Die Blütezeit der meisten Frühblüher, einschließlich der Schneeglöckchen, wird in Schulbüchern, auf den Sorten-Packungen im Gartenhandel oder bei Wikipedia mit März-April angegeben. Aber das diesen Angaben entsprechende Märzwetter gibt es bereits im Februar, falls der Januar nur etwas kälter als inzwischen gewöhnlich ausfällt und nicht selbst schon zu viel von ihm vorwegnimmt. Es ist wie mit der Dampflokomotive auf dem Straßenschild für einen unbeschrankten Bahnübergang, die dort, nachdem sie als Antriebsfahrzeug für Züge ausrangiert war, noch lange weiterleben konnte. Die Krokusse blühen also im Februar, mit den ersten warmen Tagen im März sind sie hinüber. Höchste Zeit, sie einmal zu würdigen.
Krokus ist eins der Wörter, das in fast jedem Schreibprogramm eine Fehlermarkierung bekommt, wenn ich es in den Plural setze. Obwohl sie ihre ganze Pracht vor allem als viele entfalten, als zart-lila Matte unter noch verfroren kahlen Bäumen etwa. Das muss mich animiert haben, für sie einmal eine andere Pluralform auszuprobieren. In einem Frühlingsgedicht. Es entstand und steht in dieser kleinen Reihe über bedenkenswerte, nämlich bedenklich schräge Pluräle:
Pluralissimo
I – Der Käser
Er trank ein Glas bloß, unser Käser.
Lag dann im Gras und lutschte Gräser,
schnob dicke Luft, schnob Gas und Gäser,
frug nicht nur: Was? Frug sogar: Wäser?
Und lallte Dies, dann Das, dann Däser –
ein Glas bloß? Denkst du! Viele Gläser!
II – Vor Blumen stehen
Was im Süden blühende Kakteen,
sind in unsern Breiten die Krokeen:
Liebespaare bleiben davor stehen,
tauschen sanft ergriffen Keen.
III – Damendramen
Manche Omen spucken wie die Lamen,
machen Dramen, dampfen von Aromen;
unsre Mamen falln darob in Komen:
Oh, die Omen! Haben miese Famen.
IV – Die armen Verwandten
Ach, um die armen, im Atlas lebenden Verwandten
stürm-, tob- und tosen ohn‘ Unterlanten
die ewig-eisekalten Boreanten!
Hier helfen niemals nicht Büro-Erlanten:
Gebt ihnen schnell, en manten, Bierfanten, Anananten!
Stoppt endlich ihre Aderlanten!