Peter Doherty – Last Of The English Roses EP
Eine gewisse Verzweiflung kann man bei Dohertys Plattenfirma ausmachen: da kaufte man ihn einst vom Indielabel Rough Trade ab, weil kein anderer Musiker derart oft in den Schlagzeilen der Boulevardpresse wieder zu finden war und musste erkennen, dass sein kommerzielles Potential nie der medialen Aufmerksamkeit entsprach. Flugs holte man einen erfahrenen Studioarbeiter wie Stephen Street ins Boot und schasste den Punk-Urvater Mick Jones, aber trotzdem war „Shotter’s Nation“ kommerziell weniger erfolgreich als das wunderbare Chaos, das Mick Jones beim Vorgänger „Down In Albion“ hinterließ.
Nun geht der nicht mehr ganz so junge Mann solo und legt ein in Teilen wunderbares akustisches Debüt vor, das sich als völlig unvermarktbar erweist. Als erste Single aus lauter klassischen Albumsongs (und damit ist gemeint: Nichtsingles), greift sich EMI nun ausgerechnet „Last of The English Roses“, die wohl unrepräsentativste Single seit Schellack-Erfindung. Was nicht heißen soll, dass Doherty hier keinen guten Song geschrieben hätte, aber die Erinnerung an „Tomorrow Comes Today“, der Debütsingle der Gorillaz, führt nunmal völlig in die Irre. Interessant ist an der EP vor allem die b-Seite „Through The Looking Glass“, einer der vielen nie offiziell veröffentlichten Libertines-Songs – der im Rahmen der „French Sessions“ ursprünglich aufgenommen und als limitierte Vinyl-Single in Frankreich erscheinen sollte bevor Rough Trade seine Anwälte losschickte und sie nun in irgendwelchen französischen Kellern womöglich zwischen Moet & Chandon Flaschen lagert. Dass der Song in letzter Minute für „I Am The Rain“ vom Album flog, ist zwar schade, aber verständlich, da „Through The Looking Glass“ mehr nach der Hauptband Babyshambles (ober eben natürlich: den Libertines) als nach Dohertys Solowerk klingt.
Ein weiterer Grund, warum sich auch die Anschaffung dieser EP lohnt, findet sich bei der hier enthaltenen „Salome“ – Aufnahme, die nur Dohertys gelegentliches Fußstapfen und eine akustische Gitarre auffährt und so ein Beispiel ist, wie das Debütalbum auch hätte klingen können. Man mag darüber streiten, aber da sich „Grace/Wastelands“ sowieso als praktisch unverkäuflich erweisen wird, hätte man gleich diese einfachen Versionen veröffentlichen können. Wie wärs mit einer Limited Edition von „Grace/Wastelands“ mit Akustikaufnahmen, liebe EMI?
Anhören!
* Through The Looking Glass
* Salmoe (demo)
Weiterlesen über Doherty:
Teil 1: Time For Heroes, Anfang 2005
Teil 2: Up The Bracket, Oktober 2002
Teil 3: The Gang Of Gin. And Milk., April 2006
Teil 4: Why Did You Break My Heart?, Mai 2006
Teil 5: Anywhere In Albion, September 2006
Teil 6: König wider Willen, Februar 2007
Teil 7: Das Ende des Konjunktivs, Oktober 2007
Plattenkritiken:
* Peter Doherty – Grace/Wastelands
* The Libertines – Best Of
* Babyshambles – Shotters Nation
Im Netz:
* Indiepedia
* Homepage
* MySpace
Adam Kesher – Heading For The Hills, Feeling The Warm Inside
Als wir das erste Mal auf Adam Kesher aufmerksam wurden, da erinnerten sie uns noch durchgehend an eine französische Variante der Presets. Recht stampfender Elektro-Rock wurde zelebriert wie ihn das Modular Label beispielsweise in die New Rave Euphorie warf. Umso überraschender, dass das Debütalbum der französischen Band nun eine Stilvielfalt aufweist, die man nicht vermutet hätte. In Opener „Local Girl“ schmiegen sich die Keyboardlinien souligsanft um den Gesang, „Ladies, Loathing And Laughter“ erinnert unzweifelhaft an die letzten Alben der zu Unrecht übersehenen Robocop Kraus und „Talent & Distance“ versucht sich gar – erfolgreich – an Kraftwerk zur „Radioaktivität“-Zeit.
Anhören:
* Talent & Distance
* Local Girl (hier)
* While My Mind Was Dry
Weiterlesen:
* Adam Kesher – Modern Times EP
Im Netz:
* MySpace
(Texte: Christian Ihle)