vonlukasmeisner 25.03.2022

Kriterium

Die Rechnung 'Krise vs. System' geht nicht auf. Was wir brauchen, ist eine Kritik am System der Krise.

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Zum Kapitalismus gehört sowohl die verwertbare Diversität (von Waren, Menschen, Regionen) als auch die rassifiziert-sexualisierte Arbeit (in den Zentren wie in den Peripherien). Kapitalismus ist eben eine Totalität, in der sowohl Faschismus als auch Liberalismus ihre Funktion haben. Was es darum braucht, ist marxistische Totalitätsanalyse statt additive Kombinatorik der Analyse.

Das richtet sich an Varianten intersektionaler Identitätspolitik. Diese sind häufiger, in Reproduktion gesellschaftlicher Atomisierung begriffen, individualistisch verkürzend, statt Patriarchat und Rassismus je als eingewobene Totalitäten des Kapitalismus zusammenzudenken. Auch droht ihre Moralisierung zur sozialen Distinktion und zum neo-aristokratischen Habitus zu verkommen für ein kosmopolitisches Bildungsbürgertum, das sich, klassisch bürgerlich eben, von der (vermeintlich ausschließlich weiß-männlichen) Arbeiter*innenklasse abheben will.

Dagegen ist zu erinnern: ‚Inklusion‘, ‚Antidiskriminierung‘, ‚Diversität‘ usw. sind lediglich liberale Forderungen, bei denen keine konsequente Linke stehen bleiben kann – und das schon, weil der Liberalismus nur die Kehrseite des Faschismus ist. Die Linke muss hier zuallermindest fragen: Inklusion und Integration worein? Ist z.B. eine diversifizierte Bundeswehr wirklich anstrebenswert? Und reicht es aus, etwa ‚Klassismus‘ zu problematisieren, oder braucht es vielmehr die polit-ökonomische Abschaffung aller Klassen?

Hier kommt für gewöhnlich das Argument, dass Patriarchat und Antisemitismus älter seien als der Kapitalismus. (Während Nationalismus und Rassismus v.a. im 19. Jahrhundert erfunden wurden.) Nun, fraglos sind sie älter – doch sind sie gleichsam nicht mehr, was sie einmal waren, seit sie als Legitimationsnarrative und Funktionsmomente des Kapitals dienen. Darum ist jeder konsequente Sozialismus, die Gleichheit und Freiheit aller im Sinn, eo ipso antisexistisch, antirassistisch und anti-antisemitisch. Dass aber viel Antirassismus, Antisexismus und Anti-Antisemitismus heute de facto nicht sozialistisch ist, führt nicht nur zur gemeinsamen ‚Verabschiedung‘ vom Proletariat (inklusive Prekariat), wie oben angesprochen, sondern realiter auch zur Nichteinhaltbarkeit der je eigenen Position.

Wogegen sich Antirassismus, Antisexismus und Anti-Antisemitismus also zu wehren haben, ist ihre Vereinnahmung von liberaler Seite. Die lässt sich aber nur verhindern mit einer (neo-)marxistischen Totalitätsanalyse des Kapitalismus.

 

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