vonGerhard Dilger 15.11.2010

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Unter kultur- und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten erscheint das Konzert Paul McCartneys am Sonntag, dem 7. November 2010, im südbrasilianischen Porto Alegre auf den ersten Blick unergiebig. Allerdings bat der 68-jährige Ex-Beatle gegen Ende seines fast dreistündigen, gewohnt professionellen, aber dennoch rundum begeisternden Auftritts im fast ausverkauften Beira-Rio-Stadion zwei seiner jungen weiblichen Fans auf die Bühne. Auf einem großen Plakat hatten sie ihn um ein Autogramm auf den Arm gebeten, das sie sich anschließend eintätowieren lassen wollten.

Wie sich in der kurzen Unterhaltung mit McCartney herausstellte, kamen die beiden Mädchen aus Porto Alegre und Florianópolis. Letzteres löste in dem mit einem ausgeprägten Regionalstolz ausgestatteten Publikum, das der Rockmusiker zuvor mit fast akzentfrei vorgetragenen Redewendungen wie “ah, eu sou gaúcho (“Ah, ich bin Gaúcho” – also Einwohner des Bundesstaates Rio Grande do Sul) umschmeichelt hatte, Pfiffe aus, worauf McCartney erstaunt fragte: “What’s wrong with Florianópolis?”, um sogleich hinzuzufügen: “I’m from Liverpool.”

Während die lebende Legende aus der nordenglischen Hafenstadt mit einem schwarzen Filzstift die Oberarme der Ausgewählten signierte, fiel den Beatlelogen unter den Zuschauern ein, dass McCartney weder Penny Lane noch Strawberry Fields Forever, die wohl bekanntesten Liverpool-Songs der Beatles, vorgetragen hatte. Vielmehr präsentierte er sich betont kosmopolitisch, spielte Back In The U.S.S.R. und vor allem den jamaikanisch inspirierten Gassenhauer Ob-La-Di, Ob-La-Da.

Schließlich ist es alles andere als Zufall, dass Paul McCartney das erste seiner fünf Südamerikakonzerte, Tage vor seinen Doppelauftritten in Buenos Aires und São Paulo, in Porto Alegre gab, dem Mekka der antikapitalistischen WeltbürgerInnenbewegung. Entsprechend ließ er A Day In The Life, das auch unter kommunikationswissenschaftlichen Gesichtspunkten (“I read the news today, oh boy”) aufschlussreich ist, in John Lennons Polithymne Give Peace A Chance münden. Die gut 50.000 Gaúchos im weiß-rot gehaltenen Stadion des Libertadores-Champions Internacional Porto Alegre stimmten euphorisch ein.

Die hier nur kurz angerissenen Aspekte harren gründlicher beatlelogischer Analysen. Frei nach F. C. Delius, Die Minute mit Paul McCartney. Memo-Arien, Berlin 2005.

taz, 15.11.10

Foto: Rodrigo Stadler. Thank you!

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https://blogs.taz.de/latinorama/die_170_minuten_mit_paul_mccartney/

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kommentare

  • You are welcome my friend!!

    I was trying to read your post but I don’t understand German AT ALL. I’m going to ask Mr. Google Translator for help!! 😀

    See you!!

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