vonKnut Henkel 16.04.2012

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Die Hütte von La Oroya verfügt über den höchsten Schornstein Lateinamerikas und produzierte bis zum Juni 2009 Emissionen, die eine ganze Stadt vergifteten.
Die Hütte von La Oroya verfügt über den höchsten Schornstein Lateinamerikas und produzierte bis zum Juni 2009 Emissionen, die eine ganze Stadt vergifteten.

Für den in Peru wohl unbeliebtesten Investor könnte es bald vorbei sein. Doe Run Perú, eine hundertprozentige Tochter des US-Bleiproduzenten Doe Run, hat vergangenen Donnerstag die Rote Karte von den Gläubigern gezeigt bekommen. Die lehnten einen Plan zur Neustrukturierung ab, wodurch der Weg für einen neuen Betreiber der Schmelze von La Oroya frei werden könnte. Doch eine Chance hat Doe Run Perú noch.

Sechs Monate bleiben dem Management, um das Aus zu vermeiden. Ein neues Betriebskonzept für die Hütte in La Oroya, wo Kupfer, Blei, Gold, Silber und ein halbes Dutzend weitere Metalle aus Erzen raffiniert werden, muss her – ein Konzept, welchem die Gläubiger zustimmen können und mit welchem man ihnen nicht auf der Nase herumtanzen will.

Das war beim letzten Konzept der Fall, wie Bergbauminister Jorge Merino Anfang April durchblicken ließ. Da appellierte er an die Leitung des Konzerns, dessen Büros im mondänen Camino Real in San Isidro liegen, einen lebensfähigen Vorschlag vorzulegen. Für den peruanischen Staat seien Konzepte, die Konditionen für den staatlichen Gläubiger enthielten, nicht akzeptabel.

Mit derartigen Fußangeln hatten die Verantwortlichen von Doe Run Perú jedoch ihren Restrukturierungsvorschlag gespickt und die Regierung versucht zu düpieren. In allerbester Tradition, denn wie schon 2006 und 2009 hatte der Konzern die Arbeiter für Durchsetzung der eigenen Interessen aufmarschieren lassen.

Kurz vor Ostern hatten die rund 3500 Angestellen der Hütte in La Oroya, einer Stadt rund 180 Kilometer nördlich von Lima entfernt und auf 3700 Meter Höhe gelegen, wieder einmal die Passstraße, die Huancayo und Lima verbindet blockiert. Damit war Lima von den Lebensmittellieferungen aus der Agrarregion von Huancayo abgeschnitten und die militanten Mineros sind dafür bekannt, dass sie nicht so schnell locker lassen.

Seit Jahren lassen sie sich vor den Karren des Unternehmens spannen und agieren im Interesse des Konzerns, der die Umweltauflagen der peruanischen Behörden trotz immenser Gewinne nicht umgesetzt hat. Bereits 2006 erhielt Doe Run Perú einen Aufschub, 2009 folgte der nächste – ebenfalls auf Druck der rebellierenden Mineros aus La Oroya vom Kongress in Lima bewilligt. Nun steht die dritte Verlängerung der Umweltauflagen an und die Regierung in Lima scheint eigentlich gewillt, dem Unternehmen noch ein weiteres Mal entgegenzukommen.

Die Angst um die Arbeitsplätze, immerhin 3500 in einer strukturschwachen Region, macht es möglich und die wenig konsequente Haltung einer Regierung, die den Bergbauinvestoren seit Dekaden entgegenkommt – trotz zunehmender Umweltprobleme. Das hätte auch diesmal so sein können, denn schon im Februar hatten sich der Gläubiger von Doe Run Perú, neben der Regierung in Lima, vor allem die Lieferanten von Rohmaterial wie Kupfererzen, zur Überraschung vieler Beobachter darauf verständigt, die Leitung der insolventen Hütte von La Oroya in den Händen von Doe Run Perú zu belassen.

La Oroya rühmt sich das metalliurgische Zentrum Lateinamerikas zu sein - allerdings ist der Preis dafür recht hoch.
La Oroya rühmt sich das metalliurgische Zentrum Lateinamerikas zu sein - allerdings ist der Preis dafür recht hoch.

Im peruanischen Umweltministerium, das an den Verhandlungen nicht beteiligt ist, hatte das Gerücht von der Bestechung der Kollegen aus dem Bergbau- und Energieministerium alsbald die Runde gemacht. Eine Option, doch die Mitarbeiter des Ministeriums kommen auch anderen Bergbauunternehmen weit entgegen und agieren des öfteren in vorauseilendem Gehorsam, wie beispielsweise der ehemalige Vize-Umweltminister José de Echave mehrfach kritisierte.

Mit dem Entgegenkommen bei Doe Run Perú scheint es jedoch vorerst vorbei, denn nicht nur Minister Merino ist verärgert, sondern auch eine ganze Reihe Bergbauunternehmen, die Doe Run Perú als Schande für die Branche bezeichnen.

Dem Management scheint das aber weiter egal, denn  es fixierte im Restrukturierungsplan zum einen eine Passage,  nachdem der peruanische Staat für alle Schadensersatzansprüche, die aus einer Klage von 1300 Familien in den USA resultieren könnte, die den Konzern für die Vergiftung ihrer Kinder verantwortlich machen, resultieren.

Obendrein verlangte das Unternehmen einen Aufschub von weiteren dreißig Monaten, um seinen Verpflichtungen zur Installation einer Entschwefelungsanlage gerecht zu werden, die Streichung aller Strafen, die die peruanischen Behörden erhoben hatten, weil Doe Run Perú seinen vertraglich fixierten Auflagen nicht nachgekommen war und weitere Sonderkonditionen für den Fall, das es Zahlungsproblem geben sollte.

Für die Rgierung in Lima war jedoch die Tatsache, dass das Unternehmen obendrein den Staat wegen der Verletzung von Investitionsschutzbestimmungen verklagt hatte, ein kaum hinnehmbarer Affront, der das Klima zum Betreiber der ökonomisch durchaus wichtigen Hütte vergiftet hatte.

Die Hütte soll wieder produzieren

Deshalb wird im Ministerium für Bergbau und Energie seit Anfang April darüber  debattiert, ob ein anderes Unternehmen nicht Doe Run Perú ersetzen könnte. Das würde sich auch Kleinunternhmer wie Miguel Curi wünschen. “Ohne den großen Arbeitsgeber ist La Oroya kaum lebensfähig”, so der Familienvater, dessen Kinder ebenfalls unter hohen Blei- Cadmium- und Arsenwerten im Blut leiden. Er wünscht sich einen Betreiber, der endlich die Umweltauflagen erfüllt, so dass die beißenden Schwefeldämpfe nicht mehr durch den vom sauren Regen verätzten Talkessel wabbern.

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn Doe Run Perú hat das Recht einen zweiten Restrukturierungsplan vorzulegen. Über den werden die Gläubiger innerhalb der nächsten sechs Monate befinden müssen. Dann könnte das Kapitel Doe Run Perú geschlossen werden, aber sicher ist das nicht.

 

 

 

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