Kohle ist eines der wichtigsten Exportprodukte Kolumbiens. Doch der schwarz glänzende Energieträger wird allzuoft unter Verletzung von Arbeits- und Umweltstandards abgebaut. Für die Kohle, die auch in Deutschland verheizt verheizt wird, wird aber auch vertrieben, bedroht und gemordet. Eine Tatsache, die deutsche Stromkonzerne weitgehend ignorieren, die aber auf den Hauptversammlungen von EON, RWE und Co. Thema war.
„Deutsche Unternehmen sollten keine Geschäfte mit einem Unternehmen machen, das die Rechte der Wayúu so mit Füßen tritt wie Cerrejón“, sagt Oscar Guariyu und legt die Stirn in Falten. Er ist einer der gewählten Vertreter der knapp 144.000 Menschen zählenden Volkes der Wayúu, die im Norden Kolumbiens leben und mit einer der größten Kohleminen der Welt um ihre Existenz kämpfen. Cerrejón heißt die riesige Mine und sie liegt im Verwaltungsdistrikt La Guajira, einer trockenen, sehr heißen Region Kolumbiens. Dort leben die Wayúu traditionell von Land- und etwas Viehwirtschaft. „Um anzubauen brauchen wir Ackerland und Wasser“, erklärt der 47-jährige Wayúu-Vertreter.
Beides ist jedoch nur bedingt vorhanden. „Der Bergbau bedroht unsere Lebensweise“, so Guariyu. Das UN-Flüchtlingskommissariat hat mehrfach auf die zunehmende Gewalt gegen die Wayúu aufmerksam gemacht. Paramilitärs stecken wie so oft in Kolumbien hinter diesen gewaltsamen Vertreibungen, doch die Lebensbedingungen der Wayúu haben sich aufgrund der Ausdehnung der Bergbauaktivitäten auch sichtlich verschlechtert. „Wir leben direkt an der Mine, im Reservat von Provincial bei Barrancas, und der Wind bringt den Kohlenstaub zu uns. Auch das Wasser ist immer wieder verunreinigt, so dass die Zahl der Kranken gestiegen ist. Doch wir wollen unser Territorium nicht verlassen. Es ist das Land unserer Väter“, erklärt Guariyu und rückt seinen überaus farbenprächtigen Kopfschmuck zurecht. Es ist ein Hilferuf, den Guariyu an die internationale Gemeinschaft, die Importeure der Kohle richtet. Sie sollen Druck ausüben, damit in der Mine Cerrejón die Abbaupraktiken geändert werden. Mehr Umweltschutz, weniger Kontamination und keine Verdrängung, so lauten die Forderungen der Wayúu.
„Sie hat nie jemand ernsthaft gefragt, ob sie mit den Bergbauaktivitäten vor der eigenen Haustür einverstanden sind“, so Petra Langheinrich vom Anwaltskollektiv „José Alvear Restrepo“. Die international bekannte Menschenrechtskanzlei vertritt indigene und afrokolumbianische Gemeinden, die in der Region leben und zumindest teilweise gewaltsam vertrieben wurden. Internationalen Konventionen zufolge müssen die indigenen und afrokolumbianischen Gemeinden vor Aufnahme der Bergbauaktivitäten gefragt werden, ob sie damit einverstanden sind. Das hat allerdings das Cerrejón-Konsortium, welches aus den drei großen Bergbaukonzernen Anglo American, BHP Billiton und Xstrata besteht, nie wie vorgeschrieben getan. „Bis heute ist beispielsweise die brutale Vertreibung des afrokolumbianischen Gemeinde El Tabaco von 2001 nicht korrigiert wurden – es gab nie die gesetzlich verfügte Umsiedlung und auch die Reparationen sind vielen Familien nicht gezahlt worden“, so Langheinrich. Sie kritisiert, dass sich das Unternehmen in der Öffentlichkeit als verantwortliches Unternehmen darstellt, aber de facto an echten Verhandlungen mit den Betroffenen nicht interessiert ist. „Wir sehen angesichts dieser Tatsachen die deutschen Unternehmen, die diese Kohle aus Kolumbien importieren, zumindest aus sozialer und ethischer Perspektive in einer Mitverantwortung. Das betrifft Vattenfall, RWE, Steag, EON und EnBW“.
Alle diese Unternehmen beziehen angesichts auslaufender deutscher Kohleproduktion immer mehr Kohle aus dem Ausland – aus Kolumbien, Russland und den USA vor allem. In Kolumbien wird nicht nur auf der Halbinsel La Guajira sondern auch im Verwaltungsdestrikt Cesar Kohle en Gros abgebaut.Einer der großen Investoren ist der US-amerikanische Kohlekonzern Drummond, der in den USA angeklagt ist direkt mit Paramilitärs kooperiert zu haben und die Ermordung von drei Gewerkschaftsführern in Auftrag gegeben zu haben. Bewiesen ist hingegen schon, dass der US-Konzern die Paramilitärs über den Wirt der Werkskantine finanzierte. Der sitzt nach einem Prozess in Kolumbien mittlerweile in Haft. Das könnte den Konzernverantwortlichen auch passieren, denn in den USA wird verhandelt und die Indizien- und Zeugenaussagen wiegen schwer. So schwer, dass Sebastian Rötters von der Menschenrechtsorganisation FIAN auf der Hauptversammlung von RWE nachfragte, ob der Konzern auch weiterhin Steinkohle aus Kolumbien von Drummond beziehe. Joachim Löchte, RWE-Umwelt- und Nachhaltigkeitsverantwortlicher, schloss das zwar im April auf der Hauptversammlung aus wie aus einem WDR-Beitrag hervorgeht. Gleichwohl sagte er, dass RWE einen weiteren Prozess bzw. dessen Zulassung in den USA zum Anlass nehme, ob die vertraglichen Beziehungen, die derzeit nur ausgesetzt sind, storniert werden oder eben nicht.
Für Rötters und Urgewalt-Sprecherin Heffe Schücking unbefriedigende Antworten. In den Augen von Oscar Guariyu zuwenig, die deutschen Steinkohleimporteure sollten ihren Irrweg korrigieren, fordert er: „Ohne internationalen Druck auf die Unternehmen werden sie die Abbaubedingungen nicht ändern und ihren Verpflichtungen nicht nachkommen“.