Nachdem 2017 Arnold Maxwill beredt das Schweigen beschworen hatte (siehe Blogbeitrag vom 11.10.2022), kam es beim Feldkircher Lyrikpreis, wie es kommen musste: Das Reden musste wieder austreiben. Und Thomas Amman ließ es sogar in der Luft Wurzeln schlagen, weshalb er verdient zum Sieger gekürt wurde. Sein Motto für 2018 trieb mich nahezu zur Verzweiflung:
Häuslicher Zettel zum Feldkircher Lyrikpreis 2018
Oh, schlimm! Das neue Motto ist nun raus:
„das sprechen dort treibt luftwurzeln“
Und davon angeknufftpufft purzeln
dir lauter Verse frisch ins Haus.
Was ist das Thema? Reden Würgefeigen?
Sinds Kids, die zwischen Beinen unter Tischen,
Mangroven sehn und Worte von Erwachsnen fischen?
Oh, schlimm! Oh, schlimm!
Wie nicht sich prätentiös versteigen?!
Da ich aber meine 2018er Ernte für diesen Blog schon reichlich verwertet habe (Schlagwort Feldkirch unter dem Beitrag), muss ich über Thomas Amman hier kein weiteres Wort verlieren und kann direkt zu seinem Landsmann, dem Grazer David Fuchs kommen. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber Fuchs ist außer Lyriker auch Arzt, genauer: Onkologe, und das Wuchernde im vorgegebenen Motto muss seine Gedanken schnell in fatalistisch-berufliche Bahnen gelenkt haben, um für das nächste, das 2019er, beim unabweislich Unvermeidlichen zu landen, und zwar fett:
Preislied auf ein Motto von David Fuchs
Nach Knollenblätterpilzgenuss,
ein Satz wie dieser wär ein Muss;
ein Satz ist das, konkret und wahr,
und höchst multipel anwendbar:
früher oder später tritt der tod ein
Er gilt für Mücken, mich und Gott,
er gilt für Ernstes wie für Spott;
er gilt für alles auf der Welt,
die, ihrerseits, nicht ewig hält:
früher oder später tritt der tod ein
Was Liebe treuherzig verspricht –
wo wäre die, die nicht zerbricht?
Die Wirtschaft auch, sie wächst, sie brummt.
Und übertönt, was leis schon summt:
früher oder später tritt der tod ein
Das Klima, früher kühl und feucht,
und wie es jetzt im Fieber keucht.
Die Politik, du meine Güte!
Bald nehm‘ sie alle ihre Hüte:
früher oder später tritt der tod ein
Was einer schafft, mit Geisteskraft,
auch das wird schließlich fortgerafft.
Ein Satz allein
schränkt hier die Not ein,
weil er beschreibt, was ist und bleibt:
früher oder später tritt der tod ein
Aber wie das so ist mit den Binsen – über einen amerikanischen Schriftsteller mit einer Schreibblockade gibt es die Geschichte, dass er eines Nachts im Halbschlaf einen Einfall hat, den er schnell notiert, um darauf selig wieder wegzuschlummern, sicher, die Schreibblockade habe sich gelöst. Allein, als er morgens auf seinen Zettel schaut, steht da: boy meets girl. – Es ist nicht zu bestreiten, dass Binsen produktiv sein können. Mit Fuchs‘ Motto habe ich losgedichtet und nichts davon nicht gebloggt, so zufrieden war ich mit den Ergebnissen. Sie lassen sich alle noch besichtigen; ich verlinke sie unten mit dem Schlagwort In die Binsen.