vonHelmut Höge 23.07.2012

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Der Wurm in den Tränen von Nilpferden

Der 1922 in Stettin geborene ARD-Tierfilmer Horst Stern („Sterns Stunde“) kaufte sich einmal zwei Kolkraben. Hinterher – 1973 – gab er selbstkritisch zu bedenken: „Ich konnte dabei nicht wirklich wissenschaftliche Zwecke für mich in Anspruch nehmen, vielmehr nur meine tiernärrische Neugier auf diese sagenhaften klugen Vögel. Wie ich denn überhaupt sagen muß, dass nicht selten passionierte Tierfreunde, insbesondere Tierfotografen, mehr Schaden in der Tierwelt anrichten als dass ihre Beobachtungen und Bilder ihr nützen.“

Manchmal ist es auch umgekehrt: 2006 wurde ein Unterwasserphotograph von einem Stachelrochen getötet. Zuvor hatten Grizzlys einen Bärenfilmer und seine Freundin getötet. Aber es lauern auch noch andere Gefahren auf die Tierfilmer. 1945 kassierten die Engländer das Schiff „Seeteufel“ des Unterwasserfilmpioniers  Hans Hass, weil dieser an „Kriegsmittelforschung“ beteiligt war. 1959 stürzte der Sohn des Frankfurter Zoodirektors beim Tiere filmen und zählen in Afrika mit seinem zebragestreiften Flugzeug ab, nachdem ein Geier in den Propeller geflogen war.  Sein Vater, der Veterinär Bernhard Grzimek moderierte jahrzehntelang die TV-„Kultsendung ‚Ein Platz für Tiere'“.

 

 

Im Osten tat es ihm der Berliner Zoologe Heinrich Dathe mit seiner beliebten Sendung „Tierparkteletreff“ nach. Er wurde nach der Wende von Westbeamten schnöde vor die Tür gesetzt – und starb darob. In Frankreich entwickelten sich zur gleichen Zeit die TV-Sendungen des  Unterwasserfilmers Jacques Cousteau, der mit seiner Yacht „Calypso“ anfangs auch noch für den Geheimdienst tätig war, zu „Straßenfegern“.  Seitdem hat sich die Zahl der Tierphotographen und -filmer vertausendfacht. Der berühmteste ist noch immer der dafür inzwischen geadelte BBC-„Wildlife“-Moderator David Attenborough. Auf die Frage eines Interviewers, welche Entdeckungen in der Natur ihn wirklich überrascht hätten, antwortete er: „Wenn man mit der Natur zu tun hat, kann man an jedem einzelnen Wochentag einer Überraschung begegnen. Es gibt deren tausende, zum Beispiel, einen Wurm, der nur in den Tränen von Nilpferden lebt.“ Der 68er-Regisseur Jean-Luc Godard hat sich von Attenborough inspirieren lassen – und will demnächst ebenfalls einen Tierfilm (Arbeitstitel: „Abschied von der Sprache“) drehen. Der Zeit-Filmredakteurin Katja Nikodemus gestand er, dass er weder Internet noch Mobilfunk habe und selten fern sehe: „Nur manchmal Tierfilme auf BBC, in denen Menschen Monate damit verbringen, um einem Käfer oder einer Haselmaus nachzustellen.“ „Was ist Ihr nächstes Filmprojekt?“ „Die Geschichte eines Paares, das sich sehr gut versteht. Und das sich besser versteht, sobald es einen Hund hat.“ „Im Drehbuch sind ja bereits Photos…Und da ist auch ein Hund…“ „Das ist unser Hund.“ „Verstehen auch Sie und Ihre Frau sich besser, seit Sie den Hund haben?“ „Nun, er tut uns gut.“ „Weil sie manchmal über den Hund miteinander kommunizieren?“ „Sehr oft sogar. Sehen Sie, ich brauche wirklich kein Mobiltelefon.“

Die Frankfurter Rundschau fragte  kürzlich David Attenborough, ob seine Arbeits-„Methoden“ denen seines Bruders Richard ähneln würden, der ein Spielfilmregisseur ist. Der Tierfilmer, der alle Biotope dieser Welt außer der Wüste Gobi kennt, antwortete, sie seien „vollkommen verschieden. Er erfindet Geschichten, während ich Geschichten filme.“ Meistens läßt David Attenborough jedoch filmen – und beamt sich dann hinterher als Erklärer in den Film rein. 2011 sprach der „Mirror“ von einem „Attenborough-Skandal“: Er hatte in einem Interview  2009 zugegeben, die im Zoo gefilmte Geburt eines Eisbären in eine Sendung eingebaut zu haben, die diese Tiere in der arktischen Wildnis zeigte. Attenborough verteidigte nicht nur seinen „Fake“, sondern gab gleich noch einige weitere zu. Die Tierfilme produzierenden Firmenchefs  sprangen ihm bei: Seine „Methode“ entspreche den „Redaktionsanforderungen, sie sei „Standard“ bei der Produktion von „Natural History Programmes“.

Ähnliches galt auch für den ARD -Tierfilmer Heinz Sielmann („Expeditionen ins Tierreich“). Er begann professionell Tiere zu filmen als Soldat für die Wehrmacht auf Kreta, wo er 1945 gefangen genommen und mitsamt seinem Material nach England verschifft wurde. Dort, bei der BBC, entstanden dann auch seine ersten größeren Filme, die bereits Rekordzuschauerzahlen erreichten, später machte er beim NDR weiter – und wurde anscheinend steinreich dabei.

Der Tiergedichtsautor Wiglaf Droste mochte Sielmann nicht. Ich nahm Sielmann insbesondere seinen dumpfdarwinistischen Kommentar zu einem gefilmten Mückenschwarm übel, der im Abendlicht über einem Teich tanzte: „Sie haben nur ein Interesse – sich zu vermehren!“ raunte  Sielmann dazu aus dem Off. Quatsch, so ein „Interesse“ gibt es nicht, schon gar nicht bei Mücken, die viel lieber „ohne Folgen“ vögeln würden. Und sowieso: Haben sie etwa ein Verständnis vom  Zusammenhang zwischen  Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung? Sehr sachlich wird Sielmann in einem biographischen Aufsatz der Tierfilmerhistoriker Jan Clemens und Arnulf Köhncke behandelt: „Auf Kreta im Sturm und im Regen“. Darin wird u.a. der erste „Tiertonfilm“ von Sielmann erwähnt, den  er an der Ostsee drehte: „Vögel über Haff und Wiesen“. Er wurde 1938 auf der Jahrestagung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in Königsberg uraufgeführt. Im Tagungsbericht hieß es: „Der Film ist das Erstlingswerk eines noch sehr jungen Autors, der in Arbeitsdienstuniform zu seinen Bildern vorträgt. Er erntete reichlichen Beifall.“ 1939 wurde Sielmann Funklehrer der Wehrmacht in Posen, wo man dann auch den Königsberger Professor Konrad Lorenz als Mediziner hinversetzte, ebenso Joseph Beuys, der dort Funk-Schüler von Sielmann wurde. 1943 durfte Sielmann dann auf Kreta die Dreharbeiten des dort plötzlich gestorbenen Tierfilmers Horst Siewert fortsetzen – bis die Engländer die Insel einnahmen. In Marcel Beyers Roman „Kaltenburg“, geht es um die Beziehungen zwischen Lorenz, Beuys, Dathe und Sielmann, die  real und filmisch auf der Vogelwarte Rossitten hinter Königsberg ihren Ausgang nahmen.

Dieses ornithologische Institut, das seit 1944 Rybatschi heißt,  wird noch heute – obwohl in Litauen gelegen – von russischen Wissenschaftlern verwaltet. Ein Großteil seiner Finanzen kommt von der „Heinz Sielmann Stiftung“, die das Vermögen des 2006 gestorbenen TV-Tierfilmers, der aus Königsberg stammt, in tierschützerische Taten umsetzt.  Dazu gehört ferner eine  „Darwin Forschungsstation“ auf den Galapagos-Inseln, mehrere Vogelschutz- und -pflegestationen in Deutschland und Italien sowie die Stiftungszentrale auf dem Gut Herbigshausen bei Duderstadt. In Berlin haben sich die Naturschützer im „Haus der Stiftungen“ am Check-Point-Charly eingemietet. 2005 hieß es dort auf einer Pressekonferenz, die Sielmann-Stiftung habe den 3.422 Hektar großen sowjetischen Militärübungsplatz „Döberitzer Heide“ bei  Staaken erworben, wo seitdem Wisente, Wildpferde, -ziegen und -schafe im unübersichtlichen Gelände grasen. Dann kamen noch 1.055 Hektar Seenlandschaft bei Groß Schauen – inklusive der dort lebenden seltenen Fischotter, Rohrdommel und Trauerseeschwalbe – dazu, sowie 2.742 Hektar Braunkohlefolgelandschaft um Wanninchen bei Luckau, ferner 900 Hektar ehemaliges Grenzgebiet im Eichsfeld und 13 Hektar Stauseelandschaft im Glockengraben bei Teistungen. Auf  diesen von den Kommunisten bis 1990 industriell bzw. militärisch genutzten „Ödflächen“ entstehen nun die vom Kapitalismus  versprochenen blühenden Landschaften. So wendet sich das einstige Paradies der Werktätigen zu einem „Naturparadies“, wie der N.D. diese „Projekte“  nennt. Endlich hat ein Tierfilmer auch mal mehr Nutzen für die Natur gebracht, als der Schaden, den seine Beobachtungen und Bilder ausmachen. Vor einer Woche nun gab die Stiftung bekannt,  dass sie auch noch das 12.000 Hektar große  Übungsgelände der Roten Armee in der Kyritz-Ruppiner Heide – „Bombodrom“ genannt, übernähme. Naturschützer und Anwohner hatten jahrelang gegen dessen militärische Nutzung protestiert. „Hier entsteht jetzt eine einzigartige Heide-Naturlandschaft“, erklärte dazu der Geschäftsführer der Stiftung Michael Spielmann vor Ort. „Ein mit Munition hochgradig verseuchtes Gelände soll für die Natur bewahrt werden,“ notierte sich der N.D – und erinnerte zum Einen daran, dass das Areal einst „streckenweise Tag und Nacht unter Dauerbeschuss lag, teilweise wurden heute geächtete Streubomben abgeschossen“ und zum Anderen, dass „nach dem Abzug der Russen  die Bundeswehr das Gelände übernehmen wollte, sie scheiterte aber am Widerstand der Bürger.“

 

 

Ende gut, alles gut also: Schon seien „seltene Vögel wie Wiedehopf, Steinschmätzer und Bachpieper gesichtet worden, ein Wolf tappt  von Zeit zu Zeit in die Fotofalle,“ erzählte der Projektleiter der Sielmann-Stiftung Lothar Lankow. Um das Gelände zu säubern, „muss pro Quadratmeter mit etwa einem Euro Kosten gerechnet werden. Bei vollständiger Räumung von Minen und Munition wären das bis zu 595 Millionen Euro.“ Es gehört nach wie vor der „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“. Um das Areal kümmern sich vier Revierleiter, fünf Waldarbeiter und ein Feuerwerker, deren Arbeitsplätze nun die Sielmann-Stiftung mit 320.000 Euro jährlich finanziert, zudem will sie einen Teil des Waldes „ökologisch umbauen“ und Wildtierarten dort ansiedeln.

Etwa zur gleichen Zeit, da dieses neueste „Projekt“ der Sielmann-Stiftung in Brandenburg verhandelt wurde, gab der französische Wissenssoziologe Bruno Latour in einer Rede vor der Berliner „Unseld-Stiftung“ zu bedenken: „Ökologie ist nicht die Wissenschaft von der Natur, sondern das Nachdenken darüber, wie man an erträglichen Orten zusammenleben kann. Ökologie wird nur dann gelingen, wenn sie nicht in einem Wiedereintritt in die Natur – diesem Sammelsurium eng definierter Begriffe – besteht, sondern wenn sie aus ihr herausgelangt.“ Wie – das müßte mal jemand filmen.

 

 

P.S.:  Bei der Europremiere des 45 Minuten langen Unterwasserfilms „Sharks 3D“ im Imax am Potsdamer Platz wurden die Zuschauerreihen mit verlosten Karten aufgefüllt. Der anschließende Applaus fiel dennoch mäßig aus: „Zu wenig action!“, bemängelten viele. Da ist der Kinobesitzer „Discovery Channel“ selbst schuld, denn sein Programm ist ansonsten voll mit blutrünstigen Haifilmen, in denen die Kameramänner ständig neue Haischutzvorrichtungen testen. „Sharks 3D“ wurde dagegen ohne Taucherkäfige gedreht; er will „das schlechte Image dieser Tiger der Meere korrigieren“, wie die Filmemacher Jean-Jacques Mantello und Jean-Michel Cousteau, Sohn des Unterwasserfilmers Jacques Cousteau,  vorab erklärten. Mit dem 3D-Verfahren präsentierten sie uns diese Fische nun erstmalig zum Greifen nahe: Ich musste ein paarmal sogar den Kopf einziehen, um einer Makrele auszuweichen. Die Haie wurden in ruhigen Einstellungen und von ihrer besten Seite gezeigt, denn die Regisseure gingen davon aus: „Es gehört zu unserer Natur, nur das zu schützen, was wir mögen.“ Der Mitproduzent aus der UN-Umweltschutzbehörde erklärte dazu: „They are not man-eaters. Sharks are there to do their job: cleaning up the ocean!“

Zu den Unterwasser-Filmpionieren zählte Hans Hass, der seine Ausrüstung noch speziell anfertigen lassen musste, heute kann sich jeder Taucher damit in einem Unterwasser-Shop eindecken. Das haben wir vor allem dem „Calypso“-Team von Jacques-Yves Cousteau zu verdanken. Sein Sohn Jean-Michel Cousteau präsentierte nun als Präsident der „Ocean Futures Society“ den Film „Sharks 3D“. In Berlin läuft parallel dazu eine Hai-Komödie über seinen Vater: „Die Tiefseetaucher“ von Wes Anderson, die man sich ebenfalls ansehen sollte. Inhaltlich geht es, wenn man so sagen kann, um das ständige Filmen und Gefilmtwerden, damit man weiter im Geschäft bleibt – und weiter mit der hier „Belafonte“ genannten „Calypso“ über die Meere schippern kann, wobei man auch schon mal die Konkurrenz piratisiert und selbst böse piratisiert wird; zu allem Überfluss meutern irgendwann auch noch die Praktikanten an Deck. Über und unter Wasser nichts als Haie, wobei sich egoistische Leidenschaften gegen alle ökologische Moral stemmen: Auf die Frage, welchem „wissenschaftlichen Zweck“ denn seine „Jagd auf den Jaguarhai“, der seinen besten Freund tötete, diene, antwortet Captain Ahab/Nemo/Bligh/Cousteau/Zissou (gespielt von Bill Murray): „Rache!“

Noch eindeutiger um die ökonomische Verwertung von Fischen kreist „Darwins Albtraum“ von Hubert Sauper und Nick Flynn. Darin geht es um den Nilbarsch im Victoriasee, dessen Filetstücke in die EU exportiert werden, während den Einheimischen nur Kopf und Schwanz bleiben. „Bevor der Barsch im Victoriasee ausgesetzt wurde, gab es hier viele Fischarten. Er fraß sie alle auf. Aber ökonomisch ist das gut“, so beurteilt ein Fischexporteur diese postkoloniale Öko-Katastrophe.

Wer danach noch näher an den Victoriabarsch ranwill, dem sei die Lebensmittelabteilung von KaDeWe und La Fayette sowie das „Nordsee“-Restaurant in Mitte empfohlen. Lebende Haie gibt es schräg gegenüber im „Sea Life Center“ des Aqua-Doms zu sehen, halb lebende in der Disco  „Shark-Club“ an der Friedrichstraße. Die kleinen Clownfische aus „Findet Nemo“ schwimmen im Seewasseraquarium der Kantine des Arbeitsgerichts am Lützowplatz sowie auch in mehreren Aquarien der beiden Zoos. Dort leben auch etliche Seeschildkröten. Die von innen leuchtenden Meerestiere aus dem Film „Die Tiefseetaucher“ kann man real, aber nicht legal in einigen Neuköllner Tierhandlungen erwerben: Es sind Zebrafischchen aus dem Labor der taiwanesischen Firma Taikong Corp., denen man das Gen einer Qualle, die fluoreszierendes Protein synthetisiert, auf das Genom pfropfte. Ihre Einfuhr in die EU-Länder ist noch verboten, weswegen es dieses erste transgene Haustier vorerst nur als Bückware gibt – ab 39 Euro. Man kann aber jetzt schon die These wagen: Der Aquariumsboom und die Unterwasserfilmnachfrage scheinen sich gegenseitig hochzuschaukeln.

Zurück zu den Haien und ihre filmische Erfassung (in einigen idiotischen US-TV-Tierfilmkanälen läuft nichts anderes) bzw. Erforschung:

2008 meldete Focus: “Acht Jahre lang hatte das Schwarzspitzenhai-Weibchen Tibdit kein Männchen mehr zu Gesicht bekommen. Bereits kurz nach ihrer Geburt wurde sie ins Aquarium im US-Bundesstaat Virginia gebracht. Dann starb Tibdit plötzlich. Als die Zoologen das tote Weibchen untersuchten, entdeckten sie zu ihrer Überraschung, dass der Fisch trächtig war.

Sie fanden aber keinerlei Erbgut eines potenziellen Vaters, schreiben sie im Fachmagazin “Journal of Fish Biology”. Der Erstautor Demian Chapman von der Universität in Stony Brook gehörte zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die im Mai vergangenen Jahres zum ersten Mal überhaupt bei einem Hai eine Jungferngeburt nachwiesen. ”

An der University of Belfast haben Forscher jetzt auch bei  Hammerhaien festgestellt, dass die Weibchen sich “zur Not” ohne Männchen fortpflanzen können. Dazu wird erklärt:

“Die eingeschlechtliche Vermehrung wird auch als Jungfernzeugung oder Parthenogenese bezeichnet. Bisher konnte sie nur bei manchen Vogelarten, Reptilien und Amphibien nachgewiesen werden. Nach den neuesten Erkenntnissen sind somit Säugetiere die einzige Wirbeltier-Gruppe, in der die Jungfernzeugung nicht festgestellt wurde.”

Das ist nicht ganz unwitzig, weil der Mensch wiederum das einzige Säugetier ist, für den ausgerechnet die Jungfernzeugung (namentlich die von Maria mit Hilfe ihrer Mutter Anna – im Jahre Null) so besonders wichtig ist. Der “Spiegel” erklärte zu der englischen Hammerhai-Entdeckung:

“Bei einer Parthenogenese wird der unbefruchteten Eizelle durch bestimmte Hormone eine Befruchtung vorgespielt, woraufhin diese sich zu teilen beginnt und zu einem Lebewesen heranwächst. Hierbei findet keine Durchmischung des genetischen Materials wie bei einer Befruchtung statt. Wissenschaftler befürchten daher, dass darunter die genetische Vielfalt leidet und sich genetische Defekte stärker ausbreiten könnten. Mit zweigeschlechtlicher Fortpflanzung kann die Jungfernzeugung also nicht mithalten.”

So weit so flott der Spiegel, danach hob auch das Science-Magazin des  ORF noch einmal die Wichtigkeit der “Durchmischung” bei dieser ganzen Angelegenheit hervor – nicht nur bei den Belfaster Hammerhaien, sondern auch bei Karlsruher Bambushaien:

“Die Parthenogenese hat vor allem den Nachteil, dass es keine genetische Durchmischung gibt, es ist eine extreme Form von Inzucht. Im Falle der Bambushaie könnte es allerdings eine geeignete Strategie sein, falls ein Weibchen an einem kleinen, isolierten Riff lebt. Durch die Jungfernzeugung könnten die Tiere eine Zeitlang überleben, bis dann doch einmal ein Männchen vorbeikommt und die normale Fortpflanzung stattfinden kann.

Da klingt noch die Konrad Lorenzsche Mißbilligung sexueller Abirrungen durch – beim österreichischen Staatssender. Das Magazin Focus befragte zum Bambushai  den Leiter des Karlsruher Vivariums – Professor Kirchhauser. Der betonte  jedoch ironischerweise, dass auch und gerade bei der Jungfernzeugung eine ordentliche “Durchmischung” (der Erbanlagen) stattfinde. Also was denn nun?!

Auch bei der Parthogenese des  Karlsruher Bambushais hatte man erst einmal alle intervenierenden (männlichen) Variablen ausgeschaltet: “Das Ergebnis ist eindeutig. Die DNS stimmt so stark überein, dass die Beteiligung eines Männchens ausgeschlossen werden kann.” Völlig identisch war das Genmaterial von Mutter und Kind aber nicht: “Bei der Jungfernzeugung entstehen keine Klone wie bei dem berühmten Schaf Dolly, sondern sogenannte Halbklone”, erläutert der Vivariumsleiter: “Zwar stammt das gesamte Genmaterial des Nachwuchses von der Mutter, aber es wird durchmischt.”

Und heraus kamen mehr oder weniger gesunde Baumbushaie. Bei näherer Untersuchung der Nachkommenschaft geschah jedoch Folgendes: “Eins der Tiere verblüfft die Wissenschaftler: ‘Es hatte männliche Begattungsorgane, sogenannte Klasper’, erzählt Kirchhauser. ‘Das gilt bei einem durch Jungfernzeugung entstandenen Tier als unmöglich – laut Lehrmeinung dürften dabei nur Weibchen zustande kommen.’

Das Tier mit den männlichen Begattungsorganen wurde bereits 2001 geboren. Es starb zwei Wochen nach dem Schlüpfen. ‘Wir haben es dann in Formol eingelegt, um das Tier möglichst gut zu erhalten. Unglücklicherweise zerstört Formol die DNS’, so Kirchhauser. ‘Wir werden es dennoch untersuchen lassen.’ Vielleicht finden die Forscher noch intaktes Erbgut, und vielleicht verblüffen Mariechen und ihr Nachwuchs die Wissenschaftler dann erneut.”

Bei Mariechen handelt es sich um den Namen der Bambushaimutter, die in Karlsruhe “seit acht Jahren regelmäßig Eier ablegt, 50 bis 80 im Jahr.”

Ein durch Parthogenese entstandenes Männchen – wir nähern uns der völligen wissenschaftlichen Durchdringung unseres Allerheiligsten… Und das so kurz nach Weihnachten.

Dem Science-Beitrag des ORF über den weißgesprenkelten Bambushai in Karlsruhe folgte später noch ein Leserbrief – von “Artemia”:

Die Gene im Polkörperchen sind nicht “fast ident” zu denen im Eizellkern, sondern im Gegenteil komplementär. Wenn sich die beiden getrennten Chromosomensätze wieder vereinigen, entsteht wieder genau das gleiche Genmuster. Parthenogenese ist daher keine “extreme Form der Inzucht”, wie sich das offenbar irgendein Redakteur vorstellt, sondern schlichtes Kopieren. Kein “Halb-Klon” – sowas gibt es nicht -, sondern ein ganz normaler Klon. Das können übrigens auch Menschen.

Auf diesen Kommentar folgte ein weiterer von “Mantispa”:

“ich habe noch ein ungutes gefühl bei der erklärung durch artemia. jemand, der sich wirklich gut auskennt, sollte hier noch sein placet geben. bei wikip. wird man auch nicht klug.”

Der “Stern” titelte am 12.Februar 2010 aber schon mal: “Sensation im Haifischbecken”.

 

 

 

P.P.S.: Noch kann man nicht entrüstet sagen: „Das ist doch Fernsehen“, so wie man früher sagte: „Das ist doch Theater“ – denn es gibt laut Baudrillard kein referentielles Universum mehr. Noch ist Glaubwürdigkeit also bloß ein Spezialeffekt. Aber es gibt eine Ausnahme: Das ist das Tierfernsehen, d.h. Tierfilme. Die Tiere leben in einem anderen Universum – ohne Repräsentanz und Souveränität (noch). Abgesehen von  „Knuth-TV“ erfreuen sich in Berlin vor allem die gefilmten Kraken großer Beliebtheit. Seltsam!

Den Anfang machten der Prager Philosoph Vilem Flusser und der französische Zoosystemiker Louis Bec mit ihrem Buch „Vampyrotheutis infernalis“ – ein maximal fußballgroßes Weichtier, das in 1000 bis 4000 Meter Tiefe lebt – also in ewiger Dunkelheit. Weswegen es neben seinen zwei Augen, die lidbewehrt und mit unseren nahezu identisch sind, auch noch zwei Leuchtorgane, ebenfalls mit Lidern, hat. Darüberhinaus zwei dünne, aber sehr lange Spiralfühler und zwei ohrenartige  Flossen. Der kleine achtarmige Tintenfisch hat zwar keine Tinte zum Verspritzen, dafür kann er sich jedoch bei Gefahr mit seinen Häuten zwischen den Fangarmen komplett ummanteln – und ist dann bloß noch eine stachelbewehrte rostrote Kugel mit hellen Flecken, die in der „abyssalen“ (abgründigen) „Sphäre“ im sogenannten Meeresschnee dahintreibt.

Vampyrotheutis infernalis und wir werden uns nie begegnen, denn er implodiert in unserem himmlischen Universum und wir werden in seinem höllischen erdrückt. Er bzw. seine Art ist 250 Millionen Jahre alt und wurde erstmalig 1903 mit einem Vertikalnetz während der deutschen Valdivia-Expedition gefangen – d.h. tot hochgeholt. Der Zeichner des Expeditionsleiters Karl Chun kommentierte damals den Fang: „Man meint, unser Herrgott hat alle Dummheiten, die er gemacht hat, in die Tiefsee verTintenfische live – im Fernsehen, im Naturkundemuseum und im Aquarium: bannt.“

Vilem Flusser starb  2000, vorher hielt er in Berlin noch einen Vortrag über diesen primitiven Cephalopoden. Dazu wurde ein TV-Film gezeigt über eine eine japanischen Biologin, die sich täglich tauchend einem in Flachwasser frei lebenden Kraken näherte, um ihn zu füttern. Dafür wurde sie jedesmal von ihm, der fast so groß war wie sie, mit seinen Tentakeln liebevoll umarmt. Nach dem Vortrag ging man noch in ein koreanisches Restaurant am Kurfürstendamm. Wegen der Berlinale saß u.a. eine hochgeschminkte Schauspielerin mit am Tisch, die die ganze Zeit kleine lebende Kraken in süßsaurer Sauce aß. Obwohl die Weichtiere sich dabei in Todesangst an ihre Zunge und Lippen klammerten, war anschließend die Schminke der Koreanerin nicht ein bißchen verschmiert. Die Drumherumsitzenden waren davon sehr beeindruckt.

Der Veranstaltung  folgte 2007 ein langer Abend mit einer italienischen Forscherin und einem TV-Filmausschnitt in der Universität der Künste, der den Kopffüßern gewidmet war, wobei auch das Buch „Der Krake“, gestreift wurde, das für den Autor Roger Caillois ein „Versuch über die Logik des Imaginativen“ war: Für Europäer sind die Riesenkraken furchterregend und gefährlich, für die Japaner dagegen trinkfreudig und sexbesessen. Vilem Flusser hat demgegenüber das Weltbild des kleinen Vampyrotheutis infernalis imaginiert. Beides braucht Wissen (genauer gesagt: Malakologie), aber man muß darüber hinausgehen. Für Louis Bec sind  sie, die biologischen Wissenschaften,  Versuche, eine „transversale Kommunikation zwischen den Arten“  herzustellen.

Ende 2007 kam dies durch den Kulturwissenschaftler Peter Berz noch einmal im Naturkundemuseum zur Sprache und zum Bild. Für Heidegger war  – im Gegensatz zu uns „weltbildenden Menschen“ – das Tier noch „weltarm“. Aber man kann sich gewissermaßen gedanklich zusammentun, um auch ein „Dasein“ des letzteren zu halluzinieren – auf der Basis von Cephalopoden-Wissen und ausgehend u.a. von der Topologie: Vampyrotheutis infernalis ist weich und sackartig, kann sich umstülpen und ist tendenziell spiralisiert (eine „libidinöse Höhle“), wir dagegen sind hart, haben ein Skelett, sind segmentiert und zweiseitig symmetrisch (ein Charakterpanzer?). Und während wir uns aktiv um unsere Nahrung bemühen müssen, treibt diese dem Kraken entgegen. Er muß bloß seine Tentakeln spreizen – wie ein  aufgespannter Regenschirm mit dem Schlund in der Mitte. Gibt es  schärfere Gegensätze als die zwischen ihm und uns?

Flusser konstruiert für den Kraken eine spiralförmige Existenzweise, ja einen ganzen Neospiralismus. Dieser ist dann aber gar nicht mehr weit vom menschlichen entfernt – wie ihn z.B. der Rote Baron mit seinen sich immer höher schraubenden Flügen ohne Sauerstoff unternahm, wobei seine Notizen zunehmend unlesbarer wurden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Richthofen-Syndrom“. Darüberhinaus haben beide – Mensch und Vampyrotheutis infernalis – noch dies gemeinsam: „Sie sind Sackgassen der Evolution“ laut Flusser. „Er hat zudem ein Wesen ausgewählt, bei dem es nicht ausgeschlossen ist, daß es über das verfügt, was unsere Philosophen die Fähigkeit zur Weltanschauung nennen, denn sein tierisches Volumen und jener Teil, der die neuronischen Verknüpfungen beinhaltet, ist groß genug,“ schreibt Abraham Moles in einer Rezension der „Philosophiefiktion von Vilem Flusser“.

Die letzte Veranstaltung über den kleinen Tiefseekraken fand am 24. September statt – ebenfalls im Naturkundemuseum. In dessen Tier-„Filmwelten-Reihe“ las Hans Zischler Passagen aus Flussers „Vampyrotheutis infernalis“  vor und der Kustos für Weichtiere präsentierte zusammen mit dem Kustos für Heuschrecken den japanischen TV-Film „Der Vampir aus der Tiefsee“, nachdem sie zuvor das letzte noch existierende in Alkohol eingelegte und inzwischen stark verschrumpelte,  kaum tennisballgroße Exemplar der Valdivia-Expedition herumgezeigt hatten. Der Film verdankt sich einem US-Meeresbiologen, der ein ferngelenktes U-Boot bauen ließ, das er mit Scheinwerfern, Kameras und einer Fangvorrichtung ausrüstete. Damit beobachtete er einen Vampyrotheutis infernalis in großer Tiefe vor der Küste Kaliforniens, einen zweiten fing er ein. Durch das Glas  einer speziellen Druckkammer sah man anschließend sein langsames Sterben, das zuletzt gnädig weggeblendet wurde.

Gleich am nächsten Tag ging ich in das Zoo-Aquarium, um mir in der dortigen „Welt im Glase“ einen noch halbwegs lebenden Kraken anzukucken. Aber entweder war auch er schon gestorben oder er hatte sich in einer Höhle verkrochen. Ich konnte ihn jedenfalls nirgendwo entdecken. Auch im „Sea Life Aquarium“ dann hatte ich kein Glück: Im Sommer 2007 sorgte dort noch eine Sonderausstellung „Oktopus – Tinte, Tarnung und Tentakel“ für Besucherrekorde, wobei „ein kluger Krake“ sich zu einem regelrechten „Star“ entwickelte: Er hatte nach einem mehrtägigen Training gelernt,  mit seinen Fangarmen den Schraubverschluß von Flaschen zu öffnen, in denen sich Nahrung für ihn befand. Nun war er aber nicht mehr da. Dafür lagen in der Nähe des „Sea Life Aquariums“ vor der dortigen „DDR-Ausstellung“ einige Exemplare der thüringischen Zeitung „Freies Wort“ herum – mit der Schlagzeile: „Der Krake Stasi streckt immer noch seine Tentakel aus“. Das ging mir jedoch zu sehr ins Imaginäre – Metaphorische gar. Außerdem war es ein alter Hut: Immer wieder hat man die Intelligenz- bzw. Geheimdienste mit Kraken in Verbindung gebracht. Umgekehrt hatten 1992  auch einmal zwei Neurobilogen, Graziano Fiorito und Pietro Scotto, die mit in der Bucht von Neapel gefangene Kraken Intelligenztests anstellten, für Schlagzeilen gesorgt, indem sie behaupteten, dass das Gehirn dieser Weichtiere ähnlich „hochdifferenziert wie das von Menschen (Geheimagenten, Octopussys?) sei. Obwohl ganz anders aufgebaut, besitze es ebenfalls die Fähigkeit des „Beobachtungslernens“. Der Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau hatte zuvor basierend auf eigenen Beobachtungen gemeint: „Wenn ein Taucher die Augen eines großen Kraken auf sich gerichtet sieht, empfindet er eine Art Respekt, so als begegne er einem sehr klugen, sehr alten Tier.“

Der Soziologe und Résistancekämpfer Roger Caillois schrieb in seinem bereits erwähnten Buch: „Der Krake scheint aufrecht zu gehen wie ein Mensch. Sein kapuzenförmiger Kopf und die riesigen Augen erinnern an die als sadistisch verschrienen, in Kutten gehüllten Folterer einer geheimnisumwitterten Inquisition. Der Krake, dieses Hirntier, um nicht zu sagen, dieser Intellektuelle, beobachtet immerzu, während er agiert. Diese Besonderheit, die offenbar sein innerstes Wesen zum Ausdruck bringt, läßt sich sogar bei Hokusais wollüstigen Kraken feststellen: Er beugt sich über den Körper der nackten Perlentaucherin, die er in Ekstase versetzt, und läßt sie nicht aus den Augen, als verschaffe es ihm zusätzlichen Genuß, ihre Lust zu beobachten.“

Ich ging nach Hause und beschloß, fortan keine Calamaris mehr zu essen. Mehr konnte ich für die Cephalopoden erst einmal nicht tun.

In der FAZ fand ich später noch einen Artikel von Julia Voss, in dem es um eine Kritik an der „scheußlichen“ Affen-Gehirnforschung der Universität Bremen“ geht. „Das ist der Unterschied zu früher,“ schreibt die Biologiehistorikerin, „der Konflikt ist nicht mehr der zwischen Herz und Verstand – es steht heute Forschung gegen Forschung“. Das spektakulärste Beispiel dafür lieferte ihr zuletzt ein Oktopus: „Wegen seiner dicken Nervenfasern ist er ein klassischer Modellorganismus der Neurobiologen; doch was man sich als vermeintlich einfachen Organismus ins Labor holte, entpuppte sich als intelligentes Lebewesen. Der Oktopus verblüffte die Wissenschaft mit der Fähigkeit, zu beobachten, wie Futter in Marmeladengläsern deponiert wurde. Er sah zu, griff das Glas, schraubte es auf und aß die Garnele“. Da stand also laut Julia Voss „Forschung gegen Forschung“.

Inzwischen schaffte sich das AquaDom einen neuen Oktopus an. Er scheint sich auch schon gut eingelebt zu haben. Mitte Oktober klaute er dem Aquariumspfleger die Taschenlampe. Dazu heißt es in einer Presseerklärung: “ So schnell konnte Martin Hansel, Chefaquarist im AquaDom und Sea Life Berlin gar nicht gucken, als sich plötzlich acht Arme gierig an seine Taschenlampe klammerten. Kein Ziehen und Zerren half, der kleine Krake stülpte sich gleich ganz über das für ihn sehr faszinierende Leuchtmittel und ließ es einfach nicht mehr los. „Unser Oktopus hat sich anscheinend von all den schönen Lichtinstallationen in unserer Stadt inspirieren lassen und gleich mal an seiner eigenen Beckendeko gearbietet“, schmunzelt Martin Hansel und fügt hinzu: „Für Oktopoden sind die gebündelten Lichtstrahlen einer Taschenlampe in keinster Weise gefährlich, deshalb gönnen wir ihm seine Eroberung gerne noch ein bisschen. Denn: Die außergewöhnlichen Tiere brauchen Beschäftigung, damit sie nicht verkümmern.“

So ähnlich sieht das auch der Direktor des Basler Zoos, in dem man neuerdings ebenfalls einen Kraken bestaunen kann, der mit seinen 8 Fangarmen Dosen und Gläser öffnet. Radio Regenbogen berichtete: „Zur Fütterungszeit kann der Oktopus beim Öffnen eines Joghurtglases mit fest sitzendem Plastikdeckel oder einer Konservendose mit Schraubverschluss beobachtet werden. Darin sind Muscheln, Garnelen oder Fische. Das Öffnen der Dosen dient laut einem Sprecher des Zoos  als Denksport und soll verhindern, dass sich der zu den intelligentesten Tieren zählende Meeresbewohner langweilt.“ Außerdem ist der kluge Krake eine willkommene Attraktion für den Basler Zoo,freut sich der Direktor.

Weniger erfreut war man dagegen über die Klugheit eines Kraken-Weibchens im Santa Monica Pier Aquarium in Kalifornien, wie apa meldete: „Der Oktopus hatte über Nacht  ein Ventil seines Beckens geöffnet und die Einrichtung mit hunderten Litern Salzwasser überschwemmt. Auch die Büros standen unter Wasser, als die Mitarbeiter morgens zur Arbeit erschienen. Als Täterin machten sie rasch ein Oktopus-Weibchen aus, das bereits als neugierig und gesellig galt. Tiere kamen bei der Überschwemmung nicht zu Schaden, wie Aquariums-Sprecher Randi Parent sagte. Allerdings hätten die Wassermassen möglicherweise den neuen Fußboden beschädigt.“

In einem taz-Artikel ging es dann wieder um Krakenforschung auf der  alten Subjekt-Objekt-Einwegschiene: „Das größte Auge, das Forscher bislang untersucht haben, gehört einem sogenannten Koloss-Kalmar aus der Tiefsee. Mit 27 Zentimetern Durchmesser ist es deutlich größer als ein Bundesliga-Fußball. „Es ist ein wirklich phänomenales Auge“, berichtete der neuseeländische Kalmar-Experte Steve O’Shea am Mittwoch in Wellington. Es handele sich um das „einzig intakte Auge“ eines Riesen-Kalmars, das je gefunden wurde. O’Sheas Team untersucht am Nationalmuseum Te Papa in Wellington derzeit den Koloss-Kalmar (Mesonychoteuthis hamiltoni), der Fischern im Februar 2007 in der Antarktis ins Netz gegangen war. Der 495 Kilogramm schwere und zehn Meter lange Kopffüßer ist einer der größten je gefangenen Kalmare. Die Fischer auf der Jagd nach Seehechten hatten das Tier zufällig gefangen. Als der riesige Tintenfisch an Bord gehievt wurde, soll das Tier noch gelebt haben. Dabei wurde jedoch das zweite Auge zerstört. Bisher war das Tier eingefroren, seit Montag wird es in einem Chemikalienbad vorsichtig konserviert. Der überaus seltene Fang zieht gleichermaßen die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher und Kamerateams auf sich.

Einige angloamerikanische  Verhaltensforscher haben am lebenden Objekt Neues entdeckt – wie Focus berichtete: „Männchen der australischen Riesensepia kommen auf raffinierte  Weise bei den Weibchen zum Erfolg. Wie britische und US-Biologen beobachteten, erschleichen sie sich Paarungen, indem sie sich als Weibchen tarnen. Gemeinhin weisen die Tintenfisch-Damen 70 Prozent aller Annäherungsversuche ab. Zudem haben sie meist einen festen Partner, der den Großteil ihrer Eier befruchtet und Rivalen verjagt. Einzelgängerische Männchen färben ihre Haut blitzschnell „weiblich“ und nehmen die Armhaltung Eier legender Weibchen an. Auf diese Art täuschen sie den Wächter, der die sich anschleichenden vermeintlichen Weibchen toleriert. In der Hälfte der Fälle kam es zum Geschlechtsverkehr, aber auch einige Männchen versuchten, sich mit ihren getarnten Geschlechtsgenossen zu paaren.

Weitere Neuigkeiten und Geschichten über Kraken finden sich auf der Webpage des „Octopus News Magazine“ – z.B. diese:

„Two South Wales families who discovered a stranded octopus on a South Wales beach almost certainly saved the creature’s life.  Gary Phillips, his wife and daughters were walking at Rest Bay, Porthcawl, with their friends when they came upon the octopus on dry sand.  It looked lifeless, but recovered after being put into a rock pool.  Experts say that the octopus would not have survived for more than two hours had it not been rescued.  Gary, a 30-year-old quantity surveyor was walking with his wife Rebecca, and twin sons, Neurin, and Iestyn, 18 months, and their friends Steve and Louise McCarthy and their twin daughters, Megan and Grace, four.  Gary said: „My wife found the octopus and called us over. At first we thought it was dead but we gave it a little prod and found that it was breathing and moving. We took it to shallow water and then put it in a rock pool. It gradually recovered and then swam off gracefully.  „It was the first time I had seen a live octopus outside an aquarium.  „It’s nice to know that we may have saved its life.  Gary did some research after finding the octopus and discovered that it was a Curled Octopus (Eledone Cirrhosa).  Octopus expert Andrew Grimmer, from the Blue Reef Aquarium, in Tynemouth, Tyneside, said: „Curled octopus are not uncommon here but they are usually found in lobster pots by fishermen.  It is unusual for them to be out of water and very unusual for them to be found on dry sand. It would have survived only a couple of hours.  Mr Grimmer said it is currently the breeding season for octopuses, and he suspected that the creature was female and was weak after laying her eggs.  It was possible that in its weakened state the octopus had been washed up onto the dry sand.“

Goethe meinte einmal: „Es gibt nichts Schöneres im Leben als morgens eine Lerche zu hören – und abends eine zu essen“. So ähnlich ist es auch mit den Kraken: Die einen sind stolz, einen gerettet zu haben, und die anderen, ihn geschmackvoll zubereitet zu können, woraus sie dann eventuell ein Rezept machen, das sie ins Internet stellen – z.B. so eins:

http://www.essen-und-trinken.de/tintenfisch/rezepte-leckeres-mit-tintenfisch-1006164.html

Diese verschiedenen Umgehensweisen mit Tintenfischen hat der Herausgeber eines Sammelbandes über den TV-Journalisten Horst Stern – „Unerledigte Einsichten“ – am Beispiel des Tierfilmemachers herausgearbeitet…

P.P.P.S:  Einige berühmt gewordene „Tierdarsteller“ haben es in Hollywood bereits zu eigenen Trainern, Psychologen, Entertainern, Diätberatern und Managern gebracht, wobei es daneben auch immer mehr Tierfarmen gibt, die sich auf die Ausbildung seltener oder als besonders intelligent geltender Tiere für Film und Fernsehen spezialisiert haben. Mit einiger Verzögerung gibt es so etwas inzwischen auch in Deutschland. Den Tiertrainern gesellten sich die Vermittlungsagenturen zu. Den Anfang machte die Borsig-Sekretärin Rosemarie Fieting, indem sie sich 1987 mit einer Künstleragentur für Look-Alikes und Tiere selbständig machte. Sie war die  erste mit einer Lizenz der Bundesanstalt für Arbeit. Daneben besaß Frau Fieting  mehrere Pudel: „Ohne Mann könnte ich leben, aber nicht ohne Tiere!“ meinte sie. Im Prinzip kann sie inzwischen jeden und alles besorgen: eine Giraffe, die jemandem im zweiten Stockwerk durchs Fenster mit einem Blumenstrauß zum Geburtstag gratuliert. Einen Elefanten, der die Leute mit Schaum rasiert: „Das haben sie einem Bürgermeister mal zum Jubiläum geschenkt.“Aber auch einen Mann, der aussieht „wie eine Dogge“. Manche Aufträge erfordern Erfindergeist: Einmal wurden zum Beispiel zwei Goldfische verlangt, die miteinander reden sollten. Frau Fieting nahm ihre eigenen und trennte sie mit einer Glasscheibe im Becken. Sofort schwammen sie von beiden Seiten gegen die Scheibe, wobei sie ihre Mäuler auf- und zumachten: „Es sah einer Unterhaltung täuschend ähnlich.“

Bei der steigenden Zahl ihrer Tieraufträge hat Frau Fieting erst einmal mit den „schwierigen“ Besitzern zu tun, die oft besondere Bedingungen stellen. Bei einer Katze, die für 200 Euro im Prenzlauer Berg in einem FU-Lehrfilm mitspielen sollte, waren das zum Beispiel „keine Scheinwerfer, keine Zugluft, keine Straßenszenen“. Alle paar Tage kommt inzwischen jemand mit seinem Tier zu ihr in die Agentur: eine alte Frau mit ihrem Wellensittich, der angeblich „perfekt spricht“, eine Punkerin mit einer weißen Ratte, die „überdurchschnittlich intelligent“ ist oder alleinstehende Männer, deren Hund oder Katze „besonders photogen“ ist bzw. „auch schwierigste Aufgaben bzw. Szenen meistert“. Nicht selten handelt es sich bei diesen Tierbesitzern um halbe Menschenfeinde, die dafür um so besser mit Tieren umgehen können, zu denen sie eine bisweilen an Sodomie, aber auch an Verhaltensforschung grenzende Beziehung entwickelt haben.

„Die Fieting“ hat es jedoch noch öfter mit Leuten zu tun, die so „medienbewußt“ sind, dass sie ihre Tiere bewußt für den Einsatz in Film und Fernsehen trainieren. Einige leben bereits von solchen Auftritten – drei seien genannt:

– Einmal das in Hoppegarten lebende Ehepaar Ralf und Manuela Grabo. In ihrer ausgebauten Scheune und mehreren Volieren im Garten halten sie vier Hühner, drei Greifvögel, einen Kolkraben und zwei Pferde. In zwei Terrarienim Haus leben fünf Riesenschlangen und in einem Aquarium etliche Fische. Ralf Grabo war früher Jockey und arbeitete dann im Tierpark (Abt. Raubtierhaus), Manuela Grabo hat, als gelernte Tischlerin, früher nie was mit Tieren zu tun gehabt. Sie fand jedoch Schlangen „schon immer schön, mein Liebling aber ist der Uhu“. Dieser sowie die anderen Greifvögel wurden zu DDR-Zeiten aus Nachzuchten erworben, teilweise über befreundete Falkner. Über den Heimtierpark Thale fanden die Grabos 1995 ihren Kolkraben „Kolja“, der schon seinen Namen sowie „Hollo“ sagt, außerdem kann er bellen und gackern. Ihre Nebelkrähe spielte in einem neudeutschen Film, der im Knast Rummelsburg gedreht wurde, mit sowie in einem phantastischen US-Film – auf einem See in der Sächsischen Schweiz, wo sie auf dem Rand eines im Wasser schwimmenden großen Schuhs entlangzugehen hatte: „Die tat das, als hätte sie nie etwas anderes gelernt.“ Auch die Zumutung, mit einem fremden Hund zusammen einen überfahrenen Hasen an der Landstraße zu verspeisen, absolvierte sie mit Bravour: „In die Kamera fliegen mußte sie dann auch noch, und dann hatte die Filmproduktion auch noch nicht mal Geld dafür.“

Die ledige Honorarfrage: „Das sind Aufwandsentschädigungen, die nicht einmal den Unterhalt der Tiere decken.“ Eines der Graboschen Hühner spielte – für ein Trinkgeld – in einem Kinderfilm mit: auf einem schwankenden Oderkahn. „Auch das hat gut geklappt, mit der Zeit werden wir ja sowieso alle, wie soll ich sagen: professioneller.“ Neulich brauchte RTL eine Schlange, die sich kurz um einen beleuchteten Globus windet: Grabos Boa schaffte es, ohne daß Styropor-Stückchen als Stützen auf die Kugel geklebt werden mußten. Bei einer anderen Dreharbeit traf Ralf Grabo auf den amerikanischen Vogeltrainer, der einst mit Hitchcocks „Vögeln“ (1 und 2) gearbeitet hatte – er bat ihn sofort um ein Autogramm: „So jemand ist für mich natürlich interessanter als irgendso ein Star.“ Mit Greifvögeln darf man laut des nun auch im Osten geltenden Bundestierschutzgesetzes nur beschränkt kommerziell auftreten. Grabos Bussard trat neulich in einem Stück von Johann Kresnik auf: Er saß auf dem ausgestreckten Arm einer schwangeren Schauspielerin. Obwohl der Bussard kaum Probleme mit dieser Rolle hatte, durfte er dann nicht mit auf ein Gastspiel der Volksbühne nach Belgrad: „Die Behörden wollten es nicht genehmigen. Serbien gehöre nicht zur EU und so weiter.“ Wegen solcher oder ähnlicher Restriktionen nehmen die Filmproduktionen meist gleich einen Falkner vor Ort in Anspruch oder hier einen Vogel der Adlerwarte im Teutoburger Wald. Und dann haben die Grabos auch noch zunehmend mit politisch korrekten Jungjournalisten zu kämpfen, die – wie tip-TV jüngst – immer wieder gerne Reportagen über falschverstandene Tierliebe beim Halten seltener Tiere in urgemütlichen 3-Zimmer-Wohnungen senden: „Solche Tiere gehören in den Urwald!“

Manuela Grabo meint: „Eigentlich haben wir einen ganz schweren Stand in dieser Gesellschaft, wir sind eine Randgruppe. Und wie die Behörden mit uns umgehen, das grenzt mitunter schon an Schikane.“ Mit einigen Schlangen veranstaltet sie regelmäßig „Patientenabende“ in Reha-Kliniken: „Das hat sich so aufgebaut“, wobei sie kein „Zirkusspektakel“ veranstaltet, sondern primär „Aufklärung“ leistet. Auch ihre Schlangen kommen nicht aus dem Urwald, sondern aus der DDR. Eine wirkte neulich in einer TV-Dokumentation über verbotenen Tierhandel mit, wo sie auf dem Schwanebecker Zollhof in einer Voliere eine beschlagnahmte Python zu mimen hatte, die sich auf einem Ast zusammenringelt und noch ganz benommen ist von der ganzen Schmuggeltour: Es klappte auf Anhieb.

– Die Berliner Volksbühne ist inzwischen bekannt dafür, dass sie in ihren Stücken oft und gerne Tiere einsetzt: Hunde, Pferde und ganze Ziegenherden (in Hauptmanns „Weber“ z.B.). Die meisten Tiere engagieren sie von (und mit) Bernd Wilhelm. Bis vor kurzem lebte er in einem Kleingewerbegebiet in Spandau. Der gelernte Tierpfleger arbeitete früher in den Tierversuchslabors der FU. Nach einer Infektion wurde er Frührentner. „Schon immer“ hatte er sich privat Tiere gehalten – die überdies gerne irgendwelche „Dummheiten“ machten. Mit den Jahren entstand daraus eine ebenso eigenwillige wie freundliche Dressurmethode, die sich heute auszahlt, insofern Herr Wilhelm mit seinen Tieren nicht nur von der Volksbühne, sondern auch von Film- und Fernsehproduktionen „gebucht“ wird: „Die Tiere arbeiten für ihren Lebensunterhalt.“ Daneben tritt er – mit seinen Eseln, Ponys und Ziegen etwa – auch bei Laubenpieperfesten auf und unternimmt Kutscherfahrten mit spastischen Kindern. Außerdem hält er für Problempferde eine „orthopädische Hufbehandlung“ parat. Alles im erlaubten „Rahmen des 300-Euro- Zugewinns“. Die meisten seiner Tiere landeten nach einer „Leidensgeschichte“ bei ihm, und sie müssen nicht auftreten, wenn sie nicht wollen. Die Perserkatze „Missy“ zum Beispiel „wurde schlecht behandelt“: Jetzt liegt sie die meiste Zeit hinterm Ofen in einem Pappkarton. Benno, der kurzbeinige schwarze Hund, gehörte einer Fixerin, die jetzt in einem Haus der Treberhilfe wohnt: „Aus ihm könnte noch mal was werden.“ „Fuchsy“ wurde angefahren am Straßenrand gefunden. Der Kapuzineraffe „Kingkong“ „arbeitet zwar nicht gerne, ist aber dafür nie böse“. Er mag am liebsten Limonade und Gummibärchen und liegt abends neben der für Kunststücke zu alt gewordenen Schäferhündin Sandra. Alle Tiere, auch die Waschbären, der Nasenbär, die Zwergschweine und die Hühner verstehen sich untereinander: „Das müssen sie auch, sonst geht das gar nicht.“ Herr Wilhelm lehnt Aufträge, bei denen sie „schwierige Sachen“ machen sollen, ab. Unlängst buchte die Volksbühne seinen Hengst, damit der auf der Bühne mit herabhängendem Gemächt und von den Schauspielerinnen bewundert, auf und ab gehe. Als das nicht klappte, schlug Wilhelm vor, ihm einen Plastikpenis umzubinden. Das fand Chefdramaturg Lilienthal jedoch allzu unrealistisch, statt dessen wollte er eine „leichte Narkose“ für das Tier vor (dabei hängt das Gemächt unwillkürlich herunter). Wilhelm fand diese Forderung unannehmbar. Auch der Tierschutzverein protestierte dagegen bei der Volksbühnenleitung. Weniger Probleme gab es mit seinem Esel Max, als der ein wochenlangen Engagement am Gorki-Theater hatte. Wilhelms Ziege tritt regelmäßig bei „Porgy und Bess“ auf, wenn das US-Musical in Berlin gastiert. „Die größte Schwierigkeit sind sowieso die Schauspieler, „die sich erst an die Tiere gewöhnen müssen“. Insbesondere galt das einmal – für einen ORB-Moderator – bei Wilhelms zwei Riesenschlangen. Sein Hahn spielte jüngst im Videoclip der Lassie Singers mit: Er mußte auf einer Haltestange in der U-Bahn sitzen. Dabei schiß er der Sängerin auf den Kopf. Einige Kinder, die in der Schrebergartensiedlung wohnen, helfen Bernd Wilhelm gelegentlich beim Füttern und Ausmisten – die Friseuse Manuela schon seit 12 Jahren. Zu Hause hat sie jetzt selbst drei Hunde, Katzen und Fische. Während ich Bernd Wilhelm interviewte, erlaubte „Kingkong“ mir, auf der Couch Platz zu nehmen. Als Manuela kam, bestand er jedoch darauf, daß ich ihren Stammplatz räumte. Bernd Wilhelm hat inzwischen einen Bauernhof außerhalb der Stadt gepachtet, wo seine Tiere mehr „Freiraum“ haben.

– Auf dem Land, bei Oranienburg, lebt auch die Hundetrainerin Sabine Berg, allerdings in einem kleinen Reihenhaus mit einem winzigen Garten. Sie hält derzeit neun Hunde. Trotzdem sieht dort innen wie außen alles blitzblank aus, überall stehen Topfpflanzen und Nippes und selbst auf den Plüschsesseln findet sich kein einziges Hundehaar. Sabine Berg kann sich inzwischen eine Putzfrau leisten, außerdem hat sie aber ihre Tiere auch so gut erzogen, dass sie sich vertragen und nichts kaputt oder schmutzig machen: „In so einer Wohngemeinschaft, wie wir sie hier haben, muß jeder Rücksicht auf den anderen nehmen und sich halbwegs anständig betragen!“ Sabine Bergs letzte Neuanschaffung war ein großer grauer Mischlingshund, den sie sich in einem polnischen Tierasyl beschaffte und erst einmal entwurmte und aufpäppelte. Gleich bei seiner ersten kleinen Rolle erwies er sich als ein „wahres Naturtalent“: Er mußte in einem TV-Krimi neben einem Mann über einen Acker gehen, dieser wurde dann erschossen und der Hund mußte die ganze Zeit traurig neben der Leiche ausharren, die er ab und zu beschnüffelte und anstupste, so als könne er es nicht fassen. „Das hat der so gut gemacht, das ich glaube, aus dem wird noch mal was.“

 

 

P.P.P.P.S.: Mehr und mehr müssen auch die noch wilden Tiere in Filmen regelrecht mitspielen. Wenn z.B. Fernsehteams von ihren Sendern im Winter in den Wald geschickt werden – um in einem bayrischen, polnischen oder kanadischen Wald zu filmen, wie es gerade den Bären, Hirschen, Wölfen, Dachsen etc. dort so geht, dann fällt ihnen dabei unweigerlich das Wort „Überlebenskampf“ ein, manchmal noch mit dem Zusat „hart“ bzw „erbarmungslos“. Es ist kalt, die Füße sind vom hohen Schnee naß geworden, das Essen ist ungenießbar, das Equipment spinnt, der Kameramann kann vor lauter klammen Fingern nicht mehr richtig drehen, der Kameraassistent steht mit seinen Eisfüßen mehr im Weg als das er hilft und dann sind die ganzen Viecher, auf die sie es abgesehen haben, auch noch so verdammt schwierig zu erwischen. Entweder halten sie sich an unmöglichen Orten auf oder das Licht stimmt nicht…Aber die Redaktionen daheim – im Warmen – drängen unbarmherzig. Das Budget ist bereits „robust überzogen“ (O-Ton Buchhaltung) und dann muß zu allem Überfluß auch noch ein Teil des Tons wiederholt werden…Alles in allem steckt das Filmteam genau in dem „harten Überlebenskampf“, den es in der unbarmherzigen Natur vor sich filmt. Subjekt und Objekt sind nahezu identisch geworden.

Auch wenn die TV-Teams bei ihrer Arbeit auf einen ganzen Tross von (lokalen) Helfern zurückgreifen können – angefangen von der Cateringfirma bis zur Autovermietung und den Wildhütern der Nationalparkverwaltung als Guides sowie den besten für sie reservierten Hotelzimmern in der Nähe ihrer Drehorte. Dafür sind die Objekte der Begierde ihrer Redaktionen – die Tieres des Waldes – Kummer gewohnt, d.h. sie sind überaus erfahren im harten Überlebenskampf – sie verhalten sich dort schon fast instinktmäßig richtig – also „optimal“. Obwohl man off the record natürlich zugeben muß, dass die Tiere im Nationalpark schon lange ganzjährig geschont sind, d.h. nicht gejagt werden dürfen und dazu noch im Winter zugefüttert bekommen, so dass sie immer mehr ihre Scheu verloren haben.  Die Füchse kann man schon fast streicheln und die Wildschweine sind so dreist, dass man sich inzwischen umgekehrt – vor ihnen – in acht nehmen muß. Aber auch das gehört ja streng genommen noch zur Unbarmherzigkeit der Natur! Für die Fernsehteams – als Frontschweine ihrer Medienkonzerne – bedeutet das eine zusätzliche Tortur, denn ihre Dreharbeiten laufen dabei immer mehr auf eine Fakeproduktion hinaus – insofern z.B. die Hirsche teilweise über eine Waldlichtung regelrecht gescheucht werden mußten, um kurz vor Sonnenuntergang noch schnell ein paar Bilder von einem flüchtenden Rudel zu bekommen.  Diese werden dann später mit drei über verschneite Äcker laufende Wölfe gegengeschnitten. Die Wölfe hatte die Firma „Action Animals“ angeliefert, für 600 Dollar – pro Stück und Tag. Es handelte sich dabei um besonders filmerfahrene Tiere, die eine regelrechte Ausbildung in der Schweiz genossen hatten. Aber dazu kam dann noch ihre Anlieferung per Flugzeug sowie die Spesen ihrer drei Trainer, ihrer zwei Pfleger und ihres Masseurs. Letzterer war nebenbei und vor Ort auch immer noch für die PR der Firma „Action Animals“ von Gerry Therrien in Vancouver zuständig, weswegen laufend irgendwelche Radio- und Lokalzeitungs-Fritzen an den Drehorten aufkreuzten, wo die drei Wölfe vor der Kamera liefen oder schliefen. Kurzum: Trotz oder gerade wegen der ganzen unbarmherzigen Natur wurde der Dreh zusehends unnatürlicher – und für Außenstehende absurder.  Besonders die Wildhüter der Nationalparkverwaltung schienen das ganze mehr und mehr für ein Schwindelunternehmen à la „Borat“ zu halten. Sie standen aber auch als eine Art Doppelagenten den Fernsehleuten gegenüber: Einerseits wurden sie dafür bezahlt, dass sie das Filmteam und die Wolfscrew mit deren Wölfen zu den gewünschten  Drehorten führten – und sogar die eine oder andere Tierart aufstöberten bzw. vor die Kamera trieben. Andererseits waren sie aber auch deren Kontrolleure im Auftrag der Parkverwaltung, d.h. sie hatten darauf zu achten, dass das Filmteam nicht einem der 96 Parkverordnungen zuwiderhandelte, dass die Tiere des Waldes nicht „unnötig beunruhigt wurden“, usw. gleichzeitig waren sie aber auch dafür verantwortlich, dass es dem Filmteam an nichts mangelte und sie den besten Eindruck vom Nationalpark mit nach Hause nahmen. U.a. stellten sie immer wieder ihre leistungsstarken Funkgeräte zur Verfügung, die auch noch da funktionierten, wo die Handys der Filmer wieder mal in ein Funkloch geraten waren – z.B. als es galt, den angemieteten Hubschrauber für die Aufnahmen von oben zum Standort zu lotsen.  Am Ende kam dabei ein 22minütiger Film über „Die Tiere des Waldes im Winter“ heraus, der dann lieblos zwischen Weihnachten und Neujahr von einigen Dritten Programmen ausgestrahlt wurde. Die Wildhüter, denen der Sender als Dank eine Kopie geschickt hatte, fassten sich an den Kopf, als sie den Film sahen – ob dieser grotesken Diskrepanz zwischen Aufwand und Wirkung.

P.P.P.P.P.S.: Ein interessantes Filmtier-Problem tut sich gerade in Namibia auf. Dort halten eine Reihe von Leute sich neuerdings Wolfshunde. Weil es sich dabei um Kreuzungen zwischen Hunden und Wölfen handeln soll, wird das als nicht ganz ungefährlich angesehen. Nun gibt es aber in Namibia gar keine wild lebenden Wölfe und deswegen gingen einige Forscher dort der Frage nach: Wo dann die Wolfshunde herkommen? Ihre vorläufige Antwort lautet, dass mehrere ausländische Filmteams Außenaufnahmen in Namibia drehten, wobei sie einige mitgebrachte Wölfe frei ließen, um sie zu filmen. Diese Tiere seien nach Drehschluß im Land geblieben und hätten sich dort mit verwilderten Hunden gepaart. Eine kühne Abstammungsthese.

 

Das Schweinesystem

„Präsident sollte nur jemand werden, der auch Schweine versteht!“ (Harry S. Truman)

Der westdeutsche Ökologe und Tierfilmer Horst Stern erinnerte sich in einem Interview 1997:  „Ich hatte in einem meiner Filme mal gesagt: So sind sie, die Ethologen. Die Südsee ist ihnen nicht tief genug, kein Urwald ist ihnen dicht genug und gefährlich genug. Aber in einen Saustall, da bringt sie niemand hinein.“ Trotz einer Schwemme von „Tierstudien“ und „Human-Animal-Studies“ gilt dies auch heute noch – für Schweine. Immerhin ersetzen gelegentlich engagierte  Tierschützer die verbeamteten  Tierforscher – in den Schweineställen, indem sie nächtens dort einbrechen und die traurigen Lebensbedingungen für die Tiere dokumentieren. Hier und da wird auch schon mal gegen eine im Bau befindliche Riesenmastanlage demonstriert oder diese sogar in Brand gesteckt.

In unserer mit 8.000 Schweinen noch relativ kleinen Anlage der LPG „Florian Geyer“, Saarmund, wo ich zuletzt arbeitete,  war es laut, heiß und stank, regelmäßig  mußte der Tierarzt irgendeinem Tier Antibiotika spritzen und ebenso regelmäßig rückte der Desinfektor an, jeden Morgen musste man ein oder zwei tote Tiere rauskarren und eigentlich waren alle froh, als eine winzige Dorfinitiative, angeführt von der Gemeindeschwester, eine Demonstration mit etwa 20 Leuten vor dem Tor organisierte – woraufhin die Kreisverwaltung in Potsdam die sofortige Schließung der Schweinemast anordnete: und 15 Leute ihren Arbeitsplatz verloren. Damals, im Februar  1990 konnte sich noch niemand vorstellen, dass sie vielleicht nie wieder eine neue Anstellung finden würden.

2006 fand im Schloß Neuhardenberg eine Ausstellung über Schweine statt, in der es u.a. auch um eine ebenfalls nach der Wende abgewickelte Mastanlage ging, in der 800 Beschäftigte 146.000 Tiere jährlich „fett machten“. Dort – im uckermärkischen Haßleben -plante seit 2004 ein holländischer Investor eine neue  Anlage –  für 67.000 Schweine. Er, Harry van Gennip, betrieb bereits seit 1994 eine für  65.000 Schweine ausgelegte Anlage im altmärkischen Sandbeiendorf. Einer seiner Berater,Helmut Rehhahn, war früher SPD-Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und noch früher Leiter einer Bullenprüfstation in der DDR. „10 000 Mastschweine. Alles andere ist Spielerei,“ erklärte er 2007 dem Spiegel.  „‚Haßleben wird noch moderner. Haßleben,‘ sagt er, ‚das kommt. Das kriegen wir hin‘.“ Um den Bau dieser Fleischfabrik – für inzwischen  „nur“ noch 37.000 Schweine – wird jedoch noch immer vor Ort gestritten. Auf der einen Seite der Investor mit einer  „Pro-Schwein-Haßleben“-Bürgerinitiative, auf der anderen Seite eine „Kontra-Industrieschwein-Haßleben“-Bürgerinitiative und der Deutsche Tierschutzbund. Die Bild-Zeitung spricht von einem „Schweinekrieg“.

Der findet nicht nur in Haßleben statt, denn in Ostdeutschland errichteten und errichten viele Investoren riesige Schweinemastanlagen. Einer verriet dem „Freitag“ freimütig, warum: „Zu Hause in Holland wirst du als Schweinezüchter ständig wie ein Krimineller behandelt. Das ist in Ostdeutschland anders. Hier kannst du noch Unternehmer sein. Umweltkosten spielen keine Rolle.“

Diese  Großprojekte für Tierzucht-, -Mast und -Schlachtung stoßen jedoch auf immer mehr Widerstand. Auch im Altmark-Dorf Cobbel gibt es eine Bürgerinitiative gegen eine dort von Harry van Gennip geplante Schweinemastanlage (auf einem ehemaligen sowjetischen Flugplatz). Er „hat vor, hier etwa 97.000 Ferkel zu züchten,“ erfuhr der Freitag-Reporter bei der Bürgermeisterin von Cobbel, „also werden wir dann täglich Dutzende von Transportern mit Tierfutter, Ferkeln und Schweinen durch unser Dorf fahren sehen. Wer bezahlt den Schaden? Eine solche Mast belastet die Umwelt, das heißt, in einem wertvollen Naturschutzgebiet wird Wald mit Ammoniak verseucht, der Grundwasserspiegel sinken und der Boden sauer.“

Ähnlich argumentieren auch die Tierschützer in Haßleben. In einer Stellungnahme des für die Genehmigung der dortigen Schweinemastanlage zuständige Ministeriums in Potsdam hieß es zuletzt – am 18.4.2012: „Der Investor will dem Antrag zufolge die Anzahl der Schweinemastplätze von 35.200 auf 4.400 reduzieren. Ursprünglich handelte es sich um 67.000 Tierstellplätze. Das für das Genehmigungsverfahren zuständige Landesamt muss nunmehr die geänderten Antragsunterlagen erneut prüfen. Dabei wird es insbesondere um die Auswirkungen auf Natur und Umwelt gehen.“

Im Mai 2012 hatte das Bundeskabinet eine Novellierung des Tierschutzgesetzes beschlossen, das nun neben dem Wildtier-Verbot für Zirkusunternehmen, weil diese sie nicht „artgerecht“ halten können, auch einige Restriktionen bei der Massentierhaltung beinhaltet: z.B. den „Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration zum 1. Januar 2017“, wie „agrarheute“ schreibt. Außerdem muß der Tierhalter seine Schweine fürderhin „angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“ , dazu gehört eine „Förderung des Erkundungsverhaltens der Schweine, die jederzeit Zugang zu veränderbarem Beschäftigungsmaterial haben müssen, das von ihnen untersucht und bewegt werden kann,“ wie das niedersächsische Amt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die neue Verpflichtung für die Züchter und Mäster erklärt, ihre Schweine nicht nur „verhaltensgerecht“ aufzuziehen, sondern auch noch für ihre „Unterhaltung“ zu sorgen. Nicht nur emsländische  Schweinebauern klagen, dass es noch kein brauchbares „Spielzeug für Schweine“ auf dem Markt gibt. Einige behelfen sich einstweilen mit Holzscheite, die sie an Ketten in die Ställe hängen – als eine Art Kauknochen.

Der Kurator der Ausstellung „Arme Schweine“, Thomas Macho, Kulturwissenschaftler an der Humboldt-Universität, siedelte die Problemlage erst einmal im Grundsätzlichen an: „Jene Tiere, die seit Jahrtausenden mit den Menschen lebten und arbeiteten – nämlich die Haustiere – wurden aus allen konkreten Lebens- und Arbeitskontexten der Moderne verdrängt. Die Rinder wurden durch Traktoren ersetzt, durch Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Maschinen, die Ziegen und Schafe durch die Produktion synthetischer Bekleidung. Die Kavallerie wurde gegen Panzerdivisionen ausgetauscht; und zunehmend wurden die ehemals militärisch idealisierten Pferde zu Zugtieren degradiert, die allenfalls jene Gulaschkanonen schleppen durften, in denen sie bei Bedarf gekocht und an die Soldaten verfüttert werden konnten. Die Kutschen wichen den Eisenbahnen und Automobilen, die Lasttiere den Kränen und Baggern, die Brieftauben den Computern und Telefonen. Wollten wir die Grundtendenz des Modernisierungsprozesses in gebotener Knappheit erfassen, so müßten wir sie als progressive Eliminierung der Haustiere durch Maschinen beschreiben. Diese gesellschaftliche Verdrängung der Haustiere reduzierte die Tiere schlagartig auf eine einzige Funktion, die noch kein Wild- oder Haustier jemals zuvor in vergleichbarer Größenordnung erfüllen mußte: auf die Funktion des Massenschlachtviehs.“

Die Schweine, die zu den am frühesten domestizierten Tieren zählen, waren schon immer Schlachtvieh. Sie lebten jedoch länger und es wurde alles – einschließlich der Innereien – verwendet. Heute sind Schweine in einem Alter von etwa einem halben Jahr und einem Gewicht von rund 110 Kilo schlachtreif. Und es wird sowohl in der Schweine- als auch in der Tierfutter-Forschung ununterbrochen versucht, die Fleischproduktion noch effektiver zu machen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2008 genau 26.380.900 Schweine in Deutschland gehalten, die meisten davon, etwas über 8 Millionen, in Niedersachsen. 66.400 Betriebe züchteten Schweine. Derzeit gibt es wieder mal eine preisdrückende Überproduktion, die bisher jedoch stets eine vorübergehende war: „Schweinezyklus“ genannt.

An der Mosel bat ich einmal einen Bauern, mir seine neue Mastanlage zu zeigen, er willigte nach langem Zögern ein, öffnete die Tür, machte das Licht an, 4000 Tiere sprange nach und nach auf und schrien, wir gingen den Gang entlang und traten am Ende durch eine andere Tür wieder ins Freie. Nachdem der Bauer das Licht ausgemacht hatte, beruhigten sich die Tiere langsam wieder. „So, sagte er, das kurze Vergnügen hat mich jetzt rund 120 DM gekostet – diese Verzögerung ihrer Gewichtszunahme, dadurch dass wir die Schweine aufgestört haben.“

In der Schweiz, wo man vor einigen Jahren das weitestgehende Tierschutzgesetz verabschiedete und gerade eine Kommission an einem analogen – d.h. auf individuelles Leben zielendes – Pflanzenschutzgesetz arbeitet, macht sich u.a. der „Zürcher Tierschutz“ dafür stark, deutsches Schweinefleisch zu boykottieren: „Die Schweiz importiert jährlich 10 Millionen kg Schweinefleisch aus Deutschland und Italien. Dort werden Mastschweine und Muttersauen eingepfercht gehalten und Ferkel ohne Betäubung kastriert, was äusserst schmerzhaft ist. All dies ist zu Recht in der Schweiz verboten. Die Tatsache, dass Grossverteiler, Gastromärkte, Caterer und Fleischverarbeiter nach wie vor Schweinefleisch aus tierquälerischer Haltung importieren und verkaufen, widerspiegelt unserer Ansicht nach einen bedenklich tiefen ethischen Standard.“

Diesen haben die deutschen Tierschützer unterdes auch in den Schlachthöfen ausgemacht. 2011 wurden in 5100 zugelassenen Betrieben fast 60 Millionen Schweine geschlachtet. 750 Schweine pro Stunde und Betrieb: In Schlachthöfen wird im Sekundentakt gearbeitet. „Darunter leidet der Tierschutz“, wie das Handelsblatt am  21.6.2012 schrieb: „Die Tiere werden automatisch betäubt, zum fachgerechten Töten per ‚Entblutestich‘ sind dann etwa fünf Sekunden Zeit. 12,5 Prozent der Tiere seien jedoch nicht richtig betäubt. Die Grünen fordern härtere Regeln, die Branche wehrt sich.“

Die letzten Aporien des Schweinesystems  kommen  von österreichischen und taiwanesischen Wissenschaftlern: 1. In Ötztal hat ein zweiwöchiger Tierversuch begonnen, bei dem 29 Schweine lebendig unter einer Lawine begraben werden. Diese Lawine wird simuliert, um durch die toten Schweine mehr Aufschlüsse über die Todesumstände von Lawinenopfern gewinnen zu können. 2. Taiwanesische Forscher haben drei fluoreszierende Schweine gezüchtet, die im Dunkeln grün leuchten. Dafür sei in den Zellkern eines Schweineembryos ein fluoreszierendes Protein injiziert worden, das aus Quallen gewonnen worden sei, erklärte Wu Shinn Chih von der Nationalen Universität Taiwans. Damit sei ein „wichtiger Fortschritt“ bei der Stammzellforschung gelungen, weil Schweine Tiere seien, die dem Menschen besonders nahe sind.

 

 

Hundeleben

„Nein, ich hasse den Hund gar nicht. Wohl aber eine bestimmte Gattung Mensch, die ihn behandelt wie ein Brigadekommandeur die unterstellte Formation, und die mit ihm herumwirtschaftet, weil auch er aus Deutschland ist,“ schrieb Kurt Tucholsky einst. Inzwischen melden Hundehalter ihre Golden Retriever oder Border Collies bei der „Welpenschule“ an, und gehen zum „Agility Training“ oder zum „Dog Dancing“ mit ihnen. „Die Erziehung hat sich geändert,“ bemerkt dazu die Hundeforscherin Friederike Range, die im „Clever Dog Lab“ der Wiener Universität arbeitet, wo die Hundehalter nun laut Spiegel „in Scharen herbeiströmen“. Auch die Wissenschaftler  haben sich geändert: Erforschten sie früher vorwiegend Affen, Tauben, Gänse, Wölfe, wobei sie die Hunde als „verdummte Ex-Wölfe“ weitgehend ignorierten, so avancieren diese inzwischen laut Spiegel zu „Stars der Verhaltensforschung“. Sie lassen sich leicht und billig beobachten, viel mit sich anstellen, können bei ihren Besitzern bleiben, und diese spielen nur allzu gerne mit, weil auch sie mehr über ihre „Companion Species“ wissen wollen. Die Umsichtigkeit vor allem der Frauen, die sich einen Hund zulegten – und ihn gleich in die Welpenschule schleppten, grenzt an die der sogenannten Prenzlauer-Berg-Mütter in bezug auf ihre Kinder. Bei beiden kann man jedenfalls von einem „Projekt“ sprechen. Die Medienforscher Benjamin Bühler und Stefan Rieger bezeichnen den Hund in ihrem „Bestiarium des Wissens“ als eines der „Übertiere“, denen wir das „Wissen vom Leben“ abpressen. Darüberhinaus „erzeugen und stabilisieren Mensch und Hund gleich Herr und Knecht ihre Identität in gegenseitiger Anerkennung.“ Und diese Dialektik ist dynamisch. 1966, noch vor dem Sieg der Vietnamesen im Krieg gegen die Amerikaner, berichtete der deutsche Psychiater Erich Wulff aus Hué: „Ein Gefühl wie Tierliebe war den meisten Vietnamesen fremd. In ihrem Seelenhaushalt gab es keinen offenen Posten dafür…Das Heer der Ammen, Boys und Boyessen okkupierte bei der mandarinalen Oberschicht die Haustierstelle.“

Hierzulande gibt es dagegen schon lange und fast durchgehend statt uns bepflegende Haushaltsangestellte immer pflegebedürftigere Hunde (wahlweise auch Katzen).

Das mit Schimpansen arbeitende  Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung in Leipzig konnte in  seinen Kognitionsexperimenten nachweisen, „dass Hunde die vermeintlich so klugen Menschenaffen um Längen schlagen, wenn es darum geht, Gesten von Menschen zu deuten,“ und Worte in Beziehung zu den Dingen zu begreifen. Auch den Wölfen gehen derartige „kommunikative Fähigkeiten“ ab. In evolutionärer Hinsicht hat sich diese Fähigkeit der Hunde als die „fittere“ erwiesen:  Es gibt heute über 40 Millionen auf der Welt, aber nur noch etwa 40.000 Wölfe, wie der US-Philosoph und Wolfsbesitzer Mark Rowlands darwinistisch vorrechnete.

Aber hat sich die Unterwerfung unter den Menschen – ihre „komplette Verblödung“, wie der Biologe Cord Riechelmann das nennt – auch für den einzelnen Hund gelohnt? Eigentlich schon: 2002 betrug die weltweit für Haustierfutter und -versorgung ausgegebene Summe bereits 46 Milliarden Dollar, Tendenz steigend, vor allem im Marktsegment ‚Premiumfutter‘  Darüberhinaus wird die Medizintechnik für Hunde immer aufwendiger, bis hin zu psychologischen Therapieeinrichtungen und Krankenversicherungen, die für Haustiere zur Normalität werden, wie die US-Biologiund Hundebesitzerin Donna Haraway in ihrem Aufsatz „Hunde mit Mehrwert und lebendiges Kapital“ schreibt. Zum „Premiumfutter“ gehört heute z.B. ein Großteil der in der Mongolei gezüchteten Pferde, die als Dosenfutter für Hunde in Japan enden. Die Hunde wollen von einer solchen dumpfmaterialistischen Erklärung ihrer Unterwerfung natürlich nichts wissen. In den „Forschungen eines Hundes“ hat Franz Kafka 1922 den Ursprung der Nahrung aus der Sicht eines Hundes erzählt, wobei alle Analysen voraussetzen, dass sie von oben – aus der Luft gewissermaßen – kommt. Obwohl die „Forschungen“ also nur angestellt wurden, um den Weg des Hundefutters vom Herrn (Herrchen) zum Knecht (Hund)  zu ermitteln, wird jener darin ausgeklammert. Die Analogie zur Religiosität (Alles liegt in Gottes Hand) der einstigen Hausangestellten ist offensichtlich: Auch unsere Haushunde sind gläubig, das legen jedenfalls Kafkas Forschungen nahe. Ebenso scheitern sie auch regelmäßig, „sobald ein wenig Logik ins Spiel kommt,“ wie die Hundepsychologin Britta Osthaus von der Universität Exeter uns versichert: „noch!“

 

 

P.S.: Der Biologe Jakob von Uexküll hat auf der Basis seiner „Umwelt“-Forschung (der Begriff stammt von ihm) eine andere Form der Hundeerziehung „erfunden“ – mitten im Nationalsozialismus (Goebbels schimpfte deswegen über seine „Köterei“). Sie gilt insbesondere für Führhunde (von Blinden – die damit quasi das Gegenteil von Hundeführern sind). Er veröffentlichte seine Vorschläge in der Zeitschrift für Hundeforschung. Auf Basis dieser seiner Arbeiten gibt es heute die Führhundeschulen der Jakob von Uexküll-Gesellschaft für Qualitätsausbildung von Blindenführhunden JUG e.V. : Sie „haben sich das Ziel gesetzt, blinden Menschen zu einer zuverlässigen, möglichst kurzfristigen und individuell angemessenen Versorgung mit einem Blindenführhund zu verhelfen. Zu diesem Zweck sollen alle Schritte der Führhundversorgung, die Zucht, Aufzucht, Auswahl, Ausbildung und Qualitätskontrolle von Blindenführhunden auf der Basis international anerkannter, humaner Methoden gefördert und qualitativ verbessert werden. Die JUG e.V. wurde im September 1994 in Konstanz gegründet. Der Verein ist gemeinnützig und Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. “

Neulich wandte ich mich an diesen Verein, weil ich wissen wollte, ob es auch in Berlin eine Dépendance gibt. Ich bekam zur Antwort:

„…in Berlin finden Sie zwei Führhundschulen: Maik Schubert www.fuehrhundschule.com und Stiftung Deutsche Schule für Blindenführhunde www.fuehrhundschule.de Inwieweit Sie dort Auskunft über Jakob von Uexküll’s Methode und deren Weiterentwicklung bekommen können, kann ich Ihnen nicht sagen.

Es gibt aber eine sehr ausführliche Zusammenfassung zum Thema in der Doktorarbeit von Silvana Calabrò (1999): ‚Der Blindenführhund, Aspekte einer besonderen Mensch-Tier-Beziehung in Geschichte und Gegenwart‘, Wissenschaft und Technik Verlag, Berlin.“

 

 

Der freie Wille

Heute, da einem selbst die freiwilligen Handlungen aufgezwungen werden, wie der polnische Dichter Stanlislaw J. Lec seufzte, ist nichts so umstritten wie der Freie Wille. Schuld sind vor allem die Genetiker und Neurobiologen, die uns bzw. unser Gehirn als derart fest „programmiert“ begreifen, dass sich niemand mehr persönlich schuldig machen kann  – und mithin jede Bestrafung (mit Gefängnis z.B.) unsinnig ist. Das hat jedoch den Tierforschern keine Ruhe gelassen, die schon lange nicht mehr von „instinktgesteuertem Verhalten“ (Konrad Lorenz) reden, sondern im Gegenteil sogar der winzigen Fruchtfliege (Drosophila), eine der meistbenutzten „Modellorganismen“ in den Bio-Laboratorien, nach langen Experimenten einen „freien Willen“ attestierten. So kam z.B. der Zoologe Björn Brembs zu dem Ergebnis: „Bei der Willensfreiheit geht es im Wesentlichen um die Fähigkeit, in der gleichen Situation unterschiedlich zu handeln – also auf bestimmte Reize mal so, mal anders zu reagieren, oder auch spontan zu handeln, wenn es gar keinen äußeren Anlass gibt. Und diese Variabilität des Verhaltens finden wir auch schon bei Fruchtfliegen.“

Fruchtfliegen sind eigentlich immer betrunken, weil sie sich von vergorenen Früchten ernähren. Dazu passend wählen die Weibchen sich ihre Paarungspartner aus einem Reigen tanzender Männchen aus. Schon ihre  Larven üben sich in Trunkenheit –  sie vertragen ebenfalls große Mengen Alkohol, während sie in  vergorenen Früchten heranwachsen. Ihre „Alkoholkrankheit“ wird sogar noch von der (darwinistischen) Selektion belohnt, wie US-Biologen herausfanden: Sie beobachteten, dass   Schlupfwespen ihre Eier in die Larven legen, die diese dann als junge Wespen von innen her auffressen. Die Forscher überließen daraufhin mit Eiern infizierten und gesunden Larven die freie Wahl  zwischen Futter mit oder ohne Alkohol. Befallene Larven bevorzugten zu 80 Prozent Nahrung mit Alkohol, gesunde Larven nur zu 30 Prozent. „Die infizierten Fruchtfliegen scheinen absichtlich Alkohol zu konsumieren,“ heißt es nun. Und sie überlebten damit auch, denn der Alkohol tötete die jungen Wespen in ihrem Leib, noch bevor sie diesem Schaden zufügten. Von den infizierten 20% der Larven, die Alkohol mieden, starben alle.

Zurück zum Freien Willen: Der holländische Primatenforscher Frans de Waal siedelt den Menschen kulturell ungefähr zwischen den Schimpansen und den Bonobos (Zwergschimpansen) an. Erstere lösen Konflikte patriachalisch notfalls mit Gewalt, letztere fast immer matriachalisch sexuell. Dennoch haben auch erstere  einen „freien Willen“, um ihre „Feindseligkeiten“ friedlich zu lösen. Und wie bei den  Menschen ist bei beiden auch „das Küssen eine Form von Friedenstiften“.

Der Tierliebhaber Konrad Lorenz hielt einzig den Menschen – in seinem Buch „Das sogenannte Böse“ – für grundsätzlich  aggressiv, also für willenlos böse. US-Affenforscher haben jedoch inzwischen  herausgefunden, dass wir im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren  sogar noch „relativ friedfertig“ sind: Man müßte laut Frans de Waal mindestens „360.000 Stunden Beobachtungszeit“ für uns aufwenden, um „todbringendes Verhalten“ zu entdecken. Im Gefolge dieser und anderer Sichtweisen der Verhaltensforschung auf „Krieg und Frieden“, die der Humanethologe Irenäus Eibl-Eibesfeld 1975 systematisierte – (durchaus „chauvinistisch“, wie der Spiegel schreibt), machten sich bald auch  populärwissenschaftliche Autoren in Größenordnungen auf die  Suche nach den anthropologischen (Ab-)Gründen „unserer“ kriegerischen Grausamkeiten. So u.a. auch die linke US-Journalistin Barbara Ehrenreich mit ihrem Buch: „Ursprung und Geschichte der Lust am Krieg.“ Ein überflüssiges Buch! Die Affenforscher sind da schon weiter. Der in den USA arbeitende Frans de Waal begreift z.B. den „Hang der Amerikaner, Konfliktlösungen in die Hände von Anwälten zu legen“ als  Indiz dafür, „dass bei ihnen die Fähigkeit, soziale Konflikte zu lösen im Vergleich zu anderen kulturellen Gruppen – bei Menschenaffen und Holländern z.B. – schwach entwickelt ist. Wenige Amerikaner würden bestreiten, dass in ihrer Sprache das Wort ‚Versöhnung‘ fast synonym ist mit dem Wort ‚Kapitulation‘. Die Suche nach einem Kompromiss gilt bei ihnen nicht als eine hohe Kunst; sie hat den Beigeschmack von Schwäche.“

Ganz anders im kleinen dichtbesiedelten Holland, wo man laut Frans de Waal tolerant ist und vielfältige Versöhnungs-Strategien im Sozialen wie im Politischen kennt. Dies gilt auch für Paviane, wie die feministische US-Pavianforscherin Shirley Strum (siehe Photo unten) versichert: Sie sind permanent damit beschäftigt, das Soziale (wieder) herzustellen – und „machen das wirklich nett“. Im Vergleich zu uns Menschen, meint sie, sind Paviane wahre  „Sozial-Profis“ während sich bei uns umgekehrt das wenige „Soziale“  auch noch ideologiegestützt immer mehr  verflüchtigt. In den USA gibt es bereits eine Million Rechtsanwälte!  Das mitunter durchaus produktive Hin und Her zwischen Tier- und Menschen-Soziotopen verdanken wir der japanischen Affenforschung, wie der Primatologe Jun’ichiro Itani schreibt: „Die japanische Kultur macht kein Aufhebens um den Unterschied zwischen Menschen und Tieren und ist damit bis zu einem gewissen Grad von den Verlockungen des Anthropomorphismus geschützt…Wir sind davon überzeugt, dass dies zu vielen wichtigen Entdeckungen geführt hat.“ Diese werden inzwischen auch von Ethologen und Ethnologen aus dem Westen anerkannt. So meint z.B. Frans de Waal: „Es gibt viel Natur in der Kultur, so wie sich auch viel Kultur in der Natur findet.“ Noch radikaler – da zudem inspiriert von der soziologischen „Akteur-Netzwerk-Theorie“ Bruno Latours – formulierte es die  feministische US-Biologin Donna Haraway: „Zwar gibt es keine Natur und keine Kultur, aber viel Verkehr zwischen den beiden.“

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  • Und nicht zu vergessen – der Kairo-Virus, der im Moment in Syrien am virulentesten ist:

    dpa von heute Mittag:

    Die syrischen Aufständischen haben die bevorstehenden Kämpfe um die Stadt Aleppo zur „Mutter aller Schlachten“ erklärt.

    Im August 1990 war der Irak in das benachbarte Kuwait einmarschiert und hatte das Öl-Emirat annektiert. Einen Monat später machte die Führung in Bagdad klar, Kuwait werde auf keinen Fall geräumt, es gebe keine Alternative zum Krieg. Der „Revolutionäre Kommandorat“ verkündete: „Machen wir jedem deutlich, dass diese Schlacht die Mutter aller Schlachten werden wird.“ Als im Januar 1991 die US-geführte „Operation Wüstensturm“ zur Rückeroberung Kuwaits anfing, erklärte Saddam Hussein in einem Appell an die Nation, nun habe „die Mutter aller Schlachten“ begonnen.

    Saddam verlor zwar den Krieg, blieb aber zunächst an der Macht. Zwischen Bagdad und Washington entwickelte sich ein „Krieg der Worte“ mit immer neuen gegenseitigen Drohungen. 2003 gab das Pentagon die Entwicklung der weltweit stärksten konventionellen Bombe MOAB (Massive Ordnance Air Blast) bekannt. Nach ihrem Kürzel wurde die MOAB auch „Mother of all Bombs“ („Mutter aller Bomben“) genannt. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld versprach sich von der Bombe auch einen abschreckenden Effekt im Hinblick auf einen möglichen Krieg gegen den Irak.

    2007 testete das russische Militär eine nach eigenen Angaben noch stärkere konventionelle Bombe. Die neuartige Vakuum-Bombe hatte zunächst keine offizielle Bezeichnung. In Anlehnung an ihre US-Kollegen sprachen die russischen Entwickler nach Moskauer Medienberichten aber vom „Vater aller Bomben“.

    stern.de um 15 Uhr 45:

    „Es ist nur wenige Tage her, da haben sich zehn Soldaten bei uns gemeldet“, sagt ein Rebellenkommandant, der sich am Telefon Mister Alchick nennt. „Sie wollten desertieren und baten um Hilfe.“ Alchicks Kämpfer, rund 30 Männer, machten sich durch die Berge auf den Weg zum Grenzübergang Bab al Hawa. Die Aktion war schnell vorüber, die Deserteure am Ziel. Aber nun? Sich wieder zurückziehen? Den Grenzposten der Armee überlassen? Alchick entschied, dass sie Bab al Hawa erobern würden, obwohl das eigentlich nicht geplant war. „Der Überraschungseffekt war unser großer Vorteil“, sagt er. Nur eine Stunde habe der Kampf gedauert, dann waren 30 Soldaten der Armee tot und Bal al Hawa in Rebellenhand.

    Vom Glück des Kampfs, davon sprechen sie alle: Meschid, Mahmud, Mister Alchick. „Allah ist bei uns“, sagt der Kommandant. Mahmud, dass er schnell zurück nach Syrien wolle, „sobald ich wieder eine Waffe tragen kann.“ Genauso Meschid, er wird nur noch ein paar Tage bei seiner Familie bleiben. Dann geht es zurück zu seiner Einheit. Sie sind sind jetzt Krieger. Sie schießen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Sie lächeln während sie über den Krieg reden. Ob es nicht ein seltsames Gefühl ist, wenn man auf Menschen zielt? Meschid sagt: „Nein, es ist ein großartiges Gefühl. Wir sind wie Mel Gibson in ‚Braveheart‘.“ Und Mahmud, der schon einmal getroffen wurde, fürchtet er sich nicht? „Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod.“

    Die Zeit:

    „Wenn Aleppo fällt, fällt das Regime“

    Die Anspannung unter den Rebellen von Aleppo ist groß. Sie wollen die Handelsmetropole komplett einnehmen, doch die Regimetruppen sind hochgerüstet.

    In einem Klassenraum werden Gefangene festgehalten. Sie sitzen an den Schulbänken. Rebellen bewachen die Tür, schlagen sie zu, als Reporter kommen. Von drinnen hört man Schreie, einen lauten Schlag. Mara sagt, sie seien Kriminelle, ehemalige Polizisten und ein Major des Nachrichtendienstes. Sie werden nur kurz hier festgehalten und dann in eine andere Schule in einer nahe gelegenen Stadt verlegt. Was sie mit ihnen machen? Mara bleibt vage. „Wir haben kein Problem mit denen, die ihre Waffe niederlegen.“

    Inzwischen sind die Rebellen gut organisiert, ihre Waffen werden mehr und effektiver. Ihr Aufstand hat weite Teile der Provinz Aleppo erfasst und der Widerstand der Regierungstruppen scheint unkoordinierter und unmotivierter zu werden. In der Stadt Azaz zeigen Kämpfer der Freien Syrischen Armee Videos von einem chaotisch wirkenden Rückzug von Regierungstruppen.

  • Ein Beleg für Wiglaf Drostes Sielmann-Abneigung in Form eines seiner Gedichte:

    Über das Anschaun des Tierfilms

    Das Anschaun des Tierfilms verroht

    Den, der ihn anschaut, denn der Idiot

    Denkt nur an Tiere, die tödlich bedroht

    Sind statt an Freund Mitmensch in seiner Not:

    Das Anschaun des Tierfilms verroht.

    Das Anschaun des Tierfilms macht geil

    Man starrt Frau Gazelle aufs Hinterteil

    Schwätzt lüstern und gierig von Köcher und Pfeil

    Sucht nur im Voyeurismus sein Heil:

    Das Anschaun des Tierfilms macht geil.

    Das Anschaun des Tierfilms macht sentimental

    Und das heißt soviel wie: Es macht brutal

    Macht verlogen, vegan, triefäugig, banal

    Und tierlieb wie Hitler, die Menschheitsqual:

    Das Anschaun des Tierfilms macht sentimental.

    Das Anschaun des Tierfilms macht sielmannrassistisch

    Man starrt in den Bildschirm wie Günther der Goldfisch

    Lobt das Recht des Starken, sozialdarwinistisch

    Feiert Neger als Panther, sonntags beim Nachtisch:

    Das Anschaun des Tierfilms macht sielmannrassistisch.

    So wird man roh, so wird man auch geil

    Wird von der ganzen Grütze ein Teil

    Wird sentimental, wird sielmannrassistisch

    Selbst die Anti-lope bleibt nicht anti-faschistisch:

    Ist da denn keiner, der sagt: „Schreib das auf, Kisch!“?

  • Zum Stichwort „Krake“ sei hier noch der Pankower Kinder- und Jugendklub „Oktopus“ in der Parkstraße 12-14 erwähnt. Sowie der benachbarte Seniorenklub in der Stillen Straße 10. Über diesen sowie die üblen Kraken drumherum hier eine kleine Übersicht:

    The Good – The Bad – The Ugly

    Die Ersten: Das sind naturgemäß die Ältesten. Und die sind in der DDR noch ganz rüstig. Ihren Widerstandsgeist während der Nazi-Periode retteten sie über die DDR-Zeit als eine Art „Schläfer“. Aber „seit 89“ gilt das Wort von der „nachholenden Entwicklung“ – den Umbau von der Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft, vom Disziplinar- zum Überwachungs-Staat, von der Ökonomie zur Ökologie – auch für die Organisierung des Aufstands (das Meisterstück jedes Kommunisten). Viele der Ältesten leben in Pankow (weswegen Konrad Adenauer das „w“ immer mit aussprach). Und dort wurde nun kürzlich die „Mielke-Villa“ in der Stillen Straße von heute sogenannten Senioren besetzt. Die taz berichtete. Inzwischen findet man im Internet unter dem Stichwort „Pankow“ fast nur noch Berichte, Meinungen und Vordergrundinformationen über die „Bude Unruh“, wie die von Rentnern okkupierte Immobilie von der Süddeutschen Zeitung genannt wird. In dem „Begegnungszentrum“ treffen sich regelmäßig 39 Arbeitsgruppen. Zwar sind nun tagsüber mehr Journalisten als Besetzer im Haus, aber diese werden dafür umso öfter interviewt. Denn „die Medien“ sind auf ihrer Seite: „Heute wohnen in diesem Winkel von Pankow vor allem Familien, die sich Energiesparhäuser und schicke Bungalows leisten können. Inmitten des neuen Reichtums steht das schlammbraune Haus, schreibt die SZ.“ „Das Gelände ist ein Schatz,“ wird dazu ein Grundstücksmakler zitiert. Deswegen will das Bezirksamt die Immobilie auch verkaufen, wobei man nach Verteilung der Rentner auf andere Einrichtungen auch noch 60.000 Euro Unterhaltskosten jährlich einsparen würde. Schon begann eines der Ämter das Haus von unten nach oben zu räumen, indem es einen „Hausmeister“ vorschickte, der beim Sportraum im Keller das Schloß auswechselte. Die Senioren boten dagegen einen „jungen Mann“ auf, der diesen halbwegs abwehren konnte. „Eskalation! Jetzt haben die Senioren ein Problem: friedlicher Protest ja, Gewalt nein!“ frohlockte laut Märkischer Allgemeinen der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Pankow – ein grüner Westler, dessen „bundesweite Resonanz auch mit der Bionade-Upperclass von Prenzlauer Berg zu tun hat,“ wie der Tagesspiegel unkte. Die Besetzerin Renate Kelling 77, eine ehemalige Mathelehrerin, hat inzwischen „Wut im Bauch, um ehrlich zu sein“. Alles drehe sich nur noch ums Geld. So sieht das auch die ehemalige Französischlehrerin Waltraud: „Die ganze Gegend hier ist jetzt exklusiv von Westlern okkupiert, die Ostler haben ja nicht so das Geld.“ Helga Schiller, 75, ist ebenfalls wütend. Ihr hat man gerade den Kleingarten in Pankow gekündigt – „nach 40 Jahren. Der Garten ist jetzt Bauland.“ Ihr Mann Heinz ergänzt: „Und jetzt will man uns auch noch unseren Klub wegnehmen…Wer hätte gedacht, dass ich mit 83 noch mal zum Hausbesetzer werde.“ Von unten kam Unterstützung – u.a. durch eine linke „Volxküche. Von oben wurde ihnen dafür kürzlich das Telefon abgestellt.

    Die Zweiten: „Das sind die Westbeamte in der „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ (BAKS) gleich nebenan – in der Präsidialkanzlei des Pankower Schlosses Schönhausen. Dieses nicht mehr schlammbraune, sondern beige Gebäude beherbergt nun den wichtigsten militärpolitischen „Thinktank“ Deutschlands, wie der Frankfurter Politologe Peer Heinelt dieses Hauptquartier der reaktionären Bellizisten nennt, in dem heuer ein Zwanzijähriges Jubiläum gefeiert wird. Geschult werden hier „neben hochrangige Militärs, Beamte des Bundesinnenministeriums, des Bundeskriminalamts (BKA), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Verfassungsschutzes“ auch „Manager etlicher Großkonzerne – u.a. von Rheinmetall, Siemens, Daimler, Deutsche Telekom, Commerzbank, Bayer, EADS und Deutsche Bahn.“ Der BAKS geht es dabei um den Aufbau eines „exklusive(n) Netzwerk(s) zwischen Entscheidungsträgern“. Diese sollen sich laut Peer Heinelt „einerseits damit identifizieren, daß Gewalt zur Durchsetzung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten ebenso legitim ist wie zur Beseitigung mißliebiger Regimes oder zur Bekämpfung von Aufständen in aller Welt. Andererseits soll ihnen vor Augen geführt werden, daß oppositionelles Verhalten oder gar die grundsätzliche Negation der bestehenden Verhältnisse in Anbetracht einer lückenlosen ‚Sicherheitsarchitektur‘ keine Chance auf Erfolg hat.“

    Die Dritten, das sind die in die ehemaligen Unternehmervillen und Fabriken eingezogenen Besitzer bunter Eigenheime „mit manikürten Gärten und Tennisplatz und dunklen Limousinen vor den Garageneinfahrten,“ wie der SZ-Reporter sie vor Ort in Pankow beschrieb. Und das ist noch höflich ausgedrückt, denn in Wirklichkeit sind diese neureichen Kriegsgewinnler, die wie gesagt überwiegend aus dem Westen kommen, noch viel hässlicher. Der Grund: in der DDR überwog der von David Riesman so genannte „innengeleitete“ Sozialtyp (schon um gegen die kommunistischen Zumutungen von oben das eigene Private zu behaupten); während in westlichen – „postindustriellen Wohlstandsgesellschaften mit sinkender Geburten- und gleich bleibender Sterberate“ – der Typus mit konformistischer Außenlenkung dominiert: „Das Verhalten der Anderen wird maßgeblich für das eigene Verhalten; von anderen akzeptiert und für voll genommen zu werden, wird zentraler Wert. Abweichungen werden mit Gefühlen von Angst sanktioniert.“ Kurz gesagt: Die außengeleiteten Kaschmir-Wessis sehen in Pankow alle so was von scheiße aus.

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