vonPeter Strack 02.08.2024

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Von Rocío Corrales

Der traditionelle Gemeindeverband Acre Antequera im bolivianischen Hochland von Oruro leidet unter der Bergwerkswirtschaft. Flüsse sind ausgetrocknet, der Boden hat seine Fruchtbarkeit verloren, die frei lebenden Tiere ziehen sich zurück. Eigentlich gehört das Land seinen angestammten Bewohner*innen. Doch laut Verfassung sind die Bodenschätze unter staatlicher Kontrolle. Der Widerstand gegen den Extraktivismus wird von Frauen angeführt, obwohl sie eingeschüchtert werden und Gewalt erleiden, wenn sie versuchen, ihr Land zu beschützen. Eine Reportage von Rocío Corrales für die Online-Zeitschrift La Brava.

«Wann nur habe ich mich auf all das eingelassen», seufzt Mary Luz Ventura während wir uns auf den trockenen Wegen der Provinz Poopó zu ihrem Dorf hinbewegen: Totoral Chico, das zum traditionellen Gemeindeverband, dem Ayllu Acre Antequera gehört. Für ihre 31 Jahre ist Mary Luz recht zierlich. Sie trägt das Haar halblang und einen Hut. Ihre rosafarbenen Schuhe stehen im Kontrast zu der kargen und staubigen Landschaft um ihr Dorf herum.

Auf dem Weg nach Totoral Chico, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

«Was mich am meisten in diesem Kampf bewegt, ist der Wunsch unser Land vor Schaden zu bewahren. Die Bergwerksbetriebe werden gehen, aber uns all den Abraum hinterlassen. Hier will ich aber leben und alt werden. Dies ist meine größte Motivation bei der Suche nach Gerechtigkeit», erklärt Mary Luz, die in Totoral Chico geboren wurde.

In den Höhen des bolivianischen Altiplano erscheint die Landschaft von Acre Antequera wie eine futuristische Dystopie, nur dass die Trostlosigkeit real ist. Die Sociedad Minera Illapa, Teil der Aktiengesellschaft Sinchi Wayra im Besitz der kanadischen Santacruz Silver Mining hat die Wasserressourcen ausgetrocknet und die Erde kontaminiert. Die traditionelle Lebensweise der lokalen Bevölkerung, vor allem Quechua aus der Nation der Soras, ist in Gefahr.

Zu dem auf 4200 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Acre Antequera gehören acht Dörfer: Chapana, Antequera, Charcajara, Queaqueani Grande, Queaqueani Chico, Huacuyo, Totoral Grande und Totoral Chico. Der Reichtum an Mineralien haben den Ortschaften Armut gebracht, während sich Bergwerkskooperativen und internationale Konzerne die Gewinne teilen.

Schon seit Jahrhunderten werden im Tal von Antequera Zink, Kupfer oder Silber abgebaut. Heute arbeiten Unternehmen wie die kanadische Santacruz Silver Mining neben den aus historischen Orten wie Totoral und Avicaya stammenden Bergarbeiterkooperativen. Schon seit Jahrzehnten weisen Untersuchungen einen hohen Anteil von Eisen, Blei und Arsen in den Böden nach.

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Totoral Chico und anderen Dörfern müssen sich aber nicht nur der Umweltverschmutzung stellen, sondern auch Drohungen und Gewalt, wenn sie versuchen, die Erde zu schützen. Letzten April haben die Bergarbeitergewerkschaften eine Umweltprüfung der Behörden verhindert und alle bedroht, die ihre Aktivitäten kontrollieren wollen.

Der lokale Widerstand verstärkte sich nach Meldungen, dass die Bergwerksunternehmen auch auf Acker- und Weideflächen vorgedrungen waren. Gemeinsam mit anderen Frauen der Gemeinden führt María Luz Ventura die Proteste an. Sie erleiden verbale und körperliche Übergriffe, wenn sie das Ende der illegalen Bergwerksaktivitäten einfordern.

Die Bergwerksbehörde und die Drohungen durch die Kooperativen

Für Mary Luz Ventura beginnt ein Tag in der ariden Landschaft von Totoral gewöhnlich mit dem familiären Zusammensein. Doch heute verwandelt er sich schnell zu einer Reise voller Anspannung. Begleitet von ihren Geschwistern Rosario und Brian Pedro, dem Gemeindevorstand von Totoral Chico, begeben sie sich auf den staubigen Weg in den Cañon von Antequera.

Auf halber Strecke erscheint ein Fahrzeug der Bergwerksbehñrde AJAM mit vier Funktionären. Brian bittet sie, ihn als Kenner der Region bei der Inspektion der Aktivitäten insbesondere des Bergwerksunternehmens Illapa zu begleiten. Doch die Funktionäre fahren Richtung Antequera weiter mit der einzigen Erklärung, sie würden einen Bericht verfassen.

«Es ist immer das gleiche», klagt Mary Luz. Das Unternehmen verstecke gewöhnlich seine Maschinen und leugne illegale Aktivitäten ebenso wie diejenigen Bergarbeiter, die selbst in Totoral Chico leben. Währenddessen filmen deren Frauen, die auf Hügeln an der Wegstrecke Wache halten, Mary Luz und ihre Familie.

«Wir haben kein Problem damit, dass sie immer in den Bergwerken gearbeitet haben», erklärt Rosario Ventura ihre Haltung zu den Kooperativen. «Aber jetzt dringen sie auch auf unsere gemeinschaftlichen Weideflächen vor», fügt sie in Sorge über den Interessenkonflikt innerhalb der Gemeinde hinzu.

Schafe fressen Totora-Gras, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Währenddessen führen die Eltern von Mary Luz ihre 25 Schafe über die verbliebenen Trockenweiden. Die Anspannung verstärkt sich, als von den Hügeln eine der Bergarbeiterfrauen sagt: «Avicaya ist als Bergarbeiterdistrikt anerkannt. Dank dem Beitrag dieser Leute hat unsere Familie heute Zugang zu Dienstleistungen».

«Ich bin hier in Totoral Chico geboren», meint dagegen Rosario, die Schwester von Mary Luz, «und ich sehe eine gravierende Verletzung von Rechten. Warum wird erlaubt, dass sie die Weideflächen einzäunen und damit unserem Vieh den Zugang verwehren?!»

Laut Rosario ist der Konflikt am 20. Mai diesen Jahres explodiert, als Fremde das Land ihrer Familie besetzt haben. «Sie kamen und haben die Herde meines Vaters von der Weide entfernt”.

Die Weideflächen sind wichtig für das Überleben der Tiere. «Wir leben in der Hochebene. Hier ist Gras knapp. Doch sie lassen es unsere Tiere nicht fressen. Ich weiß nicht, was sie damit bezwecken wollen und es schmerzt mich sehr, denn einige von ihnen waren meine Schulkameraden», beschwert sich Rosario.

Die Misshandlung ihrer Eltern, beide mit körperlichen Behinderungen, sind ein weiteres Thema: «Das sollte die ganze Welt wissen. Die ganze Zeit über filmen und diffamieren sie uns: Wir können so nicht leben. Was sollen wir tun? Tag für Tag fordern sie uns auf, unsere Tiere wegzutreiben. Was sollen die Schlechtes getan haben», fragt Rosario.

250 registrierte Angriffe auf Menschenrechtler*innen und Umweltschützer*innen in Bolivien

Laut dem Dokumentationszentrums CEDIB (Centro de Documentación e Información Bolivia) hat es seit dem Jahr 2015 bis Mai diesen Jahres 250 Angriffe auf Menschenrechtler*innen und Umweltschützer*innen in Bolivien gegeben: Drohungen, gewalttätige Übergriffe, oder Verhaftungen und Gerichtsverfahren ohne legale Grundlage.

Angriffe auf Umweltschützer*innen, Grafik: CEDIB/Revista La Brava

Ein Bericht des CEDIB analysiert insbesondere die Attacken auf Frauen, die sich für Umweltschutz engagieren. 52 Prozent der Angriffe gegen Umweltschützer würden durch staatliche Akteure durchgeführt. In 29 Prozent der Fälle seien es zivile Organisationen oder Personen in Unterstützung der Politik der Regierungspartei, in 16% die Firmen selbst.

Wasser und Territorium sind vom Extraktivismus bedroht

Margarita Aquino wurde im Dorf Yuracarí der Provinz Poopó von Oruro geboren. Auch sie hat die zerstörerischen Folgen der Bergwerkswirtschaft am eigenen Leib erfahren. Seit dem Jahr 2013 knüpfen Margarita und andere Frauen der betroffenen Gemeinden Netze der Solidarität und des Widerstandes. «Wir haben uns organisiert, weil uns das Unglück der Verschmutzung unseres Landes eint. Und wir haben Kontakt zu anderen Gemeinden aufgenommen, damit sie sich auch gegen den Extraktivismus wehren», erklärt sie.

Sie selbst sah sich gezwungen, ihr Dorf zu verlassen. «Es gibt kein Leben mehr in Yuracarí. Alles ist kontaminiert, es gibt kein Wasser», sagt Margarita, deren Umweltengagement im Jahr 2004 wegen einer Fabrik begann: «Die Gesundheit der Bevölkerung war angeschlagen. Viele starben mit Rachenkrebs. Wir stellten damals fest, dass die Schwefelabgase der Fabrik uns schadeten», erinnert sie sich. Vom Bolivianischen Umweltforum, dem FOBOMADE-Netzwerk, wurde sie damals zu einer Schulung eingeladen.

Heute koordiniert Margarita das Nationale Frauennetz zur Verteidigung von Mutter Erde (RENAMAT). «Anfangs waren es drei Gemeinden, jetzt sind es mehr als ein Dutzend aus vier Regionen», sagt sie stolz. Ziel ist die Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildung von indigenen Frauen zur Verteidigung ihrer Rechte und ihres Landes. Das ist keine leichte Aufgabe. «Selbst aus der eigenen Familie kommt Kritik. Man stigmatisiert uns und wir werden selbst wegen Kleinigkeiten verfolgt», betont Margarita.

Das Bergwerk Bolívar und sein schmutziges Erbe

Die Bergwerke haben fruchtbares Erde in Wüste verwandelt. «Es ist kein Land mehr übrig, um zu säen oder unsere Herden zu ernähren. Der Boden ist kontaminiert. Die Berwerkswirtschaft hat alles mit Staub bedeckt. Früher konntest du beim Aufwachen von deinem Haus aus den sonnigen Morgen erleben. Heute erwachst du mit dem Lärm der Maschinen, den Sprengungen mit Dynamit. Das geht jeden Tag und jede Stunde so», beklagt Claribel Ventura aus Totoral Chico.

Claribel Ventura in ihrem Dorf Totoral Chico, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Die Bergwerkswirtschaft schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesundheit und dem Frieden der Anwohner*innen. «Wir wollen, dass die Aktivitäten der Firmen La Salvadora und Meraki gestoppt werden. Wegen der ständigen Drohungen haben wir aber nicht mit ihnen sprechen können», fügt Ventura hinzu.

Laut dem vom Vizeministerium für Bergwerkspolitik, Regulierung und Kontrolle veröffentlichen statistischen Jahresberichtes wurden 84 Prozent der Einnahmen Boliviens durch Mineralienförderung in den Regionen La Paz, Potosí und Oruro erzielt. Potosí liegt mit knapp 39 Prozent an der Spitze. La Paz folgt mit an die 38 Prozent aufgrund der Goldproduktion. Und Oruro steht mit sechs Prozent an vierter Stelle mit vorwiegender Förderung von Zinn.

Mit 58% produzieren die Bergwerkskooperativen die meisten Mineralien. Privatfirmen fördern 36 Prozent des Gesamtwertes der Produktion, die staatlichen Betriebe nur 6 Prozent.

Laut der Nichtregierungsorganisation Colectivo Casa begann im Cañon von Antequera im Jahr 1977 ein Konsortium zwischen der staatlichen Bergbaugesellschaft COMIBOL und der Aktiengesellschaft Sinchi Wayra, Blei sowie Zink und Silber auszubeuten. Mit einer Investitionssumme von 15,7 Millionen US-Dollar konnten 2000 Tonnen Minerale pro Tag produziert werden. In der Konzentrationsanlage wurden 330.000 Tonnen pro Jahr verarbeitet.

Etwa seit 2003 zeigten sich dann die Folgen der übermäßigen Nutzung von Wasser und der Kontaminierung der Böden in Antequera. Die Wassermenge der Quellen in den Gemeinde ging drastisch zurück. Öffentlich wurde der Konflikt jedoch erst im September 2006, als der Vertreter der Kleinbauernorganisation von Oruro Juan Bautista Ramos Fernández den Rückgang des Grundwasserspiegels und die Kontaminierung der Böden angezeigt hat. Eine nachfolgende Inspektion der nationalen wie der regionalen Umweltbehörde ergab die Notwendigkeit, hydrologische Studien durchzuführen, sich mit den Gemeinden in Verbindung zu setzen, die Wasserquellen zurückzugewinnen und gemeinsam mit den Dörfern kontinuierlich Umweltkontrollen durchzuführen. Doch da das Unternehmen nur langsam und unzureichend reagierte, organisierten die Dörfer weitere Demonstrationen und Proteste. Vor allem der sich beschleunigende Rückgang der Wasserquellen zwang viele Familien, ihr Land und ihre Herden aufzugeben und in die Stadt zu ziehen.

Das Wasser ist knapp in Totoral Chico, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Im Januar 2009 legten die Gemeinden formal Beschwerde gegen das Unternehmen ein, weil es Dokumente manipuliert habe. Der kam die damalige Regionalregierung mit einer Anzeige gegen Sinchi Wayra nach.

Der Kampf von Mary Luz Ventura

Der Vertrag von Escazú ist seit April 2021 in Kraft getreten. Es ist ein wichtiges Instrument zum Schutz von Umweltaktivist*innen in Lateinamerika. Bolivien hatte ihn bereits am 3 Juni 2019 ratifiziert. Die Umsetzung hängt jedoch vom politischen Willen und angemessenen Maßnahmen ab.

«Sie haben uns geschlagen, und wie Ratten vertrieben», berichtet Mary Luz. Das Ombudsbüro war zwar informiert, hat aber nicht effizient eingegriffen, um das Dorf zu schützen. Seit April kam es immer wieder zu Übergriffen. Das hat die Angst und Ohnmachtsgefühle der Bewohner*innen gegenüber den illegalen Bergwerksaktivitäten noch verstärkt.

Die Ankunft des Meraki-Unternehmens war ein Wendepunkt: «Mit der Firma La Salvadora hatten wir kein Problem, weil die nur in Stollen gearbeitet hat. Aber Meraki hat mit dem Tagebau begonnen und Weideflächen zerstört», erklärt Ventura. «Der Wind kontaminiert die Luft und die Wasserquellen werden auch betroffen. Und so wie andere Firmen zuvor, hinterlässt auch die Firma Meraki die Abfälle, ohne sie zuvor zu behandeln», beklagt Brian Pedro Ventura, der Generalsekretär des Dorfes Totoral Chico.

Bruder Brian Pedro Ventura ist der Generalsekretär des Dorfes, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Das Dorf versucht mit legalen Mitteln, ihr Territorium zu verteidigen. Doch «am 5. April und am 20. Mai wurden wir angegriffen und unser Land besetzt, obwohl alle unsere Titel gültig sind. Die staatlichen Stellen folgen dem aber nicht und wir werden weiter unterdrückt», bestätigt der sichtlich enttäuschte Sprecher.

Die Forderungen der Gemeinde sind klar: Der Tagebau soll eingestellt werden und die Bergwerksunternehmen sollen die Umweltnormen befolgen. «Wir wollen, dass Meraki und andere illegal arbeitende Firmen ihre Arbeit einstellen. Sie haben keine Pläne, um die Umweltfolgen zu mildern und hinterlassen nur Müll», unterstreicht er.

Schädliche Reste,  Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Gesundheitsrisiken

Der Bergbau im Poopó-Becken von Oruro führt zu einer alarmierenden Kontaminierung des Bodens, der Luft und insbesondere des Wassers mit Schwermetallen. Durch den Konsum des Wassers und der Nahrungsmittel sammelt sich Kadmium, Blei, Quecksilber und Arsen im Körper. Das führt zu gravierenden Erkrankungen, die noch durch eine mangelhafte Gesundheitsversorgung verschlimmert werden.

Laut Untersuchungen der Nicht-Regierungsorganisation CENDA (Centro de Comunicación y Desarrollo Andino) und dem hydrochemischen Labor des Instituts für chemische Studien von La Paz bezieht ein hoher Anteil der Familien in den Tälern von Poopó und Pazña-Antequera sein Wasser immer noch aus Brunnen geringer Tiefe. Die medizinischen Untersuchungen haben bei Kindern und Frauen signifikative Beeinträchtigungen des Nervensystems und auf genetischer Ebene durch Schwermetalle nachgewiesen. Zu den Folgen gehören Probleme der kognitiven Entwicklung, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Krebs.

Schon im Jahr 2010 hatte eine Studie erhöhte Werte von Arsen und Kadmium in den Bächen und Flüssen festgestellt, die in den Poopó und den Uru Uru-See münden. Eine Stichprobe bei Frauen und Kindern aus Oruro hatte bei 25% der Frauen und 38% der Kinder genetische Veränderungen durch Gifte nachgewiesen. (Siehe auch diese frühere Reportage auf Latinorama „Bergbau und verwüstetes Land“).

Gewalt und systematische Versuche der Einschüchterung

Das Bergwerksunternehmen Sinchi Wayra wurde im Jahr 2022 von dem kanadischen Unternehmen Santacruz Silver Mining aufgekauft. Schon seit 2017 habe es von den Gemeinden selbst betriebene handwerklich betriebene Minen schließen lassen und die Dorfbewohner unter Druck gesetzt, die sie wieder öffnen wollten. Das ging bis zur Festnahme von Hernán Roque, einem Sprecher der Gemeinde Totoral Chico.

Frau in Totoral Chico, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Die Rechtsanwältin Beatriz Bautista vertritt die betroffenen Dorfbewohner*innen. «Am 5. April griff die Firma Meraki eine Gruppe von Frauen und Männern einer friedlichen Mahnwache an. Dies an einem der wenigen Orte, die noch nicht kontaminiert und für das Weiden ihres Viehs geeignet sind», berichtet Bautista. Die Frauen flohen daraufhin nach Oruro, um Anzeige zu erstatten. Doch die zuständigen Behörden und das Ombudsbüro habe diese ignoriert, so die Juristin. Kurz zuvor hatte eine Kommission des Bergwerksministeriums versucht, die Lage im Cañon von Antequera zu überprüfen. Daran waren sie aber von den Bergbau-Kooperativen gehindert worden. Bautista: «Ich habe gesehen wie man neben einem Rückhaltebecken mit Tonnen voller Arsen lebt. Schlimm!»

«Früher haben wir Ackerbau und Weidewirtschaft betrieben, aber Umweltverschmutzung und Trockenheit haben uns gezwungen, selbst Bergbau zu betreiben», erklärt Zoraida Ventura, frühere Generalsekretärin aus Totoral Chico, einem Dorf des traditionellen Gemeindeverbandes von Antequera. Ventura wurde Zeugin, wie – häufig mit Einschüchterungen und Korruption – mit der Situation umgegangen wird. «Sie haben uns geschlagen und wir haben unsere Lebensweise verloren», beklagt sie.

Doch trotz der Widrigkeiten kämpft Zoraida Ventura weiter für die Rechte ihrer Gemeinde. Ihre Forderung ist klar: «In unserem Dorf dürfte es keinen Bergbau geben. Wir wollen, dass unsere Eigentumsrechte respektiert werden».

Bertha Ayala: Die Stimme des Ayllu Acre Antequera

Bertha Ayala ist traditionelle Richterin des Gemeindeverbandes. Tag für Tag kämpft sie gegen die Bedrohungen. Mit ihren 55 Jahren ist Bertha eine Säule des Widerstandes und der Hoffnung für ihre Gemeinde. Wegen Angriffen und Verleumdung gegen ihre Person ist sie jedoch in die Stadt Oruro migriert. Ihr ganzes Leben war ein andauernder Kampf für die Rechte ihres Dorfes. «Aber die staatlichen Autoritäten ignorieren sie. Die Behörden für Bergbau und Umwelt der Regionalregierung haben zwar geantwortet, aber nicht, wie sie es tun sollten», erzählt sie enttäuscht.

«Die eigene Familie leidet darunter. Es gibt Streit mit Verwandten, die dir sagen, dass du dich nicht einmischen sollst. Wir werden mit Strafprozessen und Verleumdungen verfolgt. Als Frau ist das noch einmal schwieriger. Der Rufmord empört mich am meisten, und dass ich dafür verfolgt werde, unsere Rechte zu verteidigen», so Bertha. «Wir fordern von den staatlichen Stellen nur, dass sie die Umweltgesetze und die Verfassung befolgen. Im Artikel 403 der Verfassung heißt es, dass die indigenen Völker Anteil an den nicht erneuerbaren Ressourcen haben müssen. Doch der Staat respektiert das nicht».

Trockenes Land, Foto: Rocío Corrales/Revista La Brava

Bertha sucht nach einem Interessenausgleich, der es den Dörfern erlaubt, in Würde auf ihrem eigenen Land zu leben. «Wir wollen keine neuen Bergwerksbetriebe. Wir haben schon genügend erlitten. Und wir wollen, dass die Kooperativen, die die Umweltgesetze nicht einhalten, sich zurückziehen. Sie beuten ohne Rücksicht auf die Natur und die Gemeinden unsere Ressourcen aus. Die Dörfer verschwinden», erklärt Bertha.

Auf dem Rückweg steht die trockene vom Bergbau geprägte Landschaft im Kontrast zu dem festen Willen von Mary Luz Ventura, ihrer Familie und Gemeinde. «Ich hatte Angst, dass sie uns wieder angreifen und nicht durchlassen», sagt sie. Hinter uns bleibt Totoral Chico als stiller Zeuge ihres Widerstandes und ihrer Hoffnung zurück.

Wir bedanken uns bei der Online-Zeitschrift La Brava für die Genehmigung, den Beitrag von Rocío Corrales auf Latinorama zu veröffentlichen (hier der Originalbeitrag auf Spanisch). Übersetzung, Kürzung und Bearbeitung: Peter Strack

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