die Allgemeinheit: Ertragssteuern: 1992: 635 Mio Euro (Steueranteil am Gewinn: 39%) – 2004: 661 Mio. Euro (Anteil am Gewinn: 15,6%).

Der „glanzvolle Schlusspunkt“ (aus Sicht der Shareholder): Gewinnsprung im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres: + 38%; über 2000 Arbeitsplätze allein bei Siemens-Communications (einschließlich Sinitec) stehen im Feuer.
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Deutsche Bank, Siemens,… – Arbeitsplatzvernichtung als Rendite-Treibsatz

Prägnanter als das „Handelsblatt“ bereits zu Jahresbeginn (7.1.05) kann man es nicht formulieren: „Konzernchef Ackermann visiert für dieses Jahr eine Rendite vor Steuern von 25 Prozent an. Zur Zeit sind es 18 Prozent. Um das Ziel noch zu erreichen, bastelt das Management an einem drastischen Sparprogramm, dem nach Schätzung von Analysten 6.000 der konzernweit 65.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten“.
„Smart Sourcing“ nennt Ackermann sein Programm zur Steigerung der Eigenkapital-Rendite. „Go for Profit and Growth“ heißt das vergleichbare Siemens-Programm.
Hier die Programme im Vergleich:

Deutsche Bank: „Smart Sourcing“
Ergebnisse 2004:
Gewinn vor Steuern: 4,146 Mrd. Euro =+ 50%
Gewinn nach Steuern: 2,546 Mrd. Euro= + 87%
Eigenkapital-Rendite (vor Steuern): 16,7 % (Vorjahr 10,1%)
Mitarbeiter (Deutschland): minus 2.680
Ziel 2005:
Eigenkapital-Rendite: 25%
Mitarbeiter (weltweit): minus 6.400

Siemens: „Go for Profit and Growth“
Ergebnisse 2004:
Gewinn vor Steuern: 4,232 Mrd. Euro = + 26 %
Gewinn nach Steuern: 3,405 Mrd. Euro = + 39 %
Eigenkapital-Rendite (vor Steuern): 15,8 % (Vorjahr 14,2 %)
Mitarbeiter (Deutschland): minus 4.000
Ziel 2005: „Kräftige“ Gewinnerhöhung
Mitarbeiter: Siemens-Com: minus 1.350 (verkündet einen Tag nach HV) + Abbau 670 Mitarbeiter Sinitec
Zur Beachtung: Bei beiden Konzernen wesentlich höherer Anstieg des Gewinns nach Steuern; d.h. wegen der positiven Wirkungen der Unternehmenssteuerreform zahlen sie relativ weniger Steuern (Gewinne werden geringer besteuert).
SZ (8.2.05): „Clement will Steuern für Betriebe senken“.

Letzte Meldung (von businessportal24.com):

„Die Siemens-Hauptversammlung stößt inmitten der Affäre bei den Aktionären auf reges Interesse. Für die Veranstaltung am Donnerstag (25. Januar) lägen rund 30 000 Anmeldungen vor, sagte ein Siemens-Sprecher. Erfahrungsgemäß dürfte knapp die Hälfte davon dann auch an der Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle teilnehmen. Im vergangenen Jahr waren gut 10 000 Anteilseigner gekommen.

In der Kritik wird Siemens-Chef Klaus Kleinfeld auch wegen der Pleite der früheren Siemens-Handysparte BenQ Mobile stehen. Vor Beginn der Hauptversammlung legt Siemens die Zahlen für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2006/07 (30. September) vor.

Finanzvorstand Joe Kaeser und Konzernvorstand Rudi Lamprecht wehren sich unterdessen gegen Spekulationen über eine Verwicklung in die laufende Schmiergeldaffäre. «Sowohl Joe Kaeser als auch Rudi Lamprecht weisen diese verleumderischen Beschuldigungen mit aller Entschiedenheit zurück», teilte die Siemens AG mit.

Beide seien bislang nicht von der Staatsanwaltschaft kontaktiert worden. Das «Wall Street Journal» hatte unter Berufung auf Anwälte berichtet, zwei Beschuldigte hätten die beiden Vorstände in ihren AussagStaatsanwaltschaft schwer belastet. Der Korruptionsskandal wird auch das Hauptthema auf der Hauptversammlung an diesem Donnerstag in München sein.

Zu den Beschuldigten in der Schmiergeldaffäre gehören bereits die früheren Siemens-Vorstände Heinz-Joachim Neubürger und Thomas Ganswindt. Nach Informationen des «Wall Street Journal» sollen zwei Beschuldigte nun unabhängig voneinander unter anderem ausgesagt haben, Kaeser habe in seiner Zeit als Bereichsvorstand in der Mobilfunksparte ICM von dem System schwarzer Kassen gewusst. Siemens erklärte zu diesen Beschuldigungen und zu den Vorwürfen gegen Lamprecht: «Beide Vorstände machen deutlich, dass sie nicht in diesen Fall involviert gewesen seien.» Die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht äußern.“

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/01/25/was-ist-los-mit-siemens/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Klaus-Jürgen Windschep (Bremerhaven):

    Aus den zitierten Erlebnisberichten über die Siemens-Hauptversammlung wird deutlich, warum in den bürgerlichen Zeitungen die Sportseiten stets auf die Wirtschaftsseiten folgen…

  • Erste Eindrücke von der Hauptversammlung (faz.net):

    Es sei überraschend, dass das Verschwinden von 200 bis 420 Millionen Euro in schwarze Kassen in den vergangenen Jahren nicht aufgefallen sei, sagte Henning Gebhardt von der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS. Offenbar sei Siemens zu komplex aufgestellt. „Ein Konzern von dieser Größe ist extrem schwierig zu prüfen und zu
    kontrollieren.“

    Auch Hans-Christof Hirt vom britischen Fondsmanager Hermes sagte, er sehe sich derzeit nicht in der Lage, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung auszusprechen. Man müsse die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. „Vorstand und Aufsichtsrat haben die Schmiergeldaffäre aber zumindest nicht verhindert und die Aufklärung spät eingeleitet.“

    Die Verantwortung für die Aufklärung der Affäre liege beim Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, sagte Pierer. Er selbst nehme an den Sitzungen des Ausschusses, die sich um die Affäre drehen, nicht teil. „Damit ist, so meine ich, der Besorgnis der Befangenheit vorgesorgt.“ Aktionärsschützer hatten kritisiert, dass Pierer nun als Aufsichtsratschef Vorfälle aufklären müsse, die zum Großteil in seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender geschehen sind.

    Der Spiegel bezeichnet Kleinfelds Rede auf der diesjährigen Hauptversammlung als „Hochglanzrede ohne Glanz“.

    Den Skandal um schwarze Kassen will Kleinfeld als Chance nutzen. „Unser Ziel heißt, auch auf diesem Gebiet Vorbild für andere zu werden“, sagte er. Er selbst sei „fassungslos“ gewesen, als er von den Korruptionsvorwürfen erfahren habe. „Schließlich verbindet man mit Siemens Integrität, Rechtschaffenheit und Vorbildlichkeit“, betonte Kleinfeld. Das erkläre auch, warum die Empörung so groß sei.

    Laut SZ „peppte“ Kleinfeld seinen Vortrag mit einem Film „auf“:
    Es geht um Turbinen und Höchstleistungen. „Eine Schaufel leistet so viel wie zehn Porsche“ sagt er. High Tech, deutsche Ingenieurskunst, Arbeitsplätze in Deutschland. Beifall.

    Dann geht es nicht mehr um Turbinen, sondern die geschätzt 12.000 Gäste schauen auf einen roten Fleck (aktive Tumorzellen) und einen gelben Fleck (sehr aktiver Tumorzellen). Siemens hilft das zu erkennen. Bildgebende Diagnostik nennt man das. Auch ein Bild vom Gehirn gehört zu, dass nicht nur die Nervenbahnen zeigt, sondern auch die Richtung der Nervenbahnen. Es geht um Früherkennung, sagt Kleinfeld. Beifall.

    Schon sind wir beim Thema Automatisation. Die vollständige Simulation von Produktionsstraßen am Bildschirm. Optimierung der Prozesse, bevor eine Schraube gedreht wurde. Beifall.

    Dann geht es um Windkraft. Siemens ist jetzt Marktführer bei Offshore-Windkraftanlagen. Beifall. Windkraft kommt immer an. Kleinfeld weiß das.

    Der Siemens-Boss beginnt mit den Zahlen. „Hervorragend“, „starkes Wachstum“, „Top-Perfomance“ sind jetzt Wörter die häufiger vorkommen. „In allen Regionen wachsen wir doppelt so stark wie die Wirtschaft“, sagt Kleinfeld und die Graphik in seinem Rücken soll dies belegen. China + 40 Prozent; Indien plus 50 Prozent; USA + 18 Prozent. Kleinfeld hat mittlerweile Schwung in der Stimme.“

    Dann kommt er auf die Korruptionsfälle zu sprechen:

    Siemens-Boss Kleinfeld spricht von der Fassungslosigkeit, die ihn morgens bei der Zeitungslektüre überfällt. Was er dort lese, stimme nicht mit dem überein, wofür Siemens seiner Meinung nach steht: Integrität. Es gehe um die Vergehen „Einzelner“ und „ehemaliger Mitarbeiter“.

    Kleinfeld erläutert erneut die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses. Compliance-Richtlinien in „Risikoländern“ würden überprüft. Compliance-Richtlinien sollen zum Bestandteil der Führungsgespräche werden und es wird eine Compliance-Hotline geben. Mehr als eine Stunde ist vorüber. Und es geht noch immer nur um eines: Korruption. Und Compliance.

    „Für unsaubere Geschäftspraktiken gibt es keinen Platz in unserem Unternehmen“. Eine Aktionäre klatschen. Andere nicht. Dazu zählen auch die neben mir: Sie haben Verständnis für Korruption. Jeder würde es machen. In anderen Ländern, Großbritannien etwa, sei es legal. In Deutschland sei es bis Ende der neunziger Jahre ja auch so gewesen. Sie waren selbst Unternehmer. Und sagen, die Menschen wüssten nicht, wie Geschäfte gemacht werden.

    10:50 Chefprüfer Cromme erläutert in aller Breite die Aufgaben des Prüfungsausschusses: Prüfung des Abschlussprüfers, Erstellung von Prüfplänen… Zahllose Male fällt das Wort prüfen, Prüfung oder Prüfungsausschuss.

    Laut focus-online stellte der „Siemens-Chef klar:
    Für unsaubere Geschäftspraktiken gibt es in unserem Unternehmen keinen Platz.“ Dies sei „nicht verhandelbar“.

    focus-online merkt dazu u.a. an:

    Auf den aktuellen Kurs der Siemens-Aktie wirkte sich die Kritik überhaupt nicht aus. Ganz im Gegenteil: Siemens gehörte am Donnerstag zu den großen Gewinnern im Dax. Die Aktie legte um sechs Prozent zu.

    spiegel-online vermeldet:

    „Wir drücken die Daumen“, sagen die Frauen der Vorstandschefs, bevor ihre Männer hinauf auf die Bühne zu den Sitzplätzen gehen.

    Und weiter: „Trotz der guten Zahlen haben die Siemens-Kleinaktionäre eine Menge zu meckern.“

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