vonPeter Strack 29.08.2012

latin@rama

Seit 2008 Nachrichten vom anderen Ende der Welt und anderswoher.

Mehr über diesen Blog

Letztens waren es die Gegner des Strassenbaus mitten durch das Indigene Territorium und Naturschutzgebiet TIPNIS, heute  Journalisten, denen der Zugang zur Plaza Murillo verwehrt wurde, wo Praesident Evo Morales „dem Volk gehorchend“ die Regierungsgeschaefte fuehrt. Anlass sind Proteste der Pressemitarbeiter, die nicht einsehen, warum Kollegen von der Regierung wegen Aufstachelung zu Rassenhass angezeigt werden. Sie sollen eine Rede des Praesidenten verfaelschend wiedergegeben haben, um  das Tiefland gegen das Hochland aufzubringen.

Diesmal in eigener Sache: Journalistenprotest vor Polizeischilden in La Paz   Quelle: ERBOL
Diesmal in eigener Sache: Journalistenprotest vor Polizeischilden in La Paz Quelle: ERBOL

Evo Morales hatte auf einem Treffen mit einem hochrangigen Weltbankvertreter in Tiwanaku zum Thema Nahrungsmittelsicherheit gesagt, dass, wenn im bolivianischen Tiefland jemand Hunger leide, dann weil er faul sei „solo por flojos podemos hambrear“. Er erwaehnte Hagel und Kaelte im Hochland, aber nicht die durch die radikalen Abholzungen verursachten zunehmenden Ueberschwemmungen im Tiefland, die immer haeufiger Not hervorrufen. Die Nachrichtenagentur FIDES hatte neben dem wortgetreuen Zitat im Text, in der Schlagzeile aus dem Adjektiv ein Substantiv gemacht. „Evo sagt, wer im Tiefland hungert, dann aus Faulheit“. Das, so die Regierung sei eine tendenzioese Verfaelschung. Die Worte des Praesidenten seien vielmehr motivierend gemeint gewesen und von FIDES aus dem Kontext gerissen worden.

Gewiss hat die oppositionelle Presse in der Vergangenheit jedweden verbalen Fehlgriff des Praesidenten genuesslich aufgegriffen und wird es in Zukunft sicher auch tun, zumal wenn die Regierung ihm solches zusaetzliches Gewicht gibt. Manche Medien gingen auch deutlich weiter als FIDES und spitzten die Aussage unnoetig zu. Doch im Falle der missliebigen katholischen Nachrichtenagentur koennen semantische Spítzfindigkeiten nicht darueber hinweg taeuschen, dass hier statt dem Autor der Botschaft, die Boten geschlagen werden sollen. Warum werde das Antidiskriminierungsgesetzt herangezogen nicht das Pressegesetz?, fragen die Journalisten. Und es fehlt nicht der regierungstreue Abgeordnete, der eine Novellierung des Pressegesetzes fuer notwendig haelt, dessen Anwendung die Regierung in ihre Schranken weisen wuerde.

Als Paul Laffargue Ende des 19. Jahrhunderts sein „Recht auf Faulheit“ schrieb, war dies als Kritik am kapitalistischen Arbeitsethos gemeint, nicht an dem haeufig harten Ueberlebenskampf der Bauern im bolivianischen Hochland, den Evo Morales „manchen“ Tieflandbewohner als Beispiel vorstellte. Trotzdem ist der Vorfall ein Symptom fuer die vor allem im TIPNIS-Konflikte gewachsene Entfremdung der Regierung insbesondere von den laendlichen, indigenen Kulturen des Tieflandes. Nicht bei ihnen, sondern im plurinationalen Staat scheint etwas faul.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/latinorama/bolivien-vom-unterschied-zwischen-faulheit-und-faul-sein/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Jetzt gerade in Deutsche Welle (USA) ueber den Aerztemangel in Deutschland – besonders in Landgemeinden. Die Insel Batrum bangt weil ihre alte deutsche Aerztin aufhoeren will, und die Gemeinde sucht verzweifelt nach einem Arzt. Aber die Nachbarinsel hat jetzt einen neuen Arzt gefunden – von BOLIVIEN – Dr. Luis Alberto Gonzalez (?) Campanini. (Inzwischen wurden in Kuba ueber tausend Bolivianer als Aerzte ausgebildet. Angeblich 2,500). Un consejo para Ud. – amigo Strake – ha llegado el tiempo de regresar a su patria y dejar a los Bolivianos de manejar su destino propio! (Don’t overstay the welcome…)

  • Einfach dem Youtube Link folgen, da kann der Text komplett gehoert werden. Und in dem von Ihnen zitierten Teil steht ja auch noch etwas von „fehlendem Willen“, das spricht nicht unbedingt fuer die Uebersetzung als „Schwaeche“.

  • Morales hat laut ‚Nacional‘ dieses gesagt:

    „En el Oriente boliviano, donde todo el año se produce, yo digo solamente por falta de voluntad podemos ser tan pobres o no poder tener alimento, mientras en el Altiplano es diferente: si hay helada, si no hay lluvia, si hay granizada, no hay alimento, es una verdad eso, pero en el Oriente no, sólo por flojos podemos hambrear“.

    Wo man da die Faulheit reinlesen möchte, ist mir schleierhaft. Übersetzen müsste man nämlich, da das Wort „flojo“ eindeutig auf die vorherige Aussage zum fehlenden Willen Bezug nimmt:

    „Im Osten Boliviens, wo während des ganzen Jahres produziert wird, da sage ich, können wir nur aus fehlendem Willen so arm sein oder keine Nahrung haben, während es in der Hochebene anders ist: wenn es da Eis gibt und keinen Regen, wenn es hagelt, dann ist das eine Wahrheit, aber im Osten nicht, da können wir nur Hungern, weil wir schwach sind.“

  • „Podrido“ in Bolivien sind die katholischen Agenten von Europa! Warum befassen Sie sich mit solchen belanglosen „historias de comadres“ ? Offensichtlich weil Sie in Bolivien fuer die deutschen katholischen Bischoefe wirken…Tenga un poco de verguenza, por favor!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert