Der heutige ‚Keynesianismus‘ ist nur die Fortsetzung des Neoliberalismus mit anderen Mitteln. Genauer: statt eine Alternative zu ihm zu sein ist er die Art, wie das neoliberale Regime Krisen managet. Keynes Vater Staat in seinem letzten Update nämlich ist der deus ex machina, um den freien Markt regelmäßig vor sich selbst zu retten. Er ist der doppelte Boden und als solcher unterhalb des Prosperierens das Fundament aller Überbauten aus laissez-faire.
Diese Notiz ist wichtig, um nicht zu vergessen, dass die monologische Rede von Solidarität, der auch die Mär vom neuen Keynesianismus dient, mehr Gerede als Redlichkeit ist. Will man der Rechten die Luft aus den Segeln nehmen, ist eine Kritik an Solidarität als Rhetorik vonnöten: nicht, um Solidarität abzuschaffen, sondern um ihre Beschwörungen an der Realität zu messen. Solidarität nämlich ist kein Spießbürgertum, keine Apolitizität und keine Anstiftung zum bedingungslosen Abnicken der politischen Lage. Wenn schon, wäre sie bedingungsloses Grundeinkommen; oder bedingungsloses Exil für Flüchtende; oder Verpflichtung zur bedingungslosen Nächstenliebe – wenigstens all jener Bibelveruntreuenden, die das Christentum offiziell im Parteinamen tragen.
Stattdessen heißt ‚Solidarität‘ in Deutschland nicht nur, die kürzlich entdeckten ‚Systemrelevanten‘ im Pflegesektor weiter überauszubeuten oder die Militärjunta der Triage einer Entökonomisierung des Gesundheitssystems vorzuziehen. Nein, ‚Solidarität‘ heißt noch mehr – noch weniger. Solidarität unter der Regierung Merkel heißt auch, ein Vakzin weiter der Willkürherrschaft des Profitgesetzes zu unterwerfen, das andernfalls weltweit hunderttausende Menschenleben retten könnte. Die Rhetorik der Solidarität reicht in Wirklichkeit also genau bis zur Schwelle des Nationalkapitals, sodass noch die Solidarität mit Washington – nach Trump beinahe bedingungslos beschworen – durch patentrechtliche Fragen kurzerhand aufgehoben ist.
Die Rede von der Solidarität jedoch so eigenhändig-offensichtlich in bloßes Gerede zu überführen, ist Brandstiftung im Angesicht des grassierenden Misstrauens gegenüber Politik und Medien. Andererseits – was hatte man erwartet von Muttis Hayekismus, dessen Austeritätspolitik die Krankenhäuser überhaupt erst in chronisch unterversorgte, doch umso profitablere Geldfabriken verwandelte? So sehr sich herumsprach, dass, was auf den Neoliberalismus folgen würde, Faschismus sein könnte – so wird plötzlich erinnerbar, dass der Faschismus nicht stets erneute Gefahr werden könnte, führte der kapitalistische ‚Weg zur Freiheit‘ nicht notorisch zurück in die offen erhobenen Arme der geschlossenen Gesellschaft.