vonHelmut Höge 23.10.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Man braucht bloß irgendwo zu stochern, schon stößt man auf neue Genossenschaften. Nicht nur, dass der Dichter Bert Papenfuß regelmäßig die Jenenser „Wagner Café“-Truppe anarchomäßig auf dem Laufenden hält. In Jena fand letzte Woche auch noch eine Attac-Veranstaltung im  „Kassablanka“ statt. Dieser staatlich geförderte Kulturclub ist ebenfalls ein Kollektivbetrieb, d.h. ein eingetragener Verein mit der Theke als angeschlossene GmbH.

„Wir-eG statt Ich-AG. – Vom autoritären ‚Sozialstaat‘. zur autonomen Solidargesellschaft. – Arbeitsertrag versus Kapitalertrag“ so lautete die Ankündigung der Genossenschaftsveranstaltung von Frank Bernhardt. Wobei er erwartete, dass man dabei u.a. auch auf die E-Commerce-Genossenschaft „Towerbyte“, also auf einige lokale Solidargemeinschaften, zu sprechen käme.

Leider waren die „Towerbyte“-Genossen selbst verhindert. Sie haben inzwischen sogar noch eine weitere Genossenschaft gegründet – die „Tower-Venture“, wie am nächsten Tag von ihnen zu erfahren war. Und zwar im „Tower“, das ist der große Uni-Turm in der Mitte der Stadt, um den sich dort quasi alles dreht. Im obersten Stockwerk ist noch immer das  Dot-Com-Unternehmen „Intershop“ domiziliert. Es galt als das Jenaer Vorzeige-Start-Up-Unternehmen. Mit dem Platzen der Dot-Com-Blase mußte sich die Firma jedoch „gesundschrumpfen“. Auch ihre  „Intershop Stiftung“ gab plötzlich nicht mehr viel her.

Es waren dann die abgestoßenen Teile seines Humankapitals (viel mehr braucht ein Dot-Com-Projekt nicht), die über den Umweg einer Intershop-„Transfer-Gesellschaft“ schließlich die Genossenschaft  „Towerbyte“ gründeten – und zwar nicht als Individuen, sondern als eine Reihe von GmbHs: 28 bis jetzt, mit etwas mehr als 300 Mitarbeitern insgesamt. Als E-Commerce-Genossenschaft ist die „Towerbyte“ eigentlich eine Konsumgenossenschaft. Um nicht immer nur als Berater zu arbeiten, will ihr Geschäftsführer Reinhard Hoffmann dabei jetzt auch mal selbst die Hand- und Kopfarbeit prospektiv zusammenführen – indem er mit einem eigenen Internet-Shop Tokaier-Weine anbietet. „Wir müssen in die Buntheit der Märkte eintauchen,“ so hatte es ein Referent auf der  Genossenschaftswissenschaftlichen Tagung in Köln bereits gefordert.

In Berlin gibt es ebenfalls zwei IT-Genossenschaften, sie firmieren jedoch als Kulturgenossenschaften – als solche werden sie auch vom Senat gefördert. In Thüringen scheint man dagegen dem Genossenschaftsgedanken eher zu mißtrauen – oder jedenfalls wurde der „Towerbyte“ ein Stand in der thüringischen Landeshalle auf der CEBIT verwehrt – sie soll sich in Form ihrer GmbHs beteiligen. Dabei ist die „E-Commerce-Genossenschaft“ nur Ausdruck einer fortgeschrittenen und durch das Platzen der Dot-Com-Blase bloß verzögerten, dafür aber  verzweigten „Cluster-Bildung“. Im Juli meldeten die Lokalzeitungen, dass die Towerbyte Genossenschaft eine Zusammenarbeit mit der Uni und der Fachhochschule vereinbart habe, und diese „wechselseitige Kooperation“ nun zur Einrichtung des neuen Bachelor-Studiengangs „Angewandte Informatik“ führe.

Über eine derartige Cluster-Bildung – zwischen Forschungsinstituten, Universitäten,  Start-Up-Unternehmen und Konzernen in Berlin und Potsdam – hatte sich ein Referent auf der Genossenschaftswissenschaftlichen Tagung in Köln bereits lobend geäußert. Er meinte, es gäbe derzeit zwar eine „Renaissance der Kooperation“ (mit „strategischen Allianzen vor allem in der Hightech-Branche“), diese ginge jedoch mit einem „Bedeutungsverlust der Genossenschaften“ einher – angesichts „von Netzwerken und deren Prominenz in Praxis und Wissenschaft“. Zuvor hatte im Besonderen die Pressesprecherin des Wista-Standorts Adlershof von dem immer gelungeneren „Mix“ an diesbezüglichen Niederlassungen dort geschwärmt. Von Genossenschaften war dabei keine Rede gewesen.

Ihnen haftet etwas „verstaubtes“ an, das meinte jedenfalls die Reporterin der Ostthüringer Zeitung, als sie den Geschäftsführer der Jenaer Wohnungsbau-Genossenschaft „Carl Zeiss“  fragte, was sein erfolgreiches Unternehmen denn anders mache als andere Genossenschaften…“Es ist unser erklärtes Image,“ erklärte er ihr, „in der Außendarstellung als dynamisches kundenfreundliches Vermietungsunternehmen wahrgenommen zu werden“. Konkret, dass sie für „gesunde wirtschaftliche Verhältnisse sorgen und dafür, dass das Geld in unsere Immobilien fließt.“ Und wie kommt das an? „Die Bürger erleben, dass ihr Leben lebenswerter wird.“ Wer möchte das nicht auch mal erleben?!

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2008/10/23/unter_jenaer_jenossen_31/

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kommentare

  • Zu den Jenaer Jenossen zählt auch die Heimstätten-Genossenschaft eG. Sie behauptet von sich:

    “ Die Heimstätten-Genossenschaft Jena eG ist ein modernes Wohnungsunternehmen und kann auf eine fast 100jährige Tradition verweisen.

    Inzwischen zählt die Genossenschaft 1.600 Mitglieder und hat einen Wohnungsbestand von etwa 1.100 Wohnungen und Reihenhäusern in den Wohngebieten „Ziegenhainer Tal“, Südviertel, Jena-Nord und Alt-Lobeda.

    Der genossenschaftliche Grundgedanke wird insbesondere durch gute Wohnqualität, ein Höchstmaß an Wohnsicherheit und günstige Mieten verwirklicht. “

    Ferner die Jenaer Baugenossenschaft. Sie teilt uns mit:

    „Die Jenaer Baugenossenschaft eG zeigt sich als moderne Genossenschaft, die ihren Mitgliedern fast 1.100 Wohnungen und Geschäftsräume zur Verfügung stellt. Der Großteil dieser Wohnungen ist zwischen 1897 und 1960 errichtet worden. Einen wesentlichen Anteil an der Geschäftstätigkeit der Genossenschaft hat auf Grund des hohen Baualters der Gebäude die Sanierung und Modernisierung der Wohnungen. Dabei legen wir Wert auf gut ausgestattete Wohnungen und ein Umfeld, welches den vielfältigen Anforderungen unserer Zeit gerecht wird und sich deutlich von anderen Anbietern absetzt.

    Wird dabei nicht das genossenschaftliche Prinzip verletzt, dass eine Genossenschaft der anderen keine Konkurrenz machen darf?!

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