Am 23. März sind in Bolivien alle Freizeitkapitäne auf den Beinen. Dann ist der „Tag des Meeres“ und wie jedes Jahr hat Präsident Evo Morales auch diesmal versprochen, dass Bolivien in absehbarer Zeit seinen Zugang zum Meer erhalten werde.
„Die Chilenen wären verrückt, wenn sie uns auch nur einen Zipfel zurückgeben würden. Sie verdienen doch gut damit“, erklärt Richard Udler und lässt eine Blaskapelle der Marine an sich vorbeiziehen. Am 23. März ist Marschmusik angesagt rund um das Verteidigungsministerium, das heute mit zwei riesigen Transparenten dekoriert ist. Ein großes Frachtschiff ist auf dem einen zu sehen, auf dem anderen ein Kriegschiff. Der Tenor auf den beiden bunten Bannern ist der Gleiche. „Wir wollen unseren souveränen Zugang zum Meer wiederhaben“, lautet er und glaubt man Präsident Evo Morales, dann stehen die Chancen dafür gar nicht schlecht.
Morales hat der Nation versprochen, dass Bolivien vor die internationalen Gerichte ziehen wird, um Chile zu zwingen, zumindest einen Teil von dem zurückzugeben, was es 1879 gewann. Da verlor Bolivien an der Seite Perus den Salpeterkrieg und den Zugang zum Meer. Die Geschichte ist dramatisch, denn an dem besagten 23. März verstarb Eduardo Avaroa, Boliviens Nationalheld. Der – ein Zivilist – hatte sich einer hochgerüsteten chilenischen Übermacht entgegengestellt, nachdem das eigene Heer verloren hatte und war mit den Worten „Ich? Mich ergeben? Soll sich deine Oma ergeben – carajo!“ in den Tod gegangen. Die markigen Worte finden sich in jedem bolivianischen Schulbuch, und die Urne mit der Asche des Kämpfers wird am 23. März ebenfalls durch die Straßen von La Paz getragen.
400 Kilometer Küste und 120.000 Quadratkilometer Fläche hat Bolivien mit der Niederlage im Salpeterkrieg eingebüßt, das hat man den Nachbarn im Süden nie vergessen. Nun also soll die historische Niederlage gut 130 Jahre später ein juristisches Nachspiel haben.
In seiner elfminütigen Rede mahnt Evo Morales jedoch zur Geduld, denn eine derart komplizierte Rechtssache brauche Zeit. Auf welches juristisches Fundament sich die Bolivianer hingegen beziehen wollen, ist den Kollegen weiter südlich jedoch nicht so recht klar. Alfredo Moreno, Chiles Außenminister, bedauerte, dass Bolivien ein „juristische Strategie ohne Fundament“ verfolge. Das sieht man in der bolivianischen Politik zwar anders, aber überzeugende Gegenargumente fehlen.
Daher liegt es nahe, dass wie alle Jahre wieder nur die populistische Trommel gerührt wird. Für Ricardo Udler, der auch schon als Kind hier in Marineuniform entlang marschiert ist, ist der 23. März nicht viel mehr als ein nationales Spekatakel. „Aber ich komme immer wieder gern, um es mir anzuschauen,“ erklärt der Mediziner mit einem breiten Lächeln.