Nötig ist jetzt eine internationale Kampagne von unten
Es sieht nicht sonderlich gut aus für die Yasuní-ITT-Initiative – jenen bahnbrechenden Vorschlag aus Ecuador, die „internationale Gemeinschaft“ beim Regenwaldschutz anders als bisher in die Pflicht zu nehmen. Das südamerikanische Land, so hatte es Präsident Rafael Correa im Juni 2007 verkündet, wolle auf die Ölförderung im östlichen Teil des Yasuní-Nationalparks verzichten – wenn im Gegenzug die Hälfte der vermuteten Einnahmen durch Beiträge von ausländischen Regierungen und Firmen eingespielt wird.
Nun mehren sich die Anzeichen, Correa werde 2012 ernst machen mit seinem „Plan B„, die Förderung in dem artenreichen Amazonas-Paradies zu starten. Die Vorbereitungen laufen schon seit längerem auf Hochtouren, Minister schwärmen von Traumrenditen. Dahinter steht die höchst pragmatische Logik aller linken „Neoextraktivisten“ in Südamerika: Ressourcengelder für Sozialprogramme. Den schwarzen Peter will Correa dem Ausland zuschieben – in der Tat, die erhofften Millionen sind bislang ausgeblieben.
Einer der wenigen exponierten Verantwortlichen ist in Deutschland zu finden: Entwicklungsminister Dirk Niebel verweigerte eine offizielle Unterstützung durch Berlin im September 2010 – wenige Wochen, nachdem der dafür nötige UN-Treuhandfonds eingerichtet worden war. Im Mai brüskierte er die ecuadorianische Regierungsdelegation, die in Berlin für die Initiative warb. Man befürchte eine „negative Präzedenzwirkung„(!), in 13 weiteren Ländern gäbe es „ähnliche Voraussetzungen“, hieß es aus dem Ministerium.
All dies kann jedoch nicht über die zweideutige Haltung hinwegtäuschen, mit der Rafael Correa selbst immer wieder gebremst hat. 2009 hatte es besonders günstig ausgesehen: In Berlin wurden Ecuadors damaligem Außenminister Fander Falconí Millionenbeiträge in Aussicht gestellt – doch Quito zögerte. Correa schreckte auch davor zurück, auf dem Klimagipfel in Kopenhagen aufzutrumpfen. Wenig später fiel er sogar seinem eigenen Verhandlungsteam öffentlich in den Rücken.
Doch die von ihm nominierten Nachfolger sind mittlerweile sehr engagiert bei der Sache, 78 Prozent der Ecuadorianer lehnen die Ölförderung im Yasuní-Gebiet ab. Unterstützung gibt es von Chile über Italien bis Russland. Im September steht das Thema auf der Agenda der UN-Hauptversammlung. Dennoch ist es viel zu wichtig, um es den Regierungen zu überlassen – das hat die bisherige Entwicklung gezeigt.
Nicht zu unterschätzen ist der hohe Symbolgehalt der Initiative. Es geht um den Übergang in ein postfossiles Zeitalter, das „Gute Leben“ oder, in den Worten von Bisrat Aklilu, dem Chefkoordinator aller Treuhandfonds des UN-Entwicklungsprogramms, um eine neue Wirtschaftsweise: „Yasuní is not just a project, it’s a totally new paradigm.“
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Eine Chance gegen die unheilige Allianz der Ölinteressen gibt es noch, vielleicht die letzte: eine breite, internationale Kampagne aus den „Zivilgesellschaften“ heraus, die gemeinsam mit ecuadorianischen AktivistInnen koordiniert werden müsste. Bis zum Jahresende, wenn in Durban der nächste Weltklimagipfel steigt, sollten sämtliche Kräfte gebündelt werden – die Netzwerke dafür bestehen bereits. „Es gilt, alle nur erdenklichen Räume für solch eine Kampagne zu öffnen und zu nutzen,“ meint Alberto Acosta.
In Deutschland müssten sich Klima-Aktivisten und Lateinamerikafans, aufgeklärte Unternehmer und Wertkonservative, Grüne und Linke, Sozialdemokraten und selbst Liberale zusammentun – dass überraschende Allianzen durchaus möglich sind, zeigt eine 2008 fraktionsübergreifend verabschiedete Bundestagsresolution. Nach vielen Medienbeiträgen, zuletzt etwa in der Zeit oder im Deutschlandfunk, sind Niebel & Co. in der Defensive.
Onlinepetitionen sind eine mögliche Aktionsform, Spenden durch Einzelpersonen – hier – seit kurzem eine weitere. Wie etwa in Belgien könnten sich auch deutsche Landesregierungen finanziell engagieren. In Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen und Ökoinitiativen ist der Boden ebenfalls bereitet. Jorge Jurado, Ecuadors Botschafter in Berlin, wünscht sich vor allem öffentlichen Druck. Nun sind die Freunde Yasunís gefordert!
Lieber Martin,
das ist schon ein bischen naiv. Schöne Versprechungen ist eine traditionelle Stärke der lateinamerikanischen Politiker-Kaste. Ecuador hat in seiner weitgehend erfolglosen Geschichte 20 oder mehr Verfassungen produziert. Geändert haben all diese Texte nicht viel.
Sicherheit der Umsetzung für die Geldgeber kann einzig eine wache und selbstbewußte Zivilgesellschaft schaffen. Die entsteht in Chile. In Ecuador wird das aber noch 50 oder mehr Jahre dauern.
Ecuador demonstriert doch mit der Ölförderung im Naturschutzgebiet, dass es ihnen um den schnellen Dollar und nicht um den Umweltschutz ging. Für die irrationale und apathische Bevölkerung können nun die Machthaber den Schwarzen Peter den „imperialistischen Mächten des Nordens“ zuschieben und trotzdem den Regenwald zerstören.
In Brasilien oder Chile findet heute effektiver Umweltschutz statt, ohne dass da großmäulige internationale Kampagnen gestartet werden. In Brasilien gibts effektive Gesetze zum Schutz des Regenwaldes. Wenn etwa Rinderherden in Schutzgebieten auftauchen, werden die sofort staatlich abgeknallt und das Fleisch an Farvelha-Bewohner verteilt. In Chile wurde das große Staudammprojekt im Süden, HydroAysén, nach einem riesigen Protest der Zivilgesellschaft gerichtlich gestoppt.
Die Machthaber in Quito verstossen schon jetzt zum Schaden und gegen den Protest der naciones primarias (Indianer) gegen ihre selbstgeschriebene Verfassung.
Gruß Lemmy