Im Sozialismus war gut Witze machen, weil die Partei, die Partei ja immer Recht, aber dann doch etliche, ganz banale Probleme hatte, und wo ein hoher, ernster Anspruch auf eine dumm-dreist-widerborstige Wirklichkeit trifft, gibt das komische Effekte. Einer meiner Lieblingswitze aus dieser Zeit ist folgender: Was sind die vier Hauptfeinde des Sozialismus? Die Antwort darauf: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
Nun spielt das hohle Pathos, der große, an der Lebenswirklichkeit der Regierten schlicht vorbeigehende Anspruch der Regierenden, Recht zu haben und das Richtige zu tun, auch in einer Gesellschaft, die nicht müde wird, sich immer feierlicher, immer beschwörender Demokratie zu nennen, ebenfalls eine immer größere Rolle. Die Krise treibt die Lächerlichkeit der Regierenden hervor. So sind beispielsweise Mietwucher, einstürzende Brücken, Überflutungen oder bitter fehlendes Pflegepersonal kaum mit der schönen Weisheit, dass „wir“ eine demokratische Leistungsgesellschaft seien, zu bewältigen. Zumal die Leistung, also im Regelfall die Lohnarbeit, genau wegen überhöhter Wohnkosten oder den Mängeln bei Infrastruktur und Daseinsvorsorge für die meisten eben stets weniger lohnt, während die Leistungsgesellschaft zum Ausgleich nichts für sie leistet und sie ansonsten demokratisch nicht gefragt werden. Was also wären die vier Haupthindernisse für die Leistungsbereitschaft in der marktwirtschaftlich-demokratisch verfassten Gesellschaft? Genau.
Der Witz funktioniert durch die Zwangsläufigkeit der Reihe in der Antwort. Die Frage fragt nach vier Feinden, ich antworte „Frühling“ und die restlichen drei kommen ohne Extraeinladung sofort mit. Und nicht nur das. Nach dem Winter kommt wieder der Frühling und die Reihe beginnt von vorn, sie ist, bis zum endgültigen Welt-und Wetteruntergang, unausweichlich immer wieder dieselbe. Indem ich auf die Frage nach den vier Hauptfeinden „Frühling“ antworte, stelle ich fest, dass Sozialismus oder Leistungsbereitschaft am Leben scheitern.
Der Theorie nach hätten die sozialistischen Funktionäre auf den Witz nicht verärgert reagieren müssen. Wenn die Jahreszeiten dem sozialistischen Aufbau den Stecker ziehen, weil sie den Elan der Aufbauenden bremsen, dann steht, unter den Bedingungen des Volkseigentums, der Lustgewinn an der eigenen Wurschtigkeit der Unlust am selbstverursachten Mangel gegenüber, was sich perfekt ausgleicht und am Ende nichts bedeutet, als dass das Ideal immer netter aussieht als die Wirklichkeit – eine Binse. Der Frühling-Sommer-Herbst-und-Winter-Witz zielt bei seinen Zuhörern auf Verständnis und Einverständnis, nämlich darüber, dass zu anstrengend sei, die landein, landaus gepredigten Vorgaben eins zu eins umzusetzen.
Es wäre natürlich eine interessante Frage gewesen, inwieweit das Volkseigentum noch Volkseigentum ist, wenn ein Teil der volkseigenen Warenproduktion zur Bezahlung von Krediten aus dem kapitalistischen Ausland verhökert werden muss, wodurch sie wieder reine Schinderei zur Erhöhung des Mehrwertes wird. Kapitalistische Funktionäre verstehen an dieser Stelle auf keinen Fall Spaß, sie führen bekanntlich sogar Prozesse, wenn ihnen erwartete Gewinne entgehen. Arbeitende, die nur halbe Leistung geben, betrachten sie folglich als gemeine Diebe und Betrüger. Die sie wahrscheinlich am liebsten mit Gefängnis und Zwangsarbeit bestraft sehen würden. Von ihnen kann niemand Verständnis dafür erwarten, dass die Jahreszeiten die Arbeitsfreude mindern.
Mit vergleichbaren Reihen habe ich selbst ein wenig gespielt. Es ist schwierig, für die Monatsnamen oder die Namen der Tage Reime zu finden, aber die Zwangsläufigkeit, mit der der eine Namen dem nächsten folgt, ist gleichzeitig ein großer Anreiz, auf die Suche zu gehen. Kaum verwunderlich ist, dass das Thema solcher Verse über Reihen immer wieder die Vergeblichkeit, fehlender Antrieb oder das Rumgammeln ist. Was stand mal an irgendeiner Wand? Sie wollen nur unser Bestes. Aber das bekommen sie nicht.
I – Vorsatz
Am Montag geht es los.
Und Dienstag geht’s famos.
Schon Mittwoch sind wir groß.
Doch Donnerstag ein Stoß,
am Freitag Sitzen bloß
bis Samstag auf den Pos …
Am Sonntag dann grandios:
Jetzt, Montag, geht es los!
II – Faule Haut
Montag, Schontag, wir nehmen nichts genau,
Dienstag, Jeanstag, wir lieben eben Blau.
Mittwoch, Spritloch, wir haben nichts zum Saufen,
Donnerstag, wers onners mag, soll laufen.
Freitag, Speitag, das kommt vom vielen Schlucken,
Samstag, Wamstag, kann sein, die Bäuche jucken.
Sonntag? Sonntag! Die Sonne wärmt den Bau,
Montag, Schontag, wir nehmens nicht genau.
III – Vergebliche Liebesmüh
Januar: Fragst dich, was war.
Februar: Dann wirds dir klar.
März: Fasst dir ein Herz.
April: Sagst, ja, ich will.
Mai: Ganz einerlei!
Juni: Du kriegst die Kuh nie.
Juli: Nimmst deinen Kuli.
August: Beschreibst deinen Frust.
September: Denn da klemmt wer.
Oktober: Klemmt tief im Schober.
November: Klemmt bis Dezember.
Doch im Januar: … (und von vorn)