Alle Jahre wieder, am 8. November, 8 Tage nach Allerheiligen, füllen sich die Friedhöfe im bolivianischen Altiplano mit Ñatitas, kunstvoll geschmückten Totenköpfen, und ihren Besitzerinnen. Die Schädel sind wichtige Begleiter in vielen bolivianischen Haushalten: sie halten Diebe ab, bringen Kunden ins Geschäft oder helfen den Kindern durch Schule und Studium. Oft sind es die Gebeine längst verstorbener Vorfahren, sie werden vererbt oder verschenkt, sie haben einen Namen und gehören zur Familie.
Für ihre Arbeit werden sie einmal im Jahr gehuldigt: geputzt, mit Hüten und Tüchern geschmückt, ein paar Zigaretten zwischen die Zähne geklemmt, pilgern die Familien mit ihren ñatitas auf den Friedhof, wo die Schädel auf Blumen gebettet einer Messe lauschen dürfen. Normalerweise.
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Dieses Jahr jedoch erließ der Erzbischof von La Paz, Edmundo Abastoflor, einen Runderlass an die Priester, der den Schädelkult als unchristlich geißelte und seinen Untergebenen kurzerhand verbot, einen Segen über die schönen Schädel zu sprechen. Dieser Erlass brachte seinen Kollegen auf dem Friedhof von La Paz ziemlich ins Schwitzen, der sich einer mit Totenköpfen bewehrten Menschenmenge ausgesetzt sah, die wütend den Segen für die Ñatitas verlangte. Erst nachdem die furiosen Schädelträger die Straße vor dem Friedhof stundenlang blockierten, und der arme Mann Gottes sich neben dem Unmut der Gläubigen auch den Zorn Hunderter Busfahrer zugezogen hatte, lenkte er ein und gab den geschmückten Knochen, was ihnen seit jeher zusteht.
Und so konnten die Ñatitas von La Paz auch dieses Jahr glücklich und zufrieden auf ihren angestammten Platz auf den Hausaltar oder ins Bücherregal zurückkehren, um ein weiteres Jahr diskret ihren Dienst zu verrichten.
PS – Wunderschöne Ñatita-Fotos von Roberto Bear-Guerra gibt’s auf flickr:
http://www.flickr.com/photos/pritheworld/sets/72157603039547573/show/