vonkirschskommode 02.03.2021

Kirschs Kommode

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17.02.2021, wwg. Wir waren, solange der Winter auf Überraschungsbesuch war, bereit zu akzeptieren, dass die Straßen unbefahrbar sind. Allerdings waren auch die Bürgersteige unbegehbar, mehr sogar, als die Straßen unbefahrbar waren, denn zu keiner Zeit wird die Rangordnung zwischen Autofahrern und Fußgängern so unbarmherzig klargestellt, wie nach ergiebigem Schneefall. Die Fahrbahnen der Wohnstraßen werden notdürftig beräumt oder gefurcht und sind irgendwie zu benutzen. Aber aller von Autos, Parklücken und Fahrbahn weggeräumte Schnee liegt dann immer so, dass es den Fußgängern unter keinen Umständen möglich ist, die Straße ohne gefährliches Klettern über schmutzige Schneehaufen zu überqueren. Auf den meisten Gehwegen bleibt der Schnee aus Kostengründen oder Schlamperei ohnehin meistens dort, wo er in der Nacht hingefallen war. Wir sind also nur bis zum nächsten Laden gekommen. Das hat den Speiseplan mitbestimmt.

21.02.2021, wwg. Der Fisch im nächsten Laden liegt, unter einer sogenannten Schutzatmosphäre, eingeschweißt in einer Plastikschale und diese Art der Verpackung mag verhindern, dass er zum gefundenen Fressen für Bakterien wird. Sie verhindert nicht, dass er muffig schmeckt. Das Fleisch ist bis auf rare Ausnahmen bei Sonderangeboten zu Festtagen aus billigster Massenproduktion, Halteform 1, aber das Gemüseangebot ist, was die Frische anbelangt, ganz ordentlich. Der Laden könnte mich also zum rein vegetarischen Kochen bekehren, aber in einer Ecke seiner Frischtheke führt er Bio-Hackfleisch, Halteform 4, weil Bio (und mit vielem Augenzudrücken), und ich nahm es mit. Denn ich hatte Gemüse und für das keinen Plan, ein unvorhergesehenes Sammelsurium von Kartoffeln, Wirsing, Rotkohl, Möhren, Beeten, Lauch und Zwiebeln, das ich tags zuvor „geerbt“ hatte; eine mir nahestehende Person musste ins Krankenhaus und trug mir auf, die Reste ihrer Bio-Kiste nicht verkommen zu lassen. Das war die Situation in der verschneiten Woche und sie bedeutete vor allem eins: keine Brühe.

Bis auf eine zwei Tassen große Menge, geliert und schon ein paar Tage im Kühlschrank, aufbewahrt für einen guten Zweck. Ich hätte Champignons kaufen sollen, um die drei Kalmartuben zu füllen, die noch im Gefrierfach warteten, aber da ich das vergessen hatte, beschloss ich, sie mit Kartoffeln zu füllen. Genauer: mit zerdrückten gekochten Kartoffeln, viel gehackter Petersilie, klein geschnittenem hartem Ei, abgeschmeckt mit etwas Knoblauch, Muskat, Gewürzpaprika und drei Tropfen Zitronensaft. Ich briet die gefüllten Tuben an, löschte mit passierter Tomate (gestückte täts auch), gab die Brühe, auch etwas Wein dazu und ließ den Flüssigkeit während des Garens der Tintenfische gut einkochen. Abgeschmeckt mit einer Spur Zimt und einem Esslöffel kleiner Kapern. Die Kartoffeln gaben dem, mit Pilzen sehr feinen Gericht, eine derbere Prägung, die ihm gut stand. Am Tag drauf Gemüseverwertung, den Wirsing in großen Stücken im Topf geschmort, Möhren, Kartoffeln und Zwiebeln in kleineren. Koriander- und Kreuzkümmelsaat als Würze. Hackfleischbällchen dazu, in die ich einen Rest Frischkäse gerieben hatte, sie hatten eine lustige, elastische Konsistenz und vom Rauchpaprika rauchigen Geschmack. Davon die Reste, Fleisch wie Gemüse, am nächsten Tag mit Wachtelbohnen. Tags drauf Linsenspirelli mit jungem Spinat aus der Pfanne; dann Spiegelei auf gebratenen halben Minitomaten und ein paar Chorizoschnitze, denn es gab keine Zeit, irgendetwas zu kochen. Aber am Freitag war der Schnee soweit weggetaut, dass ich es wagen konnte, mit dem Fahrrad zum großen Supermarkt zu fahren, auf der Jagd nach Biohuhn. Natürlich gab es keins, doch glänzten an der Fischtheke die Augen der Forellen dermaßen frisch, dass ich mir sofort zwei kleinere einpacken ließ. Ihre Frische erklärte mir die Verkäuferin mit dem kurzen Anfahrtsweg von höchstens 35 Kilometern, aus einem nahen Ort, an dem es Fischteiche gebe. Ich folgte bei ihrer Zubereitung einem Rezept, das nicht von mir ist (sondern von Ottolenghi), buk sie im Ofen mit zerlassener Knoblauchbutter aus- und übergossen und servierte sie mit einer Soße bestehend aus Tomatenstücken, in Zitrone eingelegten, gehackten Rosinen, etwas Ahornsirup sowie etwas Orangensaft, gewürzt mit gerösteten und zerstoßenen Fenchelsamen und, reichlich, grob gehacktem Korianderkraut. Sie waren hervorragend. Am Samstag den geerbten Rotkohl, klassisch, zu Kartoffelpüree und Bratwurst, zu Rotkohl fällt mir nicht mehr ein. Was am anderen Tag, dem Sonntag, nicht für dessen Rest galt, den dich kurzentschlossen als Belag für eine käselose Pizza, mithin eine Coca verwendete, vermischt mit Zwiebelringen, die ich vorher eine Stunde mit Salz, Kreuzkümmel, Oregano und Paprika marinieren ließ, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie auf einer Pizza so mürber werden. Weitere Zutaten: feine Streifen grüner Paprika (auch der Farbe wegen) und vier, fünf Zentimeter Chorizo klein gewürfelt. Zwischenmahlzeit: gebackene Champignons mit einer ganz einfachen Füllung bestehend aus den Pilzstielen, Semmelbröseln, Ei, Petersilie und ein wenig Gorgonzola. Für solche Füllungen ist kein Rezept nötig, Brösel, Stiele, Ei bilden die Masse, Kräuter, Käse und was sonst zur Hand ist, sind die Würze. Vorkochen: Aus Köpfen, Haut und Gräten der Forellen wieder Brühe.

26.02.2021, wwg. Montag: Gratin aus mit Ei verrührtem Kartoffelpürree und Romanesco-Kohl, mit Parmesan; Dienstag: Keshmesh Polow (Rosinenreis) mit gegrillten Auberginen und Koriander-Joghurt-Soße; Mittwoch: asiatische Gemüsesuppe mit Udon-Nudeln, Donnerstag: im Ofen gebackene Artitschockenhälften.

01.03.2021, wwg. Freitag: Pizza bianca, außer mit Mozzarella und Pecorino ausschließlich mit sehr dünn geschnittenem Gemüsefenchel belegt und mit gerösteter Fenchelsaat gewürzt. Äußerst fenchelig, fast anisig. Ich hätte großzügiger Pecorino nehmen können. Samstag: Der Aufdruck auf den Kartons der Bio-Eier verkündete, dass in der Legebatterie, aus der sie stammten, kein männliches Küken geschreddert, aber alle aufgezogen würden. Es sollte an frischen Bio-Hähnchen kein Mangel herrschen. Doch an der entsprechenden Abteilung der Kühltheke des Supersupers angekommen, fand ich die verwaist, wie in der Woche davor. Auf dem Eis der Fischtheke lagen Saiblinge und als ich fragte, hatte die Deutsche See, so etwas wie die Deutsche Wohnen unter den Fischhändlern, sie aus Polen oder Deutschland oder Frankreich angeliefert. Was mir doch etwas vage war. Und so kamen wieder Forellen frisch aus dem heimischen Fischteich mit. Ich füllte dieses Mal mit Tiroler Schinkenspeck und Salbeiblättern und buk die Fische wie gehabt. Am Sonntag Grätenbrühe, die am Abend zur Hälfte in einem spanischen Reis landete, nachdem ich schon Mairübchen und Mangold angeschmort hatte, zusammen mit einem Gehäcksel aus frischen Kräutern (es waren Koriander und Salbei, aber Petersilie ist immer gut), Knoblauch, getrockneten Tomaten und granuliertem Paprika. Ich hatte jedoch am Vortag nach dem Einkaufen Sekunden um Sekunden den Groll meiner Frau ertragen müssen, die aus Appetit auf etwas Süßes am Bäckerstand ein Stück Gebäck mit Schokoladenstreuseln kaufen wollte, was bei mir auf Skepsis stieß, weswegen sie vom Kauf absah, um sich später darüber zu ärgern, mich überhaupt erst um meine Meinung gefragt zu haben. Ich war ihr also eine Süßspeise schuldig. Zwischen allen Dämpfen der ewig köchelnden Fischbrühe bereite ich mit wenig Mehl und Milch, aber etwas mehr Wasser und Butter, sowie Vanillezucker und Salz einen Hefeteig zu, den ich handtuchdünn ausrollte. Ebenso dünn den Inhalt einer Packung Rohmarzipan, legte beides aufeinander, bezimtete leicht, rieb Zitronenschale darüber und rollte alles in eine lange Wurst, die ich zur Schnecke gedreht in den Ofen steckte: ein Duftwunder und, halb abgekühlt, perfekt zum Kaffee.

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