Als ich in den Achtzigern einmal längere Zeit als Hofmeister in der Toskana arbeitete (bei Talla), wunderte ich mich, dass man dort in der Macchia kaum Vögel singen hörte. Alle 50 Meter hingen kleine Schilder an den Bäumen: „Jagen verboten“, „Schutzzone“, Jagdzone“ – zwischen diesen absurd kleinen Korridoren huschten die Singvögel quasi lautlos durch das Gestrüpp, um ja nicht zwischen zwei „Schutzzonen“ erwischt zu werden.
In diesem Jahr war es jedoch anders: Überall hörte man Vogelstimmen in der Toskana. Was war da in der Zwischenzeit geschehen? Kaum wieder in Deutschland zurück klärte mich die Süddeutsche Zeitung auf – sie hatte sich bei einigen Vogelexperten, u.a. bei Alexander Heyd vom Bonner Komitee gegen den Vogelmord kundig gemacht:
„Naturschützer kämpfen teilweise seit Jahrzehnten gegen die illegale Vogeljagd und sammeln verbotene Netze oder Leimfallen ein, erstatten Anzeigen, informieren die Öffentlichkeit und erzeugen politischen Druck. Das zahlt sich zunehmend aus – in Italien etwa, das lange als klassisches Jägerparadies galt.“
„Italien ist das beste Beispiel, was Aufklärung und strengere Durchsetzung der Gesetze bewirken“, sagt Alexander Heyd. Von einst 2,6 Millionen Jägern blieb nur etwas mehr als ein Viertel übrig. Die Zahl legaler Fanganlagen schrumpfte auf ein Hundertstel. Verkauf und Import getöteter Singvögel wurden verboten, die Zahl der zum Abschuss freigegebenen Arten und die Jagdzeiten drastisch beschränkt.
Selbst die früher notorische Wilderei ist vielerorts gebannt. Italiens Forstpolizei bekämpft die illegale Jagd mittlerweile effektiv. Auch prominente Funktionäre bekämen dies zu spüren, sagt Heyd. Der Präsident des süditalienischen Jagdverbandes musste ebenso büßen wie ein bekannter Feinkoch von Ischia, der Nachtigallen für seine Küche fing.
Es ist das „Wunder von Süditalien“, so Alexander Heyd enthusiastisch, „die heutige Situation ist kein Vergleich mehr zu früher“.
Die Süddeutsche Zeitung befragte dazu auch Martin Schneider-Jacoby von Euronatur in Radolfzell. Dieser meinte ebenfalls: „Da viele Schutzgebiete nun tabu sind für die Jagd, kehren seltene Vögel wie der Löffler nach Italien zurück.“
Auch in anderen Ländern waren die Kampagnen der Vogelschützer erfolgreich. Belgien untersagte den Fang von Singvögeln, Deutschland und die Niederlande schränkten die Jagd auf Gänse ein, die als arktische Gäste im Wattenmeer überwintern.
Die Slowenen sind laut Schneider-Jacoby sogar die Musterschüler Europas. „Sie schießen keine Zugvögel mehr. Das ist die konsequente Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie.“
Das Sorgenkind der Vogelschützer ist immer noch „Malta“. Damit beginnt auch der Artikel der Süddeutschen Zeitung, denn dort hatte man im Herbst einen Schreiadler aus der Mark Brandenburg namens Sigmar abgeschossen: „Obwohl Naturschützer das verletzte Tier aufsammelten und per Flugzeug in die Tierklinik der Freien Universität Berlin bringen ließen, überlebte er nicht. Die Ärzte mussten den Greifvogel wenige Wochen später wegen einer infizierten Wunde einschläfern. Ein bitterer Verlust, denn in Deutschland leben nur noch 90 Paare dieser Art. Auch auf Sigmar ruhte die Hoffnung, dass sich die Schreiadler-Population erhalten lässt.“
Sigmar war auf dem Weg nach Afrika gewesen. Auf dieser alljährlichen Flugroute erwischt es viele der im Sommer in Mitteleuropa lebenden Vögel: „Insgesamt dürfen in Europa etwa 120 Millionen Vögel legal getötet werden. Dazu kommen aber 30 bis 100 Millionen gewilderte Tiere“, sagt Alexander Heyd vom Bonner Komitee gegen den Vogelmord.“
Viele Arten schwinden deshalb europaweit, ein Viertel der offiziell jagdbaren Vögel ist betroffen. „Neben Veränderungen in der Landnutzung spielt die Jagd eine wichtige Rolle beim Artenrückgang. Bisweilen trifft sie ins Herz der Bestände“, bestätigt Hans-Günther Bauer vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. Aber auch auf Malta tut sich was – zum Schutz der Zugvögel, die dort jedes Jahr massenhaft Zwischenstation machen: „Wir beobachteten in diesem Jahr viele seltene Vögel, die statt gehetzt weiter zu ziehen singend auf Leitungen und Bäumen saßen“, sagt Heyd und verspricht: „Wir machen weiter.“ Mit diesem fast optimistisch klingenden Satz endet der Artikel in der Süddeutschen Zeitung.
Eine andere Erklärung dafür, dass vor allem in Italien die Singvögel nicht mehr gehetzt und stumm von einem Busch zum anderen huschen, sondern auf hohen Bäumen sitzen und laut singen, bietet der Marxist Sergio Bologna: Nach ihm hat das Kapital auf die Erfolge der italienischen Arbeiterbewegung in den Siebziger- und Achtzigerjahren dergestalt reagiert, dass es die Leute massenhaft outgesourct hat. Italien ist inzwischen das Land mit den meisten Selbständigen. Diese sind eigentlich immer noch Arbeiter, nun müssen sie jedoch täglich fast 16 Stunden malochen, um noch einigermaßen so wie zuvor über die Runden zu kommen, d.h. sie haben keine Zeit mehr, nach der Frühschicht z.B. durch die Macchia zu strolchen und auf alles zu schießen, was sich da bewegt.
Mir geht es ähnlich: Früher habe ich mindestens vier Stunden am Tag Spaziergänge unternommen , um alles zu beobachten, was da kreucht und fleucht, aber seit der verdammten Wiedervereinigung, dem verfluchten Euro und den allgemeinen Lohn- bzw. Honorarsenkungen arbeite ich sieben Tage in der Woche zehn Stunden täglich – und komme doch nicht über 850 Euro monatlich hinaus. Allerdings ist meine Arbeit nicht ganz so stumpfsinnig wie die der italienischen „Selbständigen“.
In Deutschland werden Fledermäuse weder bejagt noch gewildert.
Fledermäuse werden hier auch nicht zu köstlichen Delikatessen
verarbeitet. Trotzdem geht ihr Bestand ständig zurück.
Das Jagdrecht für jedermann haben die gemeinen Leute im
19. Jahrhundert der Obrigkeit abgetrotzt. Jetzt kommen edle weiße
Ritter und neidische grüne Schildbürger aus der Stadt daher und nehmen
der Landbevölkerung Stück für Stück ihre hart erkämpften Bürgerrechte
wieder ab.
Und die Mund-zu-Mund-Beatmung von Adlern und Schwalben ist ein
Schildbürgerstreich und keine heroische Heldentat. Oder kann mir einer
der Schreiberlinge von der Süddeutschen oder von der TAZ erklären,
welches Umweltproblem gelöst wurde, als man den armen Adler von Malta
nach Berlin flog. Oder anders gefragt, gibt es auf Malta keinen
Tierarzt, der einen Adler tierschutzgerecht den Hals umdrehen kann.
Und warum hat der Primitiv-Blog der TAZ immer noch keine Vorschaufunktion?