vonGerhard Dilger 24.09.2011

Latin@rama

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Es war eine gute Woche für den Yasuní-Nationalpark im ecuadorianischen Amazonasgebiet – vielleicht die beste seit Beginn des visionären “Dschungel statt Öl”-Projekts vor vier Jahren. Am Rande der UN-Vollversammlung in New York wuchs am Freitag der Optimismus, dass die Ölförderung im Osten des Yasuní-Parks doch noch zu verhindern ist. Die Regierung Ecuadors ist bereit, das Öl in der Erde zu lassen, wenn international die Hälfte der erwarteten Öleinnahmen zusammenkommt.

“Eine Bankerin hat ein Jahresgehalt für das Projekt gespendet”, berichtete Staatschef Rafael Correa. Außerdem zahlt Italien 35 Millionen Euro in den Treuhandfonds ein, der 2010 unter dem Dach der Vereinten Nationen gegründet wurde.

“Das gibt uns neuen Auftrieb”, sagte der Präsident, der bis zum Jahresende 100 Millionen US-Dollar erhofft. Mindestens 52,3  Millionen Dollar seien bisher eingetroffen, meldete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Mit dem Geld aus dem Fonds sollen 45 neue Naturschutzgebiete eingerichtet, Wiederaufforstung und erneuerbare Energien vorangetrieben und Forschungsprogramme finanziert werden.

Correa machte aber auch deutlich, dass er persönlich am liebsten das Öl im sogenannten ITT-Gebiet fördern will. Es macht immerhin 20 Prozent der in Ecuador entdeckten Vorkommen aus. “Finanziell wäre das für uns besser”, sagte er. Zu den heutigen Ölpreisen sei das “schwarze Gold” 14 Milliarden Dollar wert. Und Ecuador brauche diese Mittel für Straßen, Krankenhäuser, Schulen, Bücher und seine Landwirtschaft.

Der Staatschef, der seit 2007 im Amt ist, erinnerte erneut daran, dass vor allem die Industrieländer den Klimawandel verursacht haben und erklärte: “Wir möchten gegen die Erderwärmung kämpfen, aber dafür brauchen wir die Mitverantwortung der Welt.” Der Verzicht auf die Ölförderung würde nicht nur die einzigartig reiche Tier- und Pflanzenwelt sowie den Lebensraum von zwei Indianervölkern schützen, sondern auch direkt das Klima: 410 Millionen Tonnen Kohlendioxid würden der Erdatmosphäre erspart bleiben.

In jüngster Zeit hat die Yasuní-ITT-Initiative  eine interessante Eigendynamik entwickelt:  Die Einzahlungen in den Fonds wachsen ebenso wie der politische Rückhalt. Nach Chile sagte Kolumbien 100.000 Dollar zu, Peru 300.000 Dollar. Belgische und französische Regionalregierungen sind ebenfalls mit von der Partie, sogar multinationale Konzerne wie der brasilianische Bauriese Odebrecht.

Im Morgenprogramm von CNN warb die US-Schauspielerin Bo Derek am Freitag für das Projekt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Weltgemeinschaft zur Unterstützung der “Dschungel statt Öl”-Initiative auf. “Die Welt lernt von Yasuní”, sagte er. Mit Führungsstärke, Kreativität und Engagement sei nachhaltige Entwicklung möglich.

In Deutschland machen Umweltverbände und Politiker mobil. Vor einigen Tagen forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, zum Yasuní-Fonds beizutragen.

Drei Jahre lang gehörte Berlin zu den wichtigsten Stützen der Yasuní-ITT-Initiative. 2008 sprach sich der Bundestag in seltener Einstimmigkeit für das Projekt aus, ein Jahr darauf stellte der damalige Staatssekretär Erich Stather (SPD) im Entwicklungsministerium ecuadorianischen Staatsgästen 50 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht.

Doch vor einem Jahr verkündete Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), dass er sich gegen einen deutschen Beitrag entschieden habe. Er vermisst marktorientierte Ansätze und befürchtet einen Präzedenzfall: Andere Länder könnten ähnlich wie Ecuador Geld für unterlassene Umweltzerstörung fordern.

Die in Ecuador für das Naturerbe zuständige Ministerin María Fernanda Espinosa setzt auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Beide Unionspolitiker sympathisierten mit dem “Dschungel statt Öl”-Projekt, sagte Espinosa. “Wir hoffen auf Bewegung in der deutschen Regierung, damit unsere Beziehungen wieder besser laufen.” Noch wichtiger sei aber der Rückhalt in der Bevölkerung, in Ecuador wie in Deutschland: “Die Initiative wird so lange weiterlaufen, wie sie die Zivilgesellschaft am Leben hält”.

Und hier die Antwort von Alberto Acosta auf Dirk Niebel.

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