vonKnut Henkel 06.10.2011

Latin@rama

Politik & Kultur, Cumbia & Macumba, Evo & Evita: Das Latin@rama-Kollektiv bringt Aktuelles, Abseitiges, Amüsantes und Alarmierendes aus Amerika.

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Hollman Morris (42) ist über die Fernsehsendung „Contravía“ mit gut recherchierten Reportagen über das andere Kolumbien bekannt geworden. So bekannt, dass er derzeit mit einem Stipendium der Harvard University in Washington arbeitet. In Kolumbien ist es zu gefährlich für ihn. Ende September erhielt er den Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg für seine Arbeit.

Vor drei Wochen hat der Oberste Gerichtshof in Kolumbien den ehemaligen Geheimdienstchef Jorge Noguera zu 25 Jahren Haft wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Wie denkt jemand, der vom Geheimdienst systematisch bespitzelt wurde, über ein solches Urteil?

Es ist ein Fortschritt, ein Signal des Obersten Gerichtshofs an die Demokratie und die demokratischen Strukturen in Kolumbien. Mit dem Urteil ist bewiesen, dass der Geheimdienst DAS von Paramilitärs infiltriert wurde. Das hatten Recherchen von Journalisten der Wochenzeitung „Semana“ und andere Medien ans Tageslicht gefördert. Allerdings sollte man in diesem Kontext nicht vergessen, dass der damalige Präsident Álvaro Uribe Vélez sich trotz erster Beweise öffentlich vor seinen Geheimdienstchef gestellt hatte, ihn als guten Jungen bezeichnet und die Journalisten der „Semana“ vehement beschimpft hatte. Warum? Weil sie akribisch recherchiert hatten. Ihnen wurde vom obersten Repräsentanten des Landes unterstellt, dass sie ihre Arbeit nicht richtig gemacht hätten. Auch aus dieser Perspektive, der eines Journalisten, halte ich das Urteil für sehr wichtig.

Der DAS hat auch systematisch oppositionelle Politiker, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten wie Sie ausspioniert …

Ja, und da steht ein Urteil gegen Noguera und die anderen Verantwortlichen noch aus.

Hollman Morris musste wegen seiner hartnäckigen Recherchen Kolumbien verlassen und lebt derzeit in den USA.ist
Hollman Morris musste Kolumbien verlassen, weil er dort immer wieder bedroht wurde. Derzeit lebt er in den USA und arbeitet an einer Studie zum kolumbianischen Geheimdienst

Sie haben Kolumbien vor einem Jahr verlassen, weil Sie und ihre Familie nicht mehr sicher waren. Denken Sie derzeit an eine Rückkehr?

Es gab zwei Gründe für meine Ausreise. Einerseits war es kaum mehr möglich angesichts der Morddrohungen zu arbeiten, anderseits war ich nach all den Jahren der Arbeit unter diesen Bedingungen ausgebrannt. Ich habe mich daher entschieden eine Pause einzulegen und ein Forschungsstipendium der Harvard Universität anzunehmen.

Eine direkte Konsequenz der achtjährigen Regierungsperiode von Álvaro Uribe Vélez?

Ja, definitiv, denn so wie ich haben viele Kollegen, die über den Konflikt in Kolumbien mit all seinen Facetten berichteten, schlicht Angst. Eine so extreme Situation habe ich in den siebzehn Jahren meiner Berufserfahrung nie erlebt. Ich bin zuvor nie persönlich durch den Präsidenten angegriffen und diffamiert worden.

Denken Sie über eine Rückkehr nach?

Derzeit habe ich meine Arbeit hier in Washington, wo ich mit meiner Familie endlich einmal Luft holen kann. Ich lerne Englisch und arbeite an einer Studie zum Geheimdienst in Kolumbien, habe Verpflichtungen in Washington. Natürlich verfolge ich die Entwicklung in Kolumbien und es ist positiv, dass sich der Ton der Regierung merklich verändert hat. Jedoch macht das die Angriffe aus dem Präsidentenpalast unter dem das gesellschaftliche Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Journalisten sehr gelitten haben, nicht ungeschehen. Eine öffentliche Richtigstellung ist aus meiner Sicht und aus Sicht vieler Kollegen angebracht, denn es war schließlich kein Dorfpolizist, der uns als Feinde der Demokratie bezeichnet hat.

Welche Bedeutung hat aus dieser Perspektive der internationale Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg?

Ich interpretiere den Preis als ein Zeichen dafür, dass Deutschland die Augen öffnet und sich genauer anschaut, was in Kolumbien vor sich geht. Wir brauchen einen Journalismus, der den Opfern der Gewalt eine Stimme gibt und da können Länder wie Deutschland helfen. Und ich betrachte den Preis auch als eine Unterstützung für Contravia, unser Fernsehformat, für das wir viele Reportagen produziert haben, die oft aus dem Ausland finanziert wurden und den journalistischen Nachwuchs. Der muss ermutigt werden zu recherchieren und unbequeme Fragen zu stellen.

Wird das auch wahrgenommen?

Ja, durchaus. So zum Beispiel ist das Ausmaß der Korruption im Ausland mehr und mehr bekannt und es gibt ein Interesse daran zu begreifen, was unter Álvaro Uribe in Kolumbien passiert ist. Das birgt allerdings auch das Risiko, dass man die neue Regierung von Juan Manuel Santos überschätzt, denn nach wie vor gibt es gravierende Menschenrechtsverletzungen.


Welche Bedeutung hat in diesem Kontext die Öffentlichkeitsarbeit der kolumbianischen Botschaften, die in der Vergangenheit die Politik der Regierung Uribe sehr erfolgreich verkauft haben?

Die Marketingstrategie, die Kolumbien als sicheres Land als Land purer Leidenschaft darstellt, basiert auf der Strategie Uribes der „demokratischen Sicherheit“. Das ist allerdings eine Militarisierungsstrategie auf Kosten der Menschenrechte und der persönlichen Freiheit der Kolumbianer. Für das bisschen mehr Sicherheit haben wir Kolumbianer einen hohen  Preis gezahlt und die Ärmsten werden am stärksten zur Kasse gebeten.

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kommentare

  • Hallo Herr Dilger,

    Mit Verlaub dieser Hollman Morris lügt und hat ebenfalls mehrmals die Menschenrechte sehr deutlich verletzt, als er Reportagen gemacht hat. Es ist schon schrecklich, wie die Deutschen doch so sehr auf die linksgerichtete Probaganda gegen Kolumbien hereinfällt.

  • Henn wirkt mal wieder derart fanatisch-delirierend, dass man glauben könnte, die kolumbianische Botschaft würde seine Aussagen im Kommentarbereich der taz bezahlen!

  • Es ist eine Schande, dass ein Terrorristenfreund wie Morris einen Menschenrechtspreis erhaelt. Als Sympathisant einer kriminellen Vereinigung, die die Menschenrechte mit Fuessen tritt, sollte er statt dessen lebenslang hinter Gitter.

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