vonKnut Henkel 26.09.2011

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Die 26. Straße treibt den Menschen in Bogotá tagtäglich den Zorn ins Gesicht, denn eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt ist Baustelle. Da sorgt für Staus, Mißmut und Wut. Zurecht, denn der Umbau der Straße war schlecht geplant, kostet Unmengen an Geld und lässt dubiose Politiker und Baufirmen profitieren. Eine kolumbianische Realitätssatire.

„Die Grupo Nule ist genauso wie der Name des Bürgermeister von Bogotá, Samuel Moreno, zum Schimpfwort geworden. Die beiden sind nicht nur für den täglichen Verkehrsinfarkt in Bogotá verantwortlich, sondern auch für die Veruntreuung von etlichen Millionen Peso“, so Jaime Barrientos. Für den kolumbianischen Journalisten und viele andere Kolumbianer ist die Calle 26, auch prunkvoll Avenida El Dorado genannt, zu einem Symbol von Unfähigkeit, Mißbrauch und Korruption geworden.

Zwar ist Korruption in Kolumbien nichts Neues, aber der Fall der 26., immerhin eine Hauptverkehrsader von Bogotá, sprengt selbst kolumbianische Verhältnisse. Und es ist ausgerechnet der Polo Democrático, die Partei, die jahrelang für den Bruch mit dem konservativem politischen Establishment und dem Klientelismus stand, die den Bürgermeister Samuel Moreno stellt.

Der Transmilenio ist das Schnellbussystem, welches den öffentlichen Nahverkehrs in Bogotá revolutionierte.
Der Transmilenio, Bogotás Schnellbussystem, hat Entlastung gebracht. Doch die neuen Bauabschnitte sorgen für mächtig Ärger..

Folglich hat Samuel Moreno dem Polo Democrático, der einst als ernsthafte Alternative der vereinigten Linken galt, einen Bärendienst erwiesen. Konsequenterweise ist Moreno deshalb auch im Mai aus der Partei ausgeschlossen worden. Aber der politische Schaden ist groß – neben dem ökonomischen, denn die Stadtkasse wohl wieder einmal auszubaden hat.

Begonnen hat alles mit der Entscheidung, auch die Strecke zum internationalen Flughafen von Bogotá an das Transmilenio-Netz anzubinden. So heißt das Schnellbusnetz, das seit einigen Jahren in Bogotá funktioniert und die Neun-Millionen-Metropole vor dem Verkehrsinfarkt bewahrt hat und als preisgünstige Alternative zur Untergrundbahn auch in mehreren Ländern der Region Nachahmer gefunden hat.

Lange Jahre war zuvor über den Bau einer U-Bahn in Bogotá debattiert worden. Unglaubliche Summen verschwanden in dubiosen Kanälen während der Planungsphase, bis im Jahr 2000 der Startschuß für den Transmilenio fiel. Bürgermeister Enrique Peñalosa gilt als Vater des Bussystems, das letztlich wie eine U-Bahn funktioniert. Großraumbusse aus internationaler Produktion pendeln auf einer eigene Fahrspur zwischen zwei Endstationen und fahren mit konkretem Fahrplan – dadurch haben sie der privaten Konkurrenz, die sich durch die normalen Fahrspuren kämpft, einiges voraus.

Zudem sind die Haltestellen zumeist so gebaut, dass auf beiden Seiten ein Ein- und Ausstieg möglich ist, wodurch das Umsteigen in die andere Fahrtrichtung möglich ist, ohne dass man den Bussteig wechseln muss. Ein großer Vorteil,  und da sich die Haltestellen in aller Regel in der Mitte der Straße befinden und die Fußgängerbrücken gut ausgebaut sind, haben meist auch Behinderte die Möglichkeit, das Transportsystem zu nutzen. Das wurde unter Antanas Mockus und Lucho Gazón, den auf Peñalosa folgenden Bürgermeistern, weiter ausgebaut.

Das hatte auch Samuel Moreno vor. Er wollte sich mit dem Bau des Transmilinio zum Flughafen von Bogotá und darüber hinaus ein Denkmal setzen. Doch schon früh begann die Kritik an der ineffizienten Planung des Projekts, mit dem die Unternehmensgruppe Nule betraut wurde. Ein Desaster, denn letztlich ließ die Gruppe die Stadt mit einer Großbaustelle im Stich.

Es war nicht von oben nach unten angefangen worden zu bauen, sondern an mehreren Punkten gleichzeitig. Dadurch hatte Bogotá mit einem latenten Verkehrsengpass zu kämpfen, der für Unmut in der Stadt sorgte, so Taxifahrer Enrique Medina. Der bedient regelmäßig den Flughafen und ist ohnehin nicht sonderlich gut auf die Politik zu sprechen.

„Die da oben schieben sich enorme Summen zu und für uns bleibt doch nie etwas übrig“, schimpft der stämmige Mann. Ein Satz, der ohnehin oft in Kolumbien zu hören ist, denn Korruption ist eine Geißel der Gesellschaft. Derzeit liegt das Land auf Rang 78 im Index von Transparency International – Tendenz fallend.

Samuel Moreno hatte 2007 im Wahlkampf Investitionen in die Infrastruktur en Gros angekündigt und war unter anderem deshalb gewählt worden. Unklar ist allerdings, ob Moreno Initiator des so genannten Korrptionskarussells ist oder ein Opfer der Konsortiums Nule. Darüber müsen nun die Richter befinden, die den Oberbürgermeister Bogotás am Freitag in U-Haft nahmen.

Der 51-jährige beteuert hingegen seine Unschuld und will auch nicht vom Amt zurücktreten. von dem er im Mai schon zurückgetreten wurde. Die Suspendierung eines Bürgermeisters der Hauptstadt, immerhin das zweithöchste Amt, welches  Kolumbien zu bieten hat und von daher traditionell das Sprungbrett in den Präsidentenpalast, ist bisher ein einmaliger Vorgang. Nun drohen dem Anwalt und Ökonom 15 bis 25 Jahre Haft. Nachgewiesen wurden bisher, dass 72 Millionen Euro an illegalen Provisionen geflossen sind. Ob sie über den Schreibtisch Morenos gingen, ist die zentrale Frage.

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