Costa Rica war das erste Land Mittelamerikas, welches die Infektions-Schutzmaßnahmen lockerte. Seit dem 16. Mai ist der Strandbesuch genauso möglich wie der im Kino. Davon sind Länder wie El Salvador, Panama oder Honduras weit entfernt. Der zentrale Grund für die Lockerung sind sinkende Neuinfektionszahlen. Bisher zehn Tote bei 1342 Corona-Infizierten sind ein Erfolg. Der hat Hintergründe.
Costa Ricas Gesundheitsminister Daniel Salas ist ein vorsichtiger Mann. So mahnt er auch gut drei Wochen, nachdem das mittelamerikanische Land die ersten Lockerrundmaßnahmen zum 16. Mai bekannt gab, zur Disziplin. Ohne die seien alle Lockerungsmaßnahmen nicht vorstellbar. Distanz halten, bei etwaigen Symptomen zu Hause bleiben, das sei die goldene Regel, so der Mediziner, der selbst Epidemiologie studiert hat.
Von den Maßnahmen, die die Regierung in San José verfügt hat und die bisher nicht zum Bumerang wurden, können nicht nur die Nachbarländer träumen, sondern auch viele Länder Europas. Seit Mitte Mai sind die Strände, aber auch die Hotels wieder geöffnet, wenn auch mit halber Auslastung. Selbst der Kinobesuch mit Mindestabstand von 1,8 Metern ist erlaubt.
Diese Lockerungen haben ihren Hintergrund. Mit zehn Toten, 1342 Infizierten und einer Zahl von kaum mehr als 20 Neuinfektionen pro Tag scheint das Corona Virus in Costa Rica weitgehend unter Kontrolle. Zumal das Land über ausreichend Kapazitäten in den Krankenhäusern verfügt. Von den positiv Getesteten haben sich bereits 712 erholt und nur wenige Menschen sind an Covid-19 schwer erkrankt.
Die Fakten haben dazu beigetragen, dass sich die Regierung in San José zur Lockerung des Lockdowns entschieden hat. Und das Vertrauen in ein Gesundheitssystem, das flächendeckend präsent ist – ein Vorteil gegenüber den Nachbarländern wie Panama, Nicaragua oder den weiter nördich gelegenen Honduras, El Salvador oder Guatemala.
1043 Basiseinheiten zur Gesundheitsversorgung, Ebais genannt, stehen landesweit zur Verfügung – ausgestattet mit einer Ärzt*in, Pflegepersonal, technischem Personal und einer kleinen Apotheke. Das garantiere den gut fünf Millionen Ticos, wie sich die Menschen in Costa Rica nennen, den Zugang zur Gesundheitsversorgung, so der ehemalige Dekan der medizinischen Fakultät an der öffentlichen Universität San Josés, Luis Bernardo Villalobos.
Diese Gesundheitsstationen haben in der Pandemie den Kontakt zu Infizierten per Hausbesuch und über WhatsApp gehalten und für die Überweisung in größere und spezialisierte Kliniken gesorgt, wenn die Symptome sich verschlechterten. Davon hat das kleine Land, in etwa so groß wie Niedersachsen, rund zwei Dutzend und diese Netz sei dank der Reformen zu Beginn der 1990er Jahre mittlerweile konsolidiert, so Villalobos stolz. Der 74-jährige ist einer der Gesundheitsexperten, die den nationalen und internationalen Medien immer wieder Rede und Antwort stehen, wenn es darum geht, weshalb Costa Rica so viel besser dastehe als die Nachbarn.
Das Gesundheitssystem ist für Villalobos aber nur ein Faktor. Ein weiterer ist die Tatsache, dass nahezu alle Costa-Ricaner*innen an das Trinkwassersystem des Landes angeschlossen sind. Das stetige Händewaschen sei in Costa Rica kein Problem, selbst Tankwagen in den Städten haben die Behörden aufstellen lassen – für das Händewaschen zwischendurch. Ein immenser Vorteil in der Pandemie, den auch internationale Organisation wie die Weltgesundheitsorganisation oder das Weltwirtschaftsforum (WEF) bereits hervorgehoben haben.
Ein flächendeckendes Trinkwassersystem kann nur Chile in Lateinamerika vorweisen, aber keines der Nachbarländer, wo die Infektionszahlen trotz Lockdown langsam aber kontinuierlich steigen. Zudem ist das System in Costa Rica öffentlich und deutlich günstiger als in Chile, so Villalobos im Skype-Interview.
Kurswechsel in den späten 1940er Jahren
Die Basis für den Umbau des Landes zum Wohlfahrtsstaat mit starkem Gesundheits- und Bildungssystem sei 1949 gelegt worden. Da fiel die Entscheidung, fortan auf die Armee zu verzichten und das freiwerdende Geld in Bildung, Soziales und Gesundheit zu investieren. „Unser bester Impfstoff ist die disziplinierte und qualifizierte Bevölkerung neben dem soliden Gesundheitssystem“, so Villalobos.
Das lässt sich das Land etwas kosten: Acht Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) werden offiziellen Quellen zufolge für die Bildung, weitere sechs Prozent für die Gesundheit ausgegeben. Regional nimmt Costa Rica damit eine Spitzenposition ein und profitiert heute von den Entscheidungen der Vergangenheit.
Villalobos war einer der Architekten der Neustrukturierung des Gesundheitssystems, dass neben den Ebais über ein Netz von rund zwei Dutzend Kliniken verfügt, die gut ausgestattet sind und wo ausreichend Schutzmaterilien zur Verfügung stehen. Zwar ist die Zahl von rund 400 intensivmedizinischen Betten nicht sonderlich hoch, bisher war sie allerdings ausreichend und die Regierung bzw. Minister Salas haben zu Beginn der Corona-Krise, die Kapazitäten noch einmal ausgebaut. So ist es gelungen, die Verbreitung des Virus zu begrenzen.
Das konzentriert sich bisher auf die großen Städte des Landes, auf die Hauptstadt San José und das benachbarte Alajuela. Abseits der Hauptstadtregion sind nur wenige Infektionsfälle aufgetreten und das ist ein Erfolg der Maßnahmen der Regierung, die am 16. März den nationalen Ausnahmenzustand verhängte, die Schulen und alle nicht notwendigen Einrichtungen und wenig später die Grenzen für Ausländer schloss.
Dazu gehört laut Villalobos aber auch, dass die Bevölkerung diszipliniert und einsichtig reagierte, und sich ohne Sperrstunde, Ausgangssperre und CO. an die Empfehlungen der Experten um Gesundheitsminister Daniel Salas hielt. Die agiert weiter umsichtig, forciert die Entwicklung eigener Testkits im Land und plädiert auch für die Abwasserkontrolle. Mit Test lassen sich, so Villalobos, Rückstände der Viren nachweisen und potentielle Herde erkennen. Auf diser Basis will man ein Frühwarnsystem installieren.
Genauso beeindruckend wie die Tatsache, dass auch alle Migranten im Land ganz selbstverständlich behandelt und versorgt werden. „Unsere Sozialversicherung ist universell – sie gilt für alle. Für Arbeitsmigranten aus Nicaragua genauso wie für gestrandete Touristen. Alle werden versorgt, auch wenn sie nicht zahlen können“, erklärt er den humanitären Ansatz. Auch der ist nicht gerade selbstverständlich in einem mittelamerikanischen Land – in Costa Rica allerdings schon. Jüngstes Beispiel ist die Behandlung von an Covid-19 erkrankten Fernfahrern aus Honduras und Guatemala – unentgeltlich.
Wir sind ein Land von Bürgern, die leicht zu überzeugen sind. Aber es wird mit polizeistaatlichen Methoden gegen uns vorgegangen, wo Überzeugung erforderlich ist. Von Überzeugungsarbeit spüre ich wenig, es wird viel zu wenig erklärt. Da die staatliche Seite versagt, finden Esotheriker Gehör, mit den entsprechenden Folgen. Hier in Krefeld waren gestern 645 Infizierte gemeldet, bei fünffacher Dunkelziffer wären das über 3000. Die laufen überall herum. Wir sind, trotz schwerwiegender Eingriffe ins Leben, nicht sicher.
Da läuft etwas falsch in unserem Staat. Wenn ich es richtig sehe, ist die Bevölkerung disziplinierter als unser Staat. Dann möchte ich wenigstens ein app mit zentraler Erfassung! Die Zentrale bitte nicht im ehemaligen Schäuble-„Ministerium für besondere Aufgaben“. Allein auf die Art der Besetzung der Zentrale kommt es an.
Fragen wir Villalobos in Costa Rica!