Zwei Tage nach Nikolaus gibt es im Kirchenkalender einen anderen wichtigen Feiertag, an den ich mit diesem vor knapp zwei Jahrzehnten entstandenen Artikel erinnern möchte. Der spöttische Tonfall des Textes ist Leichtsinn, der Hintergrund ist ernster: Ich habe gewiss nichts gegen Halbgötter, ob sie nun Jesus oder Herakles heißen, aber halb bedeutet nun mal zur Hälfte. Und das, was Pius IX vor 165 Jahren entschieden hat, verschiebt auf eine Weise Gewichte, die mich ratlos zurücklässt.
Manche Hochschwangere, der das Gewicht ihres Bauches zu schaffen macht, denkt angesichts des Festtags der Unbefleckten Empfängnis: Wow! Vom Heiligen Geist möchte ich auch einmal ein Kind haben! Am 8. schläfst du mit dem Mann, am 25. legst du das Kind fix und fertig, rund und gesund in die Krippe. Beneidenswert.
Sie irrt sich. Maria wird am Tag der Verkündigung schwanger und der ist – auf den Tag genau neun Monate vor Christi Geburt – am 25. März. Wie gebenedeit die Gottesmutter auch immer unter den Frauen war, von der beschwerlichen Schwangerschaft wurde ihr nichts erlassen. Ganz im Gegensatz übrigens zu manchen griechischen Schönheiten, die ihr Halbgottbaby oft schon am selben Abend nach dem kleinen Zwischenfall in den Armen halten konnten. Doch wenn das so ist, warum feiern wir die Unbefleckte Empfängnis dann am 8. Dezember?
Ganz einfach: Es geht bei dem Festtag um den Beginn einer anderen Schwangerschaft, fünfzehn oder sechzehn Jahre früher. Im ehelichen Bett befinden sich, in heilig-heftige, eheliche Pflichten vertieft, Jesus Großmutter Anna und Jesus Großvater Joachim. Neun Monate später, am 8. September, feiern wir Marias Geburt.
Hinter dem Fest verbirgt sich ein Denkproblem. Einerseits brauchte Jesus, der Menschensohn, eine ganz und gar menschliche Mutter, gezeugt und geboren wie alle Menschen. Andererseits liegt auf dem Zeugen und Gebären seit Adams und Evas Vernaschen des Apfels der Fluch der Erbsünde. In Sünde gezeugt zu sein, schickt sich jedoch kaum für die Gottesmutter. Bis 1854 brauchte die Kirche, um das Problem zu bedenken. In diesem Jahr erhob einer der glücklosesten aller Päpste, der von den 48er Revolutionären vertriebene und nur mit Militärgewalt wieder eingesetzte Pius IX, die unbefleckte Empfängnis von Maria durch Anna zum Dogma.
Sich die Unbefleckte Empfängnis praktisch vorzustellen, fällt schwer. Schon die Annahme, es gebe irgendwo außerhalb der stofflichen Welt einen Pool voller Seelen ungeborener Kinder, aus dem bei jeder Befruchtung eine abberufen werde, um sich im Mutterleib mit dem Embryo zu verbinden, schon das führt, zu Ende gedacht, zu allen möglichen, logischen Verwicklungen. Vom Gefühl her verstehen wir jedoch, dass der Eintritt der Seele in die stoffliche Sphäre bei jener zu einer Trübung führen könnte. Diese Trübung ist vielleicht die Erbsünde. Wie bekommt man sie weg?
Wahrscheinlich so: Marias Zeugung findet statt, daneben ein Teufelchen, hüpft begeistert im Takt auf und ab, flüstert den Eltern ins Ohr: „Oh, lecker, lecker! Wie schmutzig ich euch das neue Seelchen machen werde!” “Halts Maul, Ausgeburt der Hölle!” rufen da zwei Engelchen und geben ihm eins auf die erwähnte Stelle.
Dann besprengen sie das Paar mit reinigendem Weihwasser und beginnen, himmlisch zu singen. Joachim und Anna fallen in Trance. Danach auf die Knie: Und siehe, da sie sich ihrer irdischen Lust erinnerten, schaueten sie in großer Scham auf das Laken ihres ehelichen Lagers, doch es war ohne Flecken geblieben. Und Joachim und Anna beteten zu Gott und danketen ihm.
Ja, so. Genau so muss es gewesen sein.