vonKnut Henkel 05.12.2010

Latin@rama

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Seit Dezember 2009 sitzt Alan Gross in einer kubanischen Gefängniszelle. Spionage wird ihm vorgeworfen, weil er illegal Laptops und Mobiltelefone in der jüdischen Gemeinde Havannas verteilte – im Auftrag der US-Regierung.

Am 3. Dezember 2009 wollte Alan Gross über den interantionalen Flughafen José Marti von Havanna Kuba verlassen. Doch beim Einchecken griffen die kubanischen Grenzbeamten zu und setzten den Mann, der binnen neun Monaten immerhin fünf Mal mit einer Touristenkarte nach Kuba eingereist war, fest. Alan Gross, ein Mann jüdischen Glaubens mit Rauschebart und im fortgeschrittenen Alter, war im Auftrag der US-Regierung in Havanna im Einsatz. Sein Auftrag sei es gewesen, so Gross Ehefrau Judy in einer Video-Botschaft, „die Kommunikation innerhalb der jüdischen Gemeinde in Kuba und deren Internetzugang zu verbessern“. Dazu war Gross zwischen März und Dezember 2009 gleich fünfmal nach Kuba eingereist. Jedes Mal mit einem einfachen Touristenvisum und im Auftrag von Joint Business Development Center (JBDC). Da ist Alan Gross angestellt und das Unternehmen arbeitet als Dienstleister im Auftrag der staatlichen US Agency for International Development (USAID). In dieser Mission war Gross in Kuba unterwegs und demzufolge hat er gegen Kubas Einreisebestimmungen verstoßen. „Ein erster Fehler“, erklärt Wayne S. Smith „und der zweite ist, dass Gross in Havanna Sattelitentelefone und andere Kommunikationsgeräte verteilt hat“. Smith kennt sich aus, denn er gehört nicht nur zu den profilierten Beobachtern der kubanisch-amerikanischen Beziehungen, sondern leitete zwischen 1979 und 1982 auch die Interessensvertretung der USA in Havanna. In Kuba ist der Vertrieb der sündhaft teuren Satellitentelefone, Stückpreis zwischen 1500 und 5000 US-Dollar, ohne entsprechende Lizenz strikt verboten.

Obendrein ist es jedoch auch verboten Geld oder jegliches Material, welches von der US-Regierung, ihren Einrichtungen oder Repräsentanten stammt, zu verteilen. Darauf stehen laut dem Gesetz Nummer 88 von 1999 Haftstrafen von drei bis acht Jahren. Eine Tatsache, die auch Gross hätte bekannt sein müssen bevor er einreiste. Vollkommen unklar ist zudem die Frage, woher der vermeintliche US-Spion in Kuba als Spion geltende Mann sein Equipment bekommen hat? Im Koffer wird er es nur schwerlich transportiert haben und so stellt sich die Frage, ob die US-Interessensvertretung in Havanna ihn beliefert hat?

Opfer der eigenen Auftraggeber

Demnach wäre Gross, der Mitte August zum ersten Mal Besuch von seiner Frau Judy in Havanna empfangen durfte, ein Bauernopfer einer nicht sonderlich zeitgemäßen US-Politik gegenüber Kuba. „Die hat sich mit dem Amtsantritt von Barack Obama nicht wesentlich verändert“, kritisiert Wayne S. Smith.  „Die „Programme zur Förderung der Demokratie“ sind nach wie vor in Kraft und trotz aller Erwartungen ist es nicht zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Havanna und Washington gekommen“. Für Alan Gross ein Dilemma, denn trotz aller Appelle aus Washington scheint Havanna nicht zur Freigabe des IT-Spezialisten aus Potomac in Maryland bereit. Kein Zufall, schreibt Arturo López-Levy, ein jüdischer Wissenschaftler von der Universität von Denver. Der kennt nicht nur die jüdische Gemeinde in Havanna bestens sondern auch die politischen Verhältnisse auf der Insel aus und teilt die Einschätzung von Wayne Smith wie sein Beitrag im „Jewish Daily Forward“ belegt. Gross sei nicht festgenommen, weil er Jude sei und auch nicht weil er der jüdische Gemeinde geholfen habe besser vernetzt zu sein, sondern weil er auf dem Lohnzettel der US-Regierung stand. Er wurde als „Förderer des Regimewechsel und in Feindesland gefangen“, schreibt López-Levy. In Washington ist diese Sicht nicht gerade beliebt. Da wird Gross gern als Entwicklungshelfer bezeichnet und US-Außenministerin Hillary Clinton hat mehrfach an die kubanische Seite appelliert, dass die Freilassung von Gross aus humanitären Gründen die Beziehungen zwischen Havanna und Washington verbessern würde. Die sind jedoch alles andere als gut, weil Barack Obama letztlich die Politik seines Vorgängers fortsetzt, kritisiert Wayne S. Smith. So steht Kuba nach wie vor auf der Liste der des Terrorismus verdächtigen Staaten und auch die Propagandasender Radio und TV Martí senden ihre journalistisch fragwürdigen Formate. Laut Smith die falschen Signale in Richtung Havanna. Ein wesentlicher Grund, weshalb Alan Gross auch ein Jahr nach seiner Festnahme in Haft sitzt.Bisher ist noch keine Anklage erhoben worden, aber die Ermittlunge laufen der Staatsanwaltschaft zufolge gut. Für Judy Gross ein Graus. Die Ehefrau, die längst nach Washington gezogen ist, um Druck auf die US-Regierung auszuüben, damit sie mehr für ihren Mann in Havanna tut, hofft, dass ihr Mann ohne viel Aufhebens freigelassen wird. Darum hat sie in Briefen an Kubas Staatschef Raúl Castro gebeten und auch US-Außenministerin Hillary Clinton hat gerade wieder an Havanna appelliert Gross freizulassen.

Doch weshalb Havanna Alan Gross, der gegen diverse Gesetze verstossen hat, freilassen sollte, das sagt sie nicht und was Gross eigentlich in Havanna machen sollte, auch nicht. Für Clintons Mann in Havanna schlechte Vorraussetzungen, um aus dem Militärhospital, wo er untergebracht ist, herauszukommen.

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kommentare

  • Interessanter Artikel, Herr Henkel.

    Demnach wäre Gross, der Mitte August zum ersten Mal Besuch von seiner Frau Judy in Havanna empfangen durfte, ein Bauernopfer einer nicht sonderlich zeitgemäßen US-Politik gegenüber Kuba. „Die hat sich mit dem Amtsantritt von Barack Obama nicht wesentlich verändert“, kritisiert Wayne S. Smith.

    1. Wayne S. Smith scheint ein interessanter, aufrichtiger Mensch zu sein.
    2. Dass Obama die Politik gegenüber Kuba nicht einmal ansatzweise geändert hat, empört mich schon seit längerem.

  • Und weil diese Leute auf der Gehaltsliste der USA stehen, ist es Spionage und wenn Kubaner, die sogenannten “Dissidenten”, auf der Gehaltsliste der USA stehen, ist es Hochverrat. Das führt zu langen Gefängnisstrafen.
    Der gute Mann ist instrumentalisiert worden, von denen gibt es viele ob als Grenzgänger im Iran oder Nordkorea.
    Da lobe ich mir den kubanischen Zoll, alle jung und nett, aber zupackend und standhaft. Gute Ausbildung!

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