vonkirschskommode 05.03.2020

Kirschs Kommode

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Was bislang geschah: Es ist die Nacht der Ohne-Hosen: Kommissar Wengath sitzt am Schreibtisch des Staatsanwaltes Nebelung, zwei riesige Colts in den den Händen und betrachtet mit gemischten Gefühlen ein schlafendes Liebespaar, Kolbe und Breker. Vor gar nicht langer Zeit hatten die beiden Wachleute ihn den Mangel genommen, verhört, gefesselt und mit Gewalt betrunken gemacht. Aber jetzt war er, Wengath, Herr der Situation. Sollte er die Waffen entsichern und – raus mit der Wahrheit?

Er setzte sich ganz vorne auf die Kante von Nebelungs Drehstuhl, stützte seine Arme auf der Schreibtischplatte ab: Was waren die Dinger schwer! Der Atem der Schläfer ging regelmäßig, Breker begann leise röchelnd zu schnarchen. Es war wahr, dass sie ihm nichts getan hatten, zumindest hatten sie seine körperliche Unversehrtheit immer einigermaßen zu wahren versucht. Sie hatten ihm die Arme nicht ausgekugelt, als er zwischen ihnen hing, einen Schnaps hatten sie ihm eingefüllt, sauber genug gebrannt, dass er nach Abklingen des Rausches ohne Kopfschmerzen geblieben war. Sie schienen ihre Übergriffe als Erziehungsmaßnahmen zu verstehen, unter keinen Folgen sollte er zu leiden haben, wenn er nur schnell genug lernte. Sie hatten auch seine Pistole nicht benutzt, um Nwgabe zu erschießen, sie hätten ihn aus dem Beruf kicken können damit, verdammtnochmal, aber wie leicht, die Hunde! Doch nur neben die Leiche hatten sie ihn gesetzt, eine kleine Machtdemonstration, so wie ihr Anschleichen vor Dr. Siechners Tür, wie das Video aus dem Autopsiesaal, ihm gegenüber bloße Demonstrationen ihrer Macht gewesen waren. Aber sie steigerten sich deutlich von mal zu mal. Vielleicht wäre es doch das Beste, er schösse sie kampfunfähig, würde ihnen, so lange wie sie noch schliefen, schnell mal mit den Sig Sauer in die Bäuche spucken, dass ihm so schnell nicht wieder in die Quere kämen. Nur, sie schliefen so sanft und friedlich Arm in Arm. Schweinebande!

Er hob die Pistolen ins Mondlicht, dachte an den toten Mann im guten Anzug, der direkt neben ihm liquidiert worden sein musste. Denn das Blut floss noch aus, wurde mehr, als er ihn dann sah, sich wiederfand in seiner Hauseingangsecke, in seiner Lache Ausgekotztem. Es war ausgeschlossen, dass Kolbe und Breker ihn nicht ganz geplant an diese Stelle, Haus Nummer 7 in der Lychener Straße, hingesetzt hatten. Wenn sie Nwgabe nicht selbst erschossen hatten, hatten sie im Voraus gewusst, wann und wo dieser Mord stattfinden würde. Nwgabe hatte wahrscheinlich seine festen Arbeitszeiten auf dem Flugplatz, es war ein abgekartetes Spiel gewesen, auf die Minute genau geplant. Und eine der Pistolen, die er in der Hand hielt, konnte die Tatwaffe sein, wenn nicht sogar beide, zwei verknallte Sig Sauer, gemeinsames Kommen, höchstes Glück, alles war möglich.
Sollte er jetzt dafür sorgen, dass die Arbeitsgruppe Drogenkriminalität die Pistolen bekäme, die den Mordfall Nwgabe absurderweise übernommen hatte? Obwohl, was hieß schon: absurderweise? Zu bestreiten war nicht, dass es jede Woche ein oder zwei Fälle gab, die exakt die gleichen Charakteristika aufwiesen wie Nwgabes Tod: Aufgesetzter Schuss oder Schuss aus unmittelbarer Nähe in Rücken, Nacken oder Hinterkopf, Opfer Ausländer, Täter unbekannt. Die Ermittlungsbehörden nahmen durchgehend Vergeltungsmaßnahmen zwischen konkurrierenden Mafiagruppen als Tatmotiv an und dass bei einigen der Toten Rauschgift gefunden wurde, passte da nur ins Bild. Natürlich hatten Angehörige widersprochen, das Opfer habe nichts mit derlei Dingen zu tun gehabt. Aber so reagierten Angehörige immer. Als neulich ein junger Neonazi sich beim Bombenbasteln in die Luft gejagt hatte, gingen seine Eltern mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, ihr Sohn sei ein toleranter Pazifist gewesen und habe außerdem eine türkische Freundin (Gehabt. Und auf Nachfragen stellte sich heraus: Früher mal). Zudem kam es bei den Hinrichtungen im Bandenmilieu sicherlich auch zu Verwechslungen. Wie auch immer, für Kolbe und Breker oder auch für die Leute, mit denen sie zusammenarbeiteten, wäre es ohne Frage das Leichteste auf der Welt gewesen, Nwgabe auf genau die gleiche Weise umzubringen wie die verschiedenen Mafias ihre Gegner. Er, Wengath, müsste die Kollegen der Arbeitsgruppe dazu bringen, vor allem auf das hinzusehen, was Nwgabes Tod von den anderen Fällen unterscheide. Ihnen mögliche Tatwaffen zu bringen, wäre nicht der schlechteste Weg, sie zu motivieren, den Abhakfall ein Mal nicht von vornherein als solchen zu nehmen.
Bloß, wie die verdammten Dinger in ihre Hände gelangen lassen? Der wachhabende Polizist unten an der Tür war wahrscheinlich mit dem Liebespaar Ich sei in euerm Bunde der Dritte. Sonst hätte man ihn, Wengath, ja suchen lassen, als er nicht beizeiten wieder aufgetaucht war. Wenn er dem die Waffen aushändigte, gäbe der sie später doch nur an die beiden zurück. Wenn er sie aber nicht aushändigte, käme er nicht durch den Metalldetektor. Er könnte sie unter seine dicke Jacke stecken, damit der Türsteher sie gar nicht erst sah, behaupten, er sei eben auf dem Klo von seiner Ohnmacht aufgewacht und ein Telefon verlangen. Aber es war nicht sicher, ob derjenige von der Arbeitsgruppe Drogen, den er jetzt noch zu fassen bekäme, nicht einfach sagen würde: Lass die Waffen einschließen, holen wir uns morgen ab. Wengath sah sich im Zimmer um, Bücherregale, Aktenschränke, keine guten Verstecke. Aber eben die einzigen. Falls er nicht probierte, ob die Tür zum Zimmer von Frau Leineweber offen stünde. Aber neenee. Dann hätte er für Minuten die Recken im Rücken und müsste unbewaffnet den ganzen Weg zurück an ihnen vorbei, so was überließ man immer besser zuständigem Fachpersonal. Er fand einen Filzschreiber und ein Blatt Papier, schrieb im Mondhalbdunkel mit ungelenken Buchstaben: Waffen sichergestellt. Wengath. Stand dann leise auf, ließ das Papier liegen, wo es lag, wollte seine Schuhe nehmen (aber wie mit zwei Pistolen in den Händen?), baggerte sie mit Handgelenken auf seine Unterarme, presste sie an seine Jacke, ging zur Tür, hockte sich hin, legte eine der schweren Pistolen ab, platzierte die Schuhe vor die Tür, ein Klack: Verdammt hier war kein Teppichboden!. Kolbe ächzte auf im Schlaf, Breker brummte gestört, Augen zu, nicht atmen, nein besser: Ruhig atmen! Ein, aus, ein, aus, da rückten sie knurrend näher zusammen, komm, Spatz, ist kühl ohne dich, schliefen weiter. Wengath nahm die abgelegte Pistole, schlich zum nächsten Schrank, zog einen der Ordner heraus, fühlte mit einer Hand hinein, es gab etwas Platz zwischen den Ordnern und dem hinteren Brett des Schranks. Er schob die Pistolen nacheinander in die Lücke, eine nach links hinter die Ordner, eine nach rechts, schloss die Lücke wieder, Haufen Papier in schweren Pappdeckeln, Kontrollblick und mit der Hand rüber hinwegfahren, ja, es stand alles ordentlich in einer Reihe und bloß zur Tür und die Schuhe und auf und zu und Tschüß, ihr Süßen, bringt mir nichts in Unordnung in Nebelungs Büro und er lief auf Strümpfen den Gang entlang zur Treppe.
Er saß auf den Stufen, band die Schleifen fest, elegante schwarze Herrenschuhe, kaum getragen: sein Ausgehpaar, seine gewöhnlichen Schuhe waren noch wodkavoll nass von gestern Nacht. Er konnte hinuntersehen ins Foyer des Gerichtsgebäudes und durch die Glastür auf die Straße. Nach Mitternacht war es, der wachhabende Polizist stand draußen, hielt ein Schwätzchen mit einem Wachmann, der wahrscheinlich seine Tour hier hatte, Zettelchen kleben von Geschäft zu Geschäft, immer unten knapp über der Türschwelle: wattn Bück– und Beugejopp. Ein Feuerzeug leuchtete, Zigarettenglut, haltma! Wie ein Schreck durchfuhr es Wengath: Wenn er hier herauskäme, ohne dass sie ihn kontrollierten! Denn natürlich würden Kolbe und Breker zuerst den Türsteher nach ihren Schießeisen fragen. Und wie nur zu wahrscheinlich klänge es für sie, dass er, Wengath, sie unter seiner Jacke mitgenommen hätte. Er eilte die Treppe hinab bis kurz vor die Tür, zwang sich dann in einen gemessen nicht zu schnellen Schritt, lässig, lässig, Frechheit siegt, trat durch die offene Eingangstür, nickte dem Wachhabenden und seinem Gesprächspartner freundlich zu:
Kriminalkommissar Wengath von Esstee-ah Nebelung. TraanSe michma oben aus!
Drehte ihnen den Rücken zu:
Gute Nacht auch, die Herren!
Und weiter laufen, langsam bleiben, verflucht schwer war das: Langsam! Aber er kam bis zur Ecke, bog um, gegenüber lag ein dunkler Park, er hörte:
He, warten Sie mal!
Ein Taxi glitt auf der Gegenfahrbahn näher, Wengath hielt den Arm raus, rannte dem Fahrzeug entgegen, dem Tapferen hilft das Glück, er hörte Schritte: Bleim Sie stehn!, hatte schon die Fahrzeugtür in der Hand, stieg ein:
Sie schickt der Himmel!
Das Taxi fuhr an, Wengath sah durch die Windschutzscheibe den wachhabenden Polizisten hinter der Hausecke hervorspringen, Beine gegrätscht, die Arme hochgerissen: Andreaskreuz, ein stummes Halt. Und: O, du mein Hampelmann, glitten sie an ihm vorüber und zwar nach Norden, seine Wohnung lag im Süden, es war alles egal, Hauptsache der Taxifahrer gab Gas:
Grad aus dem Gefängnis ausgebrochen, oder wie? Haben Sie wenigstens Geld dabei?
Wengath holte seine Marke hervor:
Ich bin bei der Polizei, wenn Sie das beruhigt.
Der Mann lachte auf:
Nää! Tut es nicht!
Setzte aber gleich begütigend hinzu:
Nehmen Sies nicht persönlich. Bei uns im Iran gibt es ein Sprichwort: Diebe und Polizisten haben das gleiche Gesicht. Keine guten Erfahrungen hat unser armes Land mit der Polizei, was? Wo solls denn hingehen?
Wo sind wir denn? Ach, Mensch, fahren Sie weiter, Richtung Pankow! 

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