vonkirschskommode 10.10.2023

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12. Oktober, Nuestra Señora del Pilar

Als unter den Tränen fast der gesamten Welt die in Paris tödlich verunglückte Lady Di feierlich beigesetzt wurde, kursierte in Spanien unter den wenigen Ungerührten ein böser Witz: Welche Namen darf ein Fan von Lady Di seinen Töchtern nie geben? Antwort: Mercedes und Pilar.

Sie verstehen den Witz nicht, haben nur eine dumpfe Ahnung, daß er fürchterlich geschmacklos ein könnte? Ist er. Pilar ist das selbe Wort wie, englisch, pile. Und vom englischen pile finden sie leicht zum deutschen Pfeiler: Mercedes und Pfeiler. Aua! Die Frage bleibt, wie man einem Mädchen bloß einen so blöden Namen anhängen kann wie Pfeiler?

In Spanien kann man. Vorausgesetzt auf dem Pfeiler, den wir uns in diesem Fall als eine römische Säule vorstellen müssen, ist einmal die Heilige Jungfrau zu stehen gekommen. Die Pilars heißen mit ganzem Namen: Maria vom Pfeiler.

Die Legende dazu ist die folgende: Der Apostel Jakobus missionierte in einer römischen Veteranenkolonie – aus deren Namen Caesaraugusta Sie mit etwas Phantasie schon das heutige Zaragoza herausklingen hören. Er predigte tauben Ohren. Mitten auf dem Marktplatz, inmitten der Menschenmenge, die ihn verlachte, stand er also, verloren wie ein mutterloser Säugling. Das war der Moment, die Säule stand auf dem Marktplatz, obendrauf plötzlich die Gottesmutter und: Nicht schlappmachen, Neffe! rief sie ihm zu – denn sie war seine Tante. Jakobus war augenblicklich getröstet und hat doch noch einen spanischen Heiden bekehren können, nach anderen Berichten sogar neun.

Maria selbst war zu dieser Zeit nicht etwa schon tot, sondern eine Dame um die 70. Trotzdem reiste sie in Gedankenschnelle von Palästina quer übers Mittelmeer nach Nordspanien und fand sich auf der meterhohen Säule ein. Daß sie diese Mühe nicht scheute, verhalf der Stadt Zaragoza zu der ersten Marienerscheinung in der Geschichte der Christenheit überhaupt.

Marienerscheinungen werden eigentlich erst um 500 modern, als für die Kirche die Notwendigkeit bestand, kleinasiatische Muttergottheiten zu integrieren. Die Kirchenväter vor dieser Zeit ignorieren die Gottesmutter meist. Um 500 gehörte Caesar­augu­sta aber den Westgoten. Diese hingen dem Arianismus an, einer christlichen Lehre, zu der Marienwunder nicht recht passen. Von den Westgoten haben wir die Nachricht über das Wunder nicht. Nach den Westgoten kamen 712 für 406 Jahre die Araber, die erst recht nichts von Pilar wußten. Erst 150 Jahre nach ihnen fand man den Wunderbericht in einer alten Handschrift, nach 1270. Ein Wunder auch das.

Um die Marienstatue auf ihrer versilberten Säule herum wehen heute die Fahnen aller spanischsprachigen Staaten in Übersee. An einem 12. Oktober hatte Kolumbus die neue Welt entdeckt, deswegen feiern manche Spanier mit der Pilar auch den Día de Hispanidad, den Tag des Spaniertums – mit Militärparaden. Vertrauen Sie aber darauf, daß unsere Pilar dafür nichts kann. Ihr Feiertag lag bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem 12. Januar. Die Säule übrigens, so versicherte mir ein Freund aus Zaragoza, sie dufte nach Veilchen. Er habe sie geküßt und es selbst gerochen.

(Oktober 2000)

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