Auch der Autor, die Autorin eines Küchenlexikons kann auf dem Klassenstandpunkt und der antikolonialen Perspektive bestehen. Das Werk wird sich aber nicht besonders gut verkaufen, wenn es Beiträge wie diesen enthält:
Vogelspinne: Sie ist schwierig zu jagen. Der Griff, mit dem man sie packt und so hält, dass sie ihre Giftblase entleert, kann schlecht am lebenden Objekt geübt werden – Irrtümer hätten hier fatale Folgen. Kundige Vogelspinnenjäger haben deshalb über Generationen ein kompliziertes psychotechnisches Verfahren entwickelt, das vom Urtümlichen faszinierte Ethnologen – die Gehalt beziehen und sich Fleisch kaufen können, wann immer sie welches essen wollen – gern als animistisches Zauber- und Tanzritual beschreiben, ohne bemerken zu wollen, dass die Nachahmung der Spinnenbewegungen im Tanz ein kühl kalkuliertes Training dafür ist, die Reaktionen des gefährlichen Tiers in die körperliche Erinnerung zu bekommen, um so Fehlgriffe möglichst auszuschließen. Der weiche Hinterleib der Vogelspinne wird ausgedrückt, der entweichende Brei gerinnt gebraten oder gebacken ähnlich wie Ei. Rumpf und Beine des Tiers werden in ihrem Chitinpanzer gebraten oder gegrillt und später wie bei Krustentieren ausgelutscht; die Beine gelten als die leckersten Bissen der Mahlzeit. Für eventuell vorhandene Reste der Delikatesse halte man sich an Rezepte für Taschenkrebse, etwa „Taschenkrebs, englisch“, wofür das übrige Spinnenfleisch zerpflückt, dann mit einer leichten Senfmayonnaise gebunden und mit Petersilie dekoriert wird. Da der Panzer der Vogelspinne keine harte Schale sondern eine lederne, mit Haaren überwachsene Haut ist, verbietet es sich, die Spinnenfleischfarce in ihr zu servieren. In Hälften hartgekochter Eier gefüllt und mit dem Eigelb überstreut, wird das Gericht aber immer Beifall erregen. (Aus: Das Restekochbuch, Frankfurt, 2002)