vonChristian Russau 09.05.2013

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Während am Xingu-Fluss im brasilianischen Amazonas-Gebiet über 150 Indigene eine der zentralen Baustellen für das umstrittene Staudammprojekt Belo Monte besetzt halten und die brasilianische Regierung sich weigert, mit den protestierenden Indigenen in Dialog zu treten und zu verhandeln, geriet in der bayerischen Landeshauptstadt München der Versicherungskonzern Allianz in die Kritik wegen seiner Beteiligung am Staudammprojekt von Belo Monte.

Kayapó im Fluss Xingu (Aufnahme von Mai 2008). Photo: Verena Glass

Mehrere Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Brasilien und Deutschland protestierten auf der Jahreshauptversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre der Allianz SE gegen die Beteiligung Deutschlands größten Versicherungskonzerns am Staudamm Belo Monte. Die Allianz hat Ende 2011 fünf Prozent der Versicherungssumme der Baukostensumme von rund acht Milliarden Euro übernommen und diese gegen Risiken versichert. Damit deckt die Allianz laut Berechnung der im Belo Monte Netzwerk zusammengeschlossenen Organisationen Baurisiken im Wert von umgerechnet 400 Millionen Euro ab. Die Organisationen sehen darin einen Verstoß gegen die von der Allianz selbst so hochgelobten Nachhaltigkeitskriterien.

Verena Glass von der Widerstandsbewegung am Xingu-Fluss Xingu Vivo para Sempre bezeichnete in ihrer RedeBelo Monte als massiven Eingriff auf das Überleben Tausender Menschen in einer der artenreichsten Regionen der Welt“. Sie erläuterte den anwesenden rund 3.500 Aktionärinnen und Aktionären die Situation vor Ort, die Gefahr der Vertreibung von bis zu 40.000 Menschen sowie die vom Betreiberkonsortium und von der brasilianischen Bundesregierung begangenen Rechtsverstöße im Zusammenhang mit dem Bau von Belo Monte. Sie verwies darauf, dass derzeit 17 Klagen der Bundesstaatsanwaltschaft in Pará gegen den Staudamm eingereicht wurden und dass der Oberste Gerichtshof Brasiliens in naher Zukunft über die (Un-)Rechtmäßigkeit von Belo Monte abschliessend urteilen muss. “Demnächst, vielleicht noch in diesem Jahr, wird der Oberste Gerichtshof Brasiliens über die Rechtmässigkeit von Belo Monte urteilen. Wir sind guter Hoffnung, dass das Urteil entsprechend der Verfassung und internationalem Recht gesprochen wird: demnach müsste Belo Monte gestoppt werden müssen“, so Verena Glass von Xingu Vivo para Sempre.

Hintergrund ist, dass laut der Brasilianischen Verfassung und der ILO-Konvention 169, die Brasilien unterzeichnet und ratifiziert hat, der brasilianische Staat verpflichtet ist, alle betroffenen indigenen Gruppe in freier und vorab informierter Konsultation zu befragen. Dies ist nicht geschehen.

Angesicht der Weigerung der brasilianischen Bundesregierung, den betroffenen Indigenen ihr Recht auf freie und vorab informierte Konsultation zuzugestehen, hat eine Gruppe von mehr als 150 Indigenen der oben genannten traditionellen Völker und Gemeinschaften am 2. Mai eine der Baustellen Belo Montes besetzt. Sie verlangen die sofortige Einstellung aller Bauarbeiten und Studien bezüglich der Staudammprojekte – bis hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der brasilianischen Bundesregierung zu ihnen vor Ort zur Dialogverhandlung kommen, um die Modalitäten der Konsultationsbefragungen abzuklären und gemeinsam zu definieren. Die Indigenen haben mehrfach mit Nachdruck betont, dass sie den Dialog wünschen.
In Antwort darauf hat die brasilianische Bundesregierung die Baustellenbesetzung der Indigenen mit Polizei- und Militäreinheiten umstellt; zudem hat die Regierung der nationalen und internationalen Presse den Zugang zum Gelände versperrt und hindert die freie und unabhängige Berichterstattung vor Ort; die Regierung hat die Anwälte der Indigenen des Ortes verwiesen; die brasilianische Bundesregierung ließ in einer Mitteilung erklären, die Indigenen seien „Banditen“ und dass sie mit diesen nicht verhandele. Laut aktuellen Informationen (9.Mai 6:00 Uhr Ortszeit in Altamira) des Journalisten Ruy Sposati vor Ort, droht in Kürze die polizeiliche Räumung der Besetzung durch Polizeieinheiten.

Die brasilianische Bundesregierung plant, mehr als 60 große Staudäme in der Amazonas-Region zu bauen. Belo Monte ist eines der ersten (und das größte) dieser Projekte und wird am Xingu-Fluss in der Nähe der Stadt Altamira, im Bundesstaat Pará, errrichtet. Neben Belo Monte errichtet Brasilien am Fluss Teles Pires im Bundesstaat Mato Grosso (ebenfalls Amazonas-Gebiet) derzeit einen weiteren Staudamm und führt die Planungsarbeiten für zwei weitere Großstaudämme am Teles Pires durch. Und für fünf weitere Großstaudämme am Fluss Tapajós sollen zur Zeit die Planungsarbeiten in Angriff genommen werden. Diese Projekte am Xingu-Fluss, Teles Pires-Fluss und am Tapajós-Fluss beeinträchtigen direkt die Lebensgrundlage und direkte Umwelt der indigenen Gruppen Munduruku, Kayabi, Xikrin, Arara, Juruna, Kayapó, Xipaya, Kuruaya, Asurini und Parakanã.

All dies ficht die Allianz nicht an. Clement B. Booth, Mitglied des Vorstands der Allianz SE, sah trotz der von den zivilgesellschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern vorgebrachten Vorwürfe und aktuellen Informationen zur Besetzung der Baustelle keinen Anlaß, die vertraglich von der Allianz zugesicherte Deckung infragezustellen. Herr Clement B. Booth brauchte zwei Anläufe, um die Frage von Frau Verena Glass (“Welche Folge hätte ein vom Obersten Gericht Brasiliens ausgesprochnener Baustopp für Ihre Firma: Wären Sie gegenüber den Baufirmen regresspflichtig? Deckt Ihre Versicherung das Risiko eines gerichtlichen Baustopps ab? Falls nicht, werden Sie im Falle einer Baustopps auf Erhalt ihrer Prämien bestehen?“) anzufangen zu beantworten. Die Frage musste später noch einmal verlesen werden, bevor Herr Booth antwortete, der Baustopp sei nicht durch die Allianz versichert und die Allianz habe bislang 50 Prozent der vertraglich zugesicherten Prämien erhalten. Die Prämien flössen regelmäßig. Die mit solchen Großprojekten einhergehenden Probleme würden, so Booth, aufgewogen durch die Vorteile klimaschonender Energieproduktion. Gerade letztere Aussage wurde von den Vertreterinnen und Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen in Zweifel gezogen und als die Realität verdrehend dargestellt. Auf die Frage (“Haben Sie überhaupt Kenntnis über die Situation der Betroffenen vor Ort? Hat jemals auch nur ein Vorstandsmitglied sich die Mühe gemacht, mit einem oder einer der Betroffenen zu reden? Oder unterschreiben Sie nur die Verträge und stecken die Millionenprämie ein?“) antwortete Herr Booth, die Allianz stünde in engem Kontakt mit ihrem Vertragspartner, dem Betreiberkonsortium.

Auf die Frage (“Zur Allianz-Gruppe zählt die Allianz Climate Solutions (ACS): diese „ist das Kompetenzzentrum der Allianz Gruppe rund um den Klimaschutz mit dem Fokus auf Erneuerbare Energien“. Dr. Armin Sandhövel ist CEO der Allianz Climate Solutions. Noch im Juni 2010 hat er brasilianischen Medien zufolge gesagt, die mit dem Bau großer Wasserkraftwerke wie Belo Monte einhergehenden Schwierigkeiten würden die Allianz von solchen Projekten fernhalten. ER ERWÄHNTE BELO MONTE HIERBEI EXPLIZIT ALS NEGATIVBEISPIEL, das man nicht absichern wolle.“) antwortete die Allianz, Herr Sandhövel bestreite diese Aussage.

So verbleibt diesem Blog diesbezüglich nur, auf diese Internetseite zu verweisen.

Die Reden in voller Länge können auf der Internetseite des Dachverbands der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre eingesehen werden.

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