vonkirschskommode 13.12.2022

Kirschs Kommode

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In dem ehrenamtlichen Gremium meiner Gewerkschaft, dem ich angehöre, habe ich mich mit dem Vorschlag, eine Resolution wie die folgende zu verabschieden und zu verbreiten, nicht durchsetzen können. Leider. Ich stelle sie also in meinen Blog. Und damit, hoffentlich, möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung, die möchten, dass in ihrer Gewerkschaft eine solche Stellungnahme diskutiert, beschlossen und verbreitet wird:

Gegen die Kriminalisierung gewaltfreier Aktionen

Wir, aktive Gewerkschafter*innen aus den verschiedensten Branchen und Bereichen, beobachten mit wachsender Sorge, wie gewaltfreie Aktionen von Klimaschützern in den Medien und von Politiker*innen zunehmend verteufelt werden, mit dem klaren Ziel, sie zu kriminalisieren. Wir fordern unsere Gewerkschaft in allen ihren Gliederungen auf, diesen Kriminalisierungsversuchen entgegen zu treten, und gewaltfreie Aktionen, gerade auch dann, wenn sie als störend empfunden werden, als Mittel der politischen Auseinandersetzung zu verteidigen.

Uns geht es dabei nicht in erster Linie und nicht ausschließlich um die Ziele der Klimaschützer. Der klimagerechte Umbau unserer Gesellschaft und des Wirtschaftslebens wird die Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung unserer Mitglieder direkt betreffen. Deshalb müssen wir bei diesen Themen dringend mit unserer eigenen Stimme sprechen, unsere eigenen Ziele benennen und unsere eigenen Kampfmittel wählen, wenn wir den notwendigen Umbau im unserem Sinn mitgestalten wollen. Die Diskussionen um die Auswirkung des Klimawandels auf unser Arbeitsleben sind in den Gewerkschaften allerdings noch lange nicht lebhaft genug. Das ist das, was wir von den Aktionen der Klimaschützer als Anstoß mitnehmen sollten. Ein blind wachstumsorientiertes „Weiter so!“ auf Kosten des Planeten kann es in den Betrieben genau so wenig geben wie „klimagerechte“ Umstrukturierungen auf Kosten der von ihrer Erwerbsarbeit Abhängigen. Wir brauchen wahrscheinlich schon bald, wenn nicht schon längst, Regelungen und Tarifverträge für die notwendige ökologische Transformation des Arbeitslebens und haben als Gewerkschafter*innen hier eine große Verantwortung.

Unsere Solidarität verdienen die Straßenblockierer aber auch unabhängig von unseren Diskussionen über Klimaziele. Als Gewerkschafter*innen wissen wir nur zu genau, dass sich oft genug nichts durchsetzen lässt, wenn nicht wirtschaftlicher Druck die Gegenseite zwingt, einzulenken. Das Mittel des Streiks ist nicht freundlich und harmlos, es fügt dem bestreikten Arbeitgeber wirtschaftlichen Schaden zu. Doch weil der oder die einzelne Beschäftigte gegenüber der Firma alleine viel zu wenig Macht hätte, um seine oder ihre Interessen wirksam zu vertreten, existiert in demokratischen Gesellschaften das Koalitionsrecht, ein Recht, sich zusammenzutun, um zum Beispiel gemeinsam die Arbeit zu verweigern. Insbesondere die Straßenblockade ist ebenfalls ein Mittel der Schwachen, einem sehr viel mächtigeren Gegner zu schaden, um Verhandlungen mit ihm zu erzwingen. Sie steht unseren eigenen gewerkschaftlichen Kampfmitteln nah, wir benutzen sie selbst, etwa in der Form des Streikpostens zur Abwehr von Streikbrechern. Wir fühlen uns deshalb von ihrer drohenden Kriminalisierung auch selbst betroffen.

Das gilt umso mehr, als dass die Argumente, mit denen Straßenblockaden als verwerflich und verbrecherisch gebrandmarkt werden, dieselben sind, die auch Streikende gern zu hören bekommen: Sie würden die Gesellschaft in Geiselhaft nehmen, ihre Interessen auf dem Rücken der normalen Menschen durchzusetzen versuchen, sie würden nötigen, die Versorgungssicherheit sowie Leib und Leben Unbeteiligter gefährden, und ein langes Etcetera. Solche Vorwürfe werden regelmäßig auch bei Feuerwehrleuten, beim Flughafenpersonal, bei Erzieherinnen und Erziehern, bei Pflegenden im Krankenhaus, bei im Entsorgungsbereich oder bei der Wasserversorgung Tätigen erhoben, wenn sie streiken. Wenn jedoch Vorwürfe dieser Art schon ausreichen, um Straßenblockaden zu kriminalisieren, dann wird es damit auch möglich, Streiks und andere Formen des Arbeitskampfes mit Mitteln der Strafverfolgung anzugreifen, einzuschränken oder ganz zu verbieten. Die Gesellschaft muss gewaltfreie Störungen ihres Betriebsablaufs aushalten, wie sie Arbeitskämpfe aushält. Alles andere nimmt den Schwächeren die Mittel, ihre Interessen gegenüber den Mächtigeren wirksam zu vertreten und gefährdet so die Demokratie.

P.S.: 13. Dezember, 12 Uhr – Eben erreicht mich die Nachricht, dass es heute Morgen um sechs Uhr eine Reihe von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Rechnern und Datenträgern bei Mitgliedern und Aktiven der Letzten Generation gegeben hat. Begründet wurde die Polizeimaßnahme mit dem Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Nun, wenn sich zu friedlichem, wenn auch störendem Protest zu verabreden und ihn gemeinsam durchzuführen, schon das Bilden einer kriminellen Vereinigung ist, dann dürfte obenstehender Entwurf einer Solidaritätserklärung auch den Straftatbestand der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung erfüllen. Es wäre zum Lachen, wenn nicht sehr zu fürchten wäre, dass die Ermittlungsbehörden es furchtbar ernst meinen.

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