vonHelmut Höge 22.11.2010

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Netzwerker – zu Lande

– zu Wasser

– und in der Luft

„Network is a purely conceptual tool,“ meint Bruno Latour. So etwas Ähnliches wie „Konzeptkunst“? Oder betreiben wir Projektemacher das Networking konzeptmäßig? Das Netzwerk ist laut Latour „what allows you to trace but it’s not what is traced“.

Zur Genealogie des Begriffs hat unlängst der Siegener Medienprofessor Erhard Schüttpelz Erhellendes beigesteuert:  Ursprünglich waren mit dem „Netzwerk“ Infrastrukturen wie die Strom- und Wasserversorgung gemeint – und es ging mit dem Begriff darum, die diesbezügliche Technik zu standardisieren: Von 1900 bis etwa 1930 „ist das makrotechnologische ‚Netzwerk‘ nichts als ein materielles ‚Objekt‘ der Organisation, das entsprechende ‚Subjekt‘ sind große Firmen, Institutionen und vor allem der Betrieb durch ‚Systeme‘. Das Eisenbahnnetzwerk etwa, das waren die Schienen, Weichen, Gleise, Bahnhöfe und Signalapparate, aber nicht die Eisenbahngesellschaft.“

Etwa seit dem Zweiten Weltkrieg wird mit dem Begriff „Netzwerk“  aber auch noch versucht, „die Subjektivität der informellen Sozialbeziehungen zu erfassen“. Dennoch „handelt es sich im mikrosoziologischen ‚Netzwerk‘ bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts um einen schwachen Terminus.“

Aber schon in den frühen Neunzigerjahren begriffen z.B. amerikanische Studenten ihr Studium eher als Chance zum „Networking“ denn zur Wissensübermittlung, wie die Westberliner Künstlerin Maria Eichhorn klagte, die damals als Dozentin in den USA arbeitete: Ihre Studenten waren weniger an ihrer Kunst als an ihren Verbindungen und Adressen – von Galerien, Kuratoren, Kunstzeitschriften, Stiftungen etc. – interessiert. Die Berliner Hochschulen haben dazu neuerdings sogar ein ganzes – feministisches – Programm aufgelegt. Es nennt sich „ProFil – Professionalisierung für Frauen in Forschung und Lehre“ und bietet „Mentoring – Training – Networking“ an – zur „Entwicklung der strategischen Kompetenzen und besseres ‚Self-Marketing'“.

Daneben gibt es in Berlin auch noch den politischen Förderfonds „Netzwerk“, der gerade eine Broschüre mit Adressen von 230 Stiftungen und Förderquellen für Projekte und Initiativen veröffentlichte. Die Inanspruchnehmer sind jedoch derart viele (geworden), dass sie mehr als diese Adressen/Adressaten ihrer „Projekte“ brauchen, nämlich „aktives Networking“, bis dahin, dass sich ihnen sein „Inhalt“ ergibt. So meint z.B. die Genossenschaftsforschung, dass die Berliner Förderung von Genossenschaftsgründungen so verzwickt ist, dass nur solche Genossenschaften sie in Anspruch nehmen (können), die ausschließlich  wegen der Fördergelder gegründet wurden.

Schüttpelz schreibt: „Wenn die Sozialform der ‚Netzwerke‘ früher einmal ‚Korruption‘ und ‚Klientelismus‘ genannt wurde, und wenn man in den legalisierten ‚Netzwerken‘ der Gegenwart durchaus alle Züge eines klassischen ‚Klientelismus‘ ausmachen kann, dann muss man davon ausgehen, dass diese Sozialformen heute sehr viel stärker legalisiert worden sind als vor dreißig Jahren“.

Das ist freundlich ausgedrückt, man könnte auch sagen: Jedes Networking ist Kriminell!  Bereits der Begründer der Nationalökonomie Adam Smith war sich sicher: „Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann“.

Das ist nur halb so fatal wie der Umstand, dass wir nun alle bloß noch als „Geschäftsleute“ zusammenkommen. Denn tiefer noch als sämtliche  Privatisierungen greift heute das „ökonomische Raster“ der Neoliberalen, indem es den Begriff des „Humankapital“ und einen neuen „homo oeconomicus“ hervorbrachte, der gleichzeitig „Unternehmer seiner selbst“ und „in eminenter Weise regierbar ist“, wie Michel Foucault in seinen Vorlesungen über „Neoliberale Gouvernementalität“ und „Die Regierung des Selbst und der anderen“ ausführte.

Wenn man das „Netzwerk“ nun mit Latour als ein rein konzeptuelles Werkzeug begreift, das es uns erlaubt, etwas zu verfolgen, das selbst jedoch nicht das ist, was wir verfolgen, dann stellt sich mit einer solchen Umkehrung der Malaise die Frage, ob wir damit aus der „Falle“  herauskommen.

Michel Foucault redet zwar nicht von einem Netzwerk, sondern von einem „Beziehungsgeflecht“, gegen dessen Eingrenzung man sich ständig zu widersetzen habe, aber er sieht das nicht als eine Falle: „Zwar befinden wir uns stets in dieser Art Situation. Was aber bedeutet, dass wir stets die Möglichkeit haben, die Situation zu verändern, dass diese Möglichkeit stets existiert. Wir können uns nicht aus dieser Situation herausversetzen, und wir sind nirgendwo frei von jeder Machtbeziehung. Aber wir können stets die Situation umgestalten. Wir sitzen also nicht in der Falle, sondern im Gegenteil, wir sind frei. Kurz gesagt gibt es stets die Möglichkeit, die Dinge umzugestalten.“

In der „Falle“?

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2010/11/22/networkernetzarbeiter/

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kommentare

  • Im Bestreben, aus uns allen Makaken zu machen, bot die Bild-Zeitung Ihren 6 Millionen Lesern kürzlich einen Test an:

    Sind Sie ein guter Networker?

    Unser Berufsleben ist in erster Linie ein Beziehungsleben. Auf welchem Feld Sie auch tätig sind, in letzter Konsequenz bestimmt die Qualität Ihrer Beziehungen, ob Sie Ihre Ziele erreichen und welche Freude Sie an Ihrem Beruf haben. Der wichtigste Erfolgsfaktor überhaupt ist deshalb gutes Networking!Wie werde ich ein guter Networker? Hier sind einige Ideen und Vorschläge mit denen Sie das sofort umsetzten können:

    • Beginnen Sie Telefonate mit einer persönlichen Frage. Knüpfen Sie dabei en etwas an, das Sie beim letzten Mal besprochen haben oder was der andere Ihnen erzählt hat.

    • Schreiben Sie bei E-Mails eine Abschlussbemerkung, die sich von den Standardtexten unterscheidet – einen speziellen Gruß, einen guten Wunsch oder (wenn es passt) einen fröhlichen Kommentar. Ein Satz genügt.

    • Schreiben Sie in Briefen nicht nur Ihre Unterschrift per Hand, sondern auch die Grußformel. Bei guten und vertrauten Partnern können Sie am Anfang auch den Namen des Empfängers per Hand schreiben.

    • Achten Sie auf Ihre Sprache! Sie zeigt Ihrem Partner besonders deutlich, welche Bedeutung Sie ihm beimessen. Oft genügt schon ein liebenswürdiger Begrüßungssatz, um ihm das angenehme Gefühl einer individuellen Zusammenarbeit zu geben: „Auf unser heutiges Treffen heute habe ich mich sehr gefreut.“

  • Netzwerker gibt es überall:

    Sogar schon eine selbsternannte „Netzwerk-Elite“ – eigentlich ein Oxymoron, und darüberhinaus „nackte Netzwerker“, „nervöse Netzwerker“ und „nette Netzwerker“ sowie auch etliche „Nutten-Netzwerke“ – eigentlich ein Pleonasmus. Rückblickend gelten der Intelligenzpresse Jakob Taubes, Alexander von Humboldt, Charles Darwin und Lenin sowie Trotzki als herausragende Netzwerker. Letzerer wurde jedoch von dem noch besseren Netzwerker Stalin ausgebremst.

    Alles läßt sich vernetzen:

    Inzwischen gibt es sogar „Strohballen-Netzwerke“:

    Infos beim italienischen Strohballen-Netzwerk: Stefano Soldati, tel: +39 335 5634287

    „Der Stern“ berichtete:

    Zum Vernetzen gedrängt

    US-Psychologen stellen fest, dass Menschen aller Altersgruppen einen enormen Druck verspüren, sich in Social Communitys zu vernetzen. Sie haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie kein Profil bei Facebook oder Myspace haben. Doch der Stress ist so groß, dass sich die ersten wieder zurückziehen.

    Menschen streben nach Vernetzung

    Menschen sind neurologisch so angelegt, dass sie sie nach Vernetzung streben, online wie offline, erklärt der Professor für Neurowissenschaften an der Universität Richmond, Craig Kinsley. Aber ihr Gehirm macht auch Unterschiede bei der Qualität der Interaktion. „Viele flüchtige Kontakte können beim User das Bedürfnis nach einem tieferen Austausch mit größerer Bedeutung wecken“, sagt Kinsley.

    „marktforschung.de“ meldet dagegen:

    Bielefeld – Die Nutzung von Social Networks wie Xing, StudiVZ, Facebook, Lokalisten und anderen durch die sogenannten „Netzwerker“ umfasst 42 Prozent aller Onliner im Alter zwischen 14 und 49 Jahren (16,6 Mio. Personen). Die gemessenen Grundeinstellungen und Wertevorstellungen dieser Social Networker zeigen, dass die Mitglieder sozialer Netzgemeinschaften besonders fortschrittlich, experimentierfreudig und dynamisch sind. Durch ihre Neugier bedingt, probieren sie gerne neue Dinge aus, diskutieren darüber innerhalb der Netzwerke und setzen damit Trends.

    Die Mitglieder in Online-Netzwerken bilden somit eine interessante Zielgruppe für neue Marketingstrategien. Für ihre Ansprache im operativen Marketing sind zielgruppeneffiziente Maßnahmen empfehlenswert, die ihre lust- und erlebnisorientierte Grundhaltung aufgreifen.

    science.orf.at berichtet:

    Netzwerker sind erfolgreicher

    Wie eine Studie an Makaken zeigt, ist körperliche Stärke allein nicht ausreichend für sozialen Erfolg. Wer in der Rangliste nach oben kommen will, benötigt vor allem ein gut funktionierendes Karrierenetzwerk.

    Als der deutsche Biologe Oliver Schülke im thailändischen Phu-Khieo-Wildpark mit seinen verhaltensbiologischen Beobachtungen an Makaken begann, fiel ihm zunächst ein Männchen in der Affengruppe auf: Groß und stark wie kaum ein anderes, hatte es die besten Voraussetzungen, um die Spitze des Affenclans zu erklimmen.

    Das robuste Männchen hatte es in der ersten Beobachtungssaison schon fast geschafft: Es belegte Rang drei der sozialen Rangliste. Acht Monate später erlitt es jedoch einen unerwarteten Rückschlag und fiel auf den sechsten Platz zurück. Weitere acht Monate später rutschte es noch weiter ab: Rang acht, trotz seiner überlegenen Physis.

    Warum? Die Erklärung dafür liegt im Sozialen. Das Männchen war einzelgängerisch veranlagt und hatte Schwierigkeiten, soziale Bindungen einzugehen. Dass Bindungen bei männlichen Makaken eine wichtige Rolle spielen, gilt unter Fachleuten als Überraschung. Bisher meinte man nämlich, dass nur die Weibchen kooperieren würden, die Männchen galten eher als Einzelkämpfer.

    Wie Schülke und seine Kollegen im Fachblatt „Current Biology“ berichten, haben gut vernetzte Makaken auch deutlich mehr Nachkommen als ihre sozial weniger aktiven Artgenossen. Der Grund dafür: Freunde helfen einander bei körperlichen Auseinandersetzungen, sie gehen im Doppelpack gegen aggressive Dritte vor und rutschen dadurch in der Rangliste immer weiter nach vorne. Nachdem der Zugang zu Weibchen bei Makaken über die soziale Stellung geregelt wird, schlägt sich der soziale Bonus auch im Fortpflanzungserfolg nieder.

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