vonHelmut Höge 14.12.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Es war nur einer bürgerlichen Zeitung eine Meldung wert – auf 24 Zeilen schnurrte dabei die dpa-Tickernachricht zusammen:

2007 begingen 16.000 indische Bauern Selbstmord. Die meisten, nämlich 4000, im westindischen Bundesstaat Maharashtra, wo Monsanto die meisten Baumwoll-Saatgut-Firmen aufgekauft hat, um den Bauern ihren giftigen Scheiß ohne Alternative anzudrehen. Nicht selten endeten die Baumwoll-Anbauer dadurch, dass sie aus dem Saatgut einen Cocktail mischten, den sie austranken.

2006 begingen in Indien sogar insgesamt 17.000 Bauern Selbstmord, also noch mehr als im vergangenen Jahr, „der Trend sei aber ungebrochen,“ schreibt die SZ, die sich dabei auf dpa beruft, welche dies der Zeitung „The Hindu“ entnahm.

Seit dem Jahr 1997 begingen insgesamt mehr als 180.000 „meist hoch verschuldete“ Bauern in Indien Selbstmord. Die Kongresspartei hatte bei ihrem Amtsantritt 2004 versprochen, die Misere der Kleinbauern zu lindern. Das ist ihr gelungen: Die Bauern, denen es am miesesten ging, sind so gut wie verschwunden.

In Deutschland, schreibt die SZ ein paar Seiten davor, bringen die Leute sich in der Vorweihnachtszeit nicht selbst um, sondern sie „bringen sich selbst ein“. Und zwar, indem sie ein Ehrenamt annehmen. 1. jippert jeder Deutsche nach einem Amt – und 2. nach Ehre sowieso. Was liegt da näher, als sich „ehrenamtlich zu engagieren“. Jeder dritte Deutsche tut das inzwischen. Die taz verleiht den dabei Engagiertesten regelmäßig einen Panter-Preis. Die SZ spricht vom „Kitt der Gesellschaft“.

Die kapitalistische Gesellschaft stellt sich zwar über den Warentausch her, also über die Dinge, aber zusammengehalten werden soll sie über das eher selbstlose Engagement in einem Ehrenamt – eine Art emotionaler Gabentausch. Also wie denn nun? Wo ist denn nun der wahre „Kitt“? Oder gilt hier: doppelt hält besser? Dafür spricht, dass die SZ-Wirtschaftsredaktion auf Seite 25 das Ehrenamt als „Kitt der Gesellschaft“ lobt und auf Seite 30 Die „Renaissance des Goldes“ als fast krisensichere Anlage anpreist. Das selbe sagt auch die indische Regierung laufend, die sogar als Verkäuferin auftritt und in den Eisenbahnzügen Flugblätter verteilen läßt, in denen sie die Frauen auffordert „Kauft krisensicheres Gold!“ Feministinnen, die Flugblätter verteilen, in denen sie vor diesem Schwachsinn warnen, werden dagegen von den meisten Frauen nicht ernst genommen, von vielen sogar angegiftet. So als wollten sie ihnen auch noch das letzte Vergnügen vermiesen.

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