vonKnut Henkel 11.07.2014

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Mit bunten Bildern von Vulkanen und tropischen Tieren wirbt Guatemala um internationale Besucher. Doch wenn die sich nicht so gewünscht verhalten, droht schnell die Ausweisung. Das ist zumindest die Erfahrung von zwei Freiwilligen der internationalen Menschenrechtsorganisation Peace Brigades International (PBI). Sie wurden aufgrund von fadenscheinigen Beweisen ausgewiesen – bis der Minister persönlich die Entscheidung korrigierte.

„Heute wäre mein Ausreisetag gewesen. Doch gestern abend rief mich der Minister persönlich an, entschuldigte sich und garantierte mir und dem anderen beschuldigten Freiwilligen der Brigaden, dass sie unseren Status wieder herstellen würde,“ sagte Erica Martínez García. Die 26-jährige Spanierin arbeitet seit einem Jahr in Guatemala als PBI-Freiwillige. Die Organisation ist in einem guten halben Dutzend Staaten mit Teams, die bedrohte Menschenrechtsaktivisten begleiten, präsent.

Schutz durch Begleitung lautet das Konzept und das funktioniert seit gut drei Dekaden. In Guatemala ist PBI bereits seit Mitte der 1990er Jahre präsent und das kleine Team begleitet Menschenrechtsanwälte wie Edgar Pérez genauso wie Dorfgemeinschaften, die sich friedlich gegen den Bau von Infrstrukturprojekten oder dem Bau von Bergwerken auf ihrem Territorium wehren.

So war es auch in La Puya, wo am 23. Mai eine friedliche Sitzblockade die Zufahrt einer Goldmine versperrte. Dann wurde sie von der  Polizei gewaltsam geräumt. Die beiden PBI-Freiwilligen beobachteten das Vordringen der Polizei an der Seite von UN-Mitarbeitern. Schlagstöche und Tränengas wurden eingesetzt, so Erica Martínez. Sie ist nach Guatemala gekommen, um für die Menschenrechte einzutreten, der pazifistische Widerstand der Gemeinde hat sie beeindruckt. Gut zu erkennen waren sie und ihr Kollege, ein Chilene, als sie die Proteste von La Puya an diesem Tag beobachteten, denn die Freiwilligen von PBI tragen T-Shirts und Westen mit dem Emblem der Organisation.

Die Proteste von La Puya sind jedoch der Grund, weshalb die beiden PBI-Freiwilligen sechs Wochen später das Land verlassen sollten. Anhand von Fotos und Zeugenaussagen sollte nachgewiesen werden, dass beide aktiv an den Protesten teilgenommen haben. Doch die mutmaßlichen Beweise wurden dem Anwalt, Edgar Pérez, der die beiden zur Vorladung ins Minsterium begleitete, erst gar nicht vorgelegt. Ein Mitarbeiter des Ministeriums habe da nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, der Befehl der Ausweisung sei von ganz oben gekommen. Erst als am 10. Juli der spanische und der chilenische Botschafter bei Minister Mauricio López Bonilla vorstellig wurden, um sich anzusehen, was der Minister gegen die beiden in der Hand hat, stellte sich heraus, das es sich um eine „Verwechslung“ gehandelt habe. Eine peinliche Situation für den Minister, der  von der lokalen Presse den Spitznamen „Napoleoncito“ erhalten hat und dem die internationalen Oerganisationen angeblich ein Dorn im Auge sind.

Die Justiz funktioniert nicht in Guatemala - 70 Prozent der Straftaten werden nicht geahndet.....
Die Justiz funktioniert nicht in Guatemala – 70 Prozent der Straftaten werden nicht geahndet…..

Politische Verfolgung in Guatemala?

Dass es um das Verhältnis zwischen Minister Bonilla und der Dachorganisation der Nichtregierungsorganisationen und Genossenschaften (Congcoop) nicht zum Besten steht, belegt eine Stellungnahme, in der das repressive Vorgehen des Ministers kritisiert wird. „Kriminalisierung lautet die Strategie, mit der die Regierung gegen Andersdenkende vorgeht“, moniert der deutsche Menschenrechtsanwalt Michael Mörth, der seit rund zwanzig Jahren in Guatemala arbeitet. Die Kanzlei, in der er arbeitet, hat derzeit alle Hände voll zu tun, um Aktivisten aus der Zivilgesellschaft zu vertreten, denen massive Straftaten unterstellt werden, die oft fingiert sind. Das bindet die Zeit und Energie der Beschuldigten, bei denen es sich oft um Aktivsten gegen Bergbau- oder große Infrastrukturprojekte handelt.

Dass nun auch PBI in den Fokus der Behörden geraten ist, ist Beweis für ein Klima der Einschüchterung, das sich in Guatemala in den letzten zwölf Monaten breit gemacht hat. Über das haben sich auch nationale und internationale Filmemacher beschwert, die Anfang am 5. Menschenrechtsfilmfests „Erinnerung, Wahrheit, Gerechtigkeit“ in Guatemala teilnahmen und wo gleich mehrere Filme Opfer von Angriffe der Zensur wurden. Auseinandersetzung mit der Vergangenheit scheint nicht gewünscht. Eine Einschätzung, die auch Erica Martínez teilt. Sie darf nun jedoch weiter in Guatemala arbeiten und Menschenrechtsaktivisten bei ihrer Arbeit schützen. Ein Erfolg, der dem „Napoleoncito“ im Ministerium sicherlich nicht gefallen hat.

 

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