vonHelmut Höge 03.05.2009

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Genaugenommen handelt es sich hierbei um angehende Hausmeisterkunst: „Die zwei Poller auf dem Bild sind virtuell – die zählen nicht,“ schreibt der Überbringer Peter Grosse zu diesem Photo. Es handelt sich dabei um eine Hausaufgabe zweier Studenten der berufsbegleitenden „Weiterbildung Master of Advanced Studies in Facility Management“ an der ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die beiden sind zur Zeit noch Hausmeister einer in Zürich ansässigen irischen Versicherungs- und Investmentgesellschaft, wollen aber, eher früher als später, Diplom-Hausmeister werden. Viel Glück!

Dazu müssen Sie wissen:

„Facility Management fokussiert das ganzheitliche Management von Gebäuden, Einrichtungen und Dienstleistungen sowie den optimalen Einsatz von Immobilien über deren gesamten Lebenszyklus hinweg. Auch die Dienstleistungen zur Schaffung von optimalen Wohn-, Arbeitsplatz- und Aufenthaltsverhältnissen spielen eine Rolle.

Der MAS umfasst 87 Studientage. Für das Selbststudium (inkl. Master-Thesis) ist ausserhalb der Unterrichtsveranstaltungen mit einem zusätzlichen Gesamtaufwand von 800 Stunden zu rechnen.“

P.S.: Zur gleichen Zeit wie dieses Bild bekam ich Post von angehenden und schon angegangenen „Facility Managern“ aus dem FM-Studiengang der Berliner FHTW. Zwei ihrer Mails stellte ich in den blog „Hausmeisterwissenschaft (1)“ vom 4.4.09, wo die Absender sie auch hinhaben wollten. Sie beschwerten sich dort über meine Beschäftigung mit ihrer FM-Wissenschaft – und warfen mir Inkompetenz vor. Ich glaube, dahinter steckt der uralte Konflikt zwischen Hand- und Kopfarbeiter: Letztere begreifen sich stets als professioneller oder kompetenter, jedenfalls wissender – gegenüber den ersteren. Manchmal verbitten sie sich geradezu jede Wortmeldung von denen (da unten). Aber spätestens seitdem die „Akteur-Netzwerk-Theorie“ (ANT) von Latour und anderen auch in die FM-Science-Studies Eingang gefunden hat, sollte das – speziell auf diesem Feld: der Hausmeisterei – eigentlich alles Schnee von gestern sein. Apropos: Warum steht z.B. am Ladenbüro der „Hausmeisterei“ des Gewerbekomplexes hinter dem GSW-Hochhaus in der Kreuzberger Charlottenstraße ein Schild mit der Aufschrift „Füße abputzen!“ im Schaufenster? Darüber und über ähnliche Absonderlichkeiten müßten sich doch die hand- ebenso wie die kopfarbeiterlich tätigen Facility Manager einschließlich ihrer Deputies (Aushilfshausmeister) gemeinsam Gedanken machen. Das kann man doch nicht einfach so – unkommentiert – stehen  bzw. durchgehen lassen!

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/05/03/hausmeisterkunst_317/

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kommentare

  • Noch mal zur Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) bzw. zu dem Buch von Bruno Latour „Das Parlament der (letzten) Dinge. Naturpolitik“. Dazu fiel mir gerade im Zusammenhang der oben angesprochenen Asymmetrie zwischen Hand- und Kopfarbeitern im FM-Bereich „Die Konferenz der Tiere“ von Erich Kästner ein. Das war zuvor auch schon einem Rezensenten des Latour-Buches in der SZ eingefallen. Der Inhalt dieses Kästner-Buches ist schnell erzählt:

    Da die Friedenskonferenzen der Menschen ständig scheitern, beschließen die Tiere im „Hochhaus der Tiere“ ihre erste und letzte Konferenz abzuhalten. Parallel zur Konferenz der Tiere tagen in Kapstadt, Südafrika, die Staatsoberhäupter, Ministerpräsidenten und ihre Ratgeber zu ihrer 87. Konferenz. Als ihnen die Forderungen der Tiere „um der Menschen Kinder Willen“ überbracht werden, sind sie sich erstmals einig: Die Tiere sollen sich nicht einmischen!

    Da der Appell der Tiere also nichts bewirkt, vernichtet eine Mäuse- und Rattenplage sämtliche Akten der Kapstadter Konferenzteilnehmer. Diese sind davon jedoch wenig beeindruckt. In kürzester Zeit werden Kopien besorgt, so dass die Tiere sich etwas neues einfallen lassen müssen. Der zweite Anschlag gilt den Uniformen, auf die sich in der ganzen Welt die Motten stürzen. Einsicht bewirkt auch diese Aktion nicht. Usw.

  • Sie fiel mir neulich beim taz-kongreß zum 30jährigen Jubiläum wieder ein, als ich mit Martin Reichert, Lisa und Bröckers auf dem Podium „Tunix 2.0“ saß – und nur Kritik über die taz-entwicklung äußerte. Lisa war ganz entsetzt und meinte, „ich dachte, das geht eher gemütlich hier zu“ – d.h.: wir plaudern ein bißchen über die alten Zeiten. Das tat ich als „Stalingrad-Geschichten“ ab. Broeckers versuchte zu vermitteln, und Martin Reichert, das Thema zu wechseln. Lisa war noch Tage danach sauer – und schien sich zu fragen: Was ich mit einer solchen Einstellung denn überhaupt noch in der taz wolle?

    Ich fand, dass sie da, nicht unbedingt eine japanische Haltung den Dingen der taz gegenüber eingenommen habe, aber eine, die der der taz-werbeabteilung ähnelt. Dass, was sie da wahrscheinlich „Die Außendarstellung“ nennen: Schöne junge Menschen in gepflegter Umgebung und fast sauberer Umwelt lesen die taz – mit den lustigen Headlines und dem täglichen Tom-Cartoon.

    Aber was unterscheidet z.B. die japanische Haltung und die der taz-werbeabteilung von sagen wir der „nicht-bejahenden Affirmation“ einiger französischer Philosophen? Und wie sieht überhaupt der Japaner (oder die Japanerin) die taz?

    Einmal kam eine chinesische Journalistin von einer angesehenen kommunistischen Wochenzeitung aus Peking und versuchte mit Hilfe eines Dolmetschers, die Politik und das Funktionieren der Westberliner taz zu verstehen. Arno Widmann ließ anschließend ihren Artikel aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzen – und druckte ihn ab: Dabei kam eine völlig andere „tageszeitung“ bei raus! Die war zwar nicht besser oder schlechter als die quasi reale, aber eben anders. Und es ist noch fraglich, ob sie so, hier: in Westberlin, überhaupt funktioniert hätte – in dieser sinisierten Form.
    Dabei war die taz mal bei ihrer Gründung halb chinesisch gewesen, d.h. sie setzte gleich mehrere Forderungen aus der dortigen Kulturrevolution in die Praxis um: Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit, keine Boni für letztere, stattdessen Einheitslohn, keine Hierarchien, die Waffe der Kritik kann aber die Kritik der Waffen nicht ersetzen – deswegen Spendensammlung „Waffen für El Salvador“ usw..

    Der Hamburger Historiker Arndt Neumann hat sich in seinem Buch „Kleine geile Firmen“ u.a. auch mit dieser Entwicklung der taz befaßt – und dazu die Archive aufgesucht, um in den damaligen linken Zeitungen die Diskussionen darüber zu finden: Nicht lange nach der Gründung der tageszeitung schrieb z.B. ein “radikal”-Mitarbeiter: “Mich erschreckt, dass es eine Hierarchie vom Handverkäufer bis zum Ressortleiter gibt, mich erschreckt, dass es Redakteure und Layouter gibt, dass es so viele Spezialisten gibt, die so schnell nicht austauschbar sind.” Schon bald ersetzte die taz so gut wie alle lokalen Alternativzeitungen – und professionalisiert sich und expandiert auch seitdem munter weiter.

    In ihrer diesbezüglichen Power-Point-Präsentation heißt es: “250 MitarbeiterInnen/ 8400 GenossInnen (mit einem Kapital von über 8 Millionen Euro)/ taz – die Marke: Le Monde Diplomatique, taz-shop, taz-reisebüro, die tageszeitung, Atlas der Globalisierung, taz-panterstiftung (mit einem Stiftungskapital von 1 Million Euro), tazpresso, taz-café.” Wie eine taz-Leserumfrage der Universität Dresden Ende 2008 ergab, haben ihre etwa 45.000 Abonnenten, die durchweg zur “Verantwortungselite” hierzulande gehören, die engste “Leser-Blatt-Bindung”. Auf der anderen Seite haben die taz-Redakteure im Vergleich zu den Redakteuren von Kapital-Zeitungen immer noch die stärkste “Selbstverwirklichungs”-Motivation.

  • Gewiß,

    die japanischen Facility Manager üben weder als Hand- noch als Kopfarbeiter Kritik. Die erst in Hamburg und jetzt in Berlin lebende japanische Dichterin Yoko Tawade, deren Bücher im Konkursbuch-Verlag von Claudia Gehrke erscheinen, meinte dazu einmal,

    dass sie, als sie mit der transsibirischen Eisenbahn hier herkam, auch irgendwann angefangen habe, kritisch zu sein, d.h. Kritik zu üben – so wie es die Hamburger in ihrer Umgebung ständig taten. Aber das sei ihr zu wesensfremd gewesen, in Japan tue man so etwas einfach nicht: eine kritische Haltung gegenüber den Dingen und der Welt einzunehmen.

    Ich muß diese Stelle in einem ihrer Bücher noch mal raussuchen. Sie hat mich sehr beeindruckt – und ich hoffe, dass ich sie hier einigermaßen richtig wiedergegeben habe.

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