vonkirschskommode 17.10.2023

Kirschs Kommode

Komplett K: Kommodenfächer & Kurzwaren, Krimi & Kinder, Klasse & Küche, Kypris & Kirche, K-Wörter & Komfort.

Mehr über diesen Blog

Das folgende Gedicht kann nicht aus der Schublade „Komfort“ stammen, um das Recht auf Faulheit geht es darin nicht. Es wird eine andere Art der Arbeit eingefordert, Arbeit als Gefallen, den einer seinen Mitmenschen macht, als Liebes- oder Freundschaftsdienst. Ich weiß, die Liebe zur eigenen Gattung zu verteidigen, fällt vielen Zeitgenossen schwer. Aber erstens fänden die Über-, Unter-, Vorder-, Hinter- oder Nebenzeitgenossen vielleicht doch noch andere Perspektiven für die alten Affen, zweitens muss jede Misanthropie bei Menschen letzten Endes und logisch zum Selbsthass führen, sodass ich nicht recht glauben kann, Misanthropen könnten auf Dauer gesehen die besseren Argumente haben, ohne ihre Ansichten zu überleben.

Dass es mich drängte, in Form einer Ansprache zu dichten, ist ungewöhnlich für mich, dessen liebstes Personalpronomen in der Lyrik das bescheidene Ich ist, das von sich sagen möchte, was es durchmacht, aber niemandem Gefühle oder Überzeugungen aufdrücken will. Ich muss an die gewerkschaftlichen Mairedner und Mairednerinnen gedacht haben, wenn sie von großen Gesten begleitet ins Mikrofon bellen: „Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das – neh- men – wir – nicht – hin! Nicht mit uns, Kolleginnenundkollegen!“ Und auf einer Maikundgebung wären die Verse tatsächlich sehr passend. Das Versmaß ist das von Fallerslebens Lied der Deutschen, das von Brechts Kinderhymne und, nicht zuletzt, das von Schillers Ode an die Freude. Haydn, Eisler, Beethoven, der Text kann gesungen werden.

Auf, ihr Lieben, wir sind Affen!
Brauchen Nahrung. Wolln ins Bett.
Doch sich Freuden zu verschaffen,
wird gemeinsam erst honett.
Krault einander! Fläzt zusammen!
Nehmt Gesellschaft körperlich!
Es ist klar, woher wir stammen.
(Der Asket verzeih‘ es sich.)

Eure Kinder tragt drei Jahre
auf den Hüften mit herum.
Knuddelt alle. Bis zur Bahre.
Spröd ist sinnverwandt mit dumm.
Pflegt die Freundschaft, pflegt die Gärten,
nirgends schafft euch Grund zur Hast:
Wisst, ein Leben ohne Härten
habt ihr lang genug verpasst.

Jeden Fortschritt, der Genüsse
stört und keine neuen bringt,
lehnt ihn ab. Denn die Prämisse
sei, dass Alltag euch gelingt:
Lasst euch menschlich äffisch treiben!
Denkt! Ihr seid nicht auf der Welt,
euch malochend aufzureiben,
bis sie auseinanderfällt!

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/kirschskommode/mitaffen-mitmenschen/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert