vonGerhard Dilger 02.07.2012

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Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Es sind zielgerichtete und maßvolle Entscheidungen: Die Mitgliedschaft Paraguays in der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercsour und der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) wird vorübergehend ausgesetzt, doch Wirtschaftssanktionen werden nicht verhängt. Darauf einigten sich die Präsidenten der Mercosur-Mitgliedstaaten, Cristina Fernández de Kirchner aus Argentinien, Dilma Rousseff aus Brasilien und José „Pepe“ Mujica aus Uruguay, bei ihrem Gipfeltreffen am Freitag in der argentinischen Stadt Mendoza.

Sieht nicht sehr glücklich aus: „Pepe“ Mujica (2. v. r.) beim Arbeitsfrühstück mit Dilma und CFK (Foto: Präsidentschaft Brasilien)

„Wirtschaftssanktionen bezahlen immer die Völker, niemals die Regierungen“, begründete Kirchner das differenzierte Vorgehen. „Unser Ziel ist es, eine bessere Lebensqualität der Menschen in diesem Land zu erreichen“, sagte die Gastgeberin. Paraguay kann auch weiterhin die finanziellen Mittel aus dem Strukturanpassungsfonds Focem abrufen. Aus dem Fonds werden in erster Linie Infrastrukturmaßnahmen wie der Ausbau von Überlandstraßen finanziert. Focem war vor einigen Jahren auf Forderung der kleinen Mitgliedstaaten eingerichtet worden war. Daraus können weitere 680 Millionen Dollar nach Asunción überwiesen werden.

Suspendierung und keine Sanktionen hatten sich als Beschlüsse vor dem Gipfel abgezeichnet. Ganz im Gegensatz zur überraschenden Ankündigung, dass Venezuela als Vollmitglied in die Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen wird. Die formale Aufnahme wird auf einem Sondergipfel am 31. Juli in Rio de Janeiro vollzogen. Venezuelas Beitritt war bereits 2006 vereinbart worden, konnte aber bisher wegen der noch fehlenden Zustimmung des Senats in Paraguay nicht vollzogen werden. Die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten muss von den nationalen Parlamenten bestätigt werden. Mit der vorübergehenden Suspendierung Paraguays ist dessen Zustimmung hinfällig.

Grund für den vorläufigen Ausschluss Paraguays ist die Amtsenthebung des früheren Präsidenten Fernando Lugo, die einen „Bruch der demokratischen Ordnung“ darstelle und gegen die Mercosur-Statuten verstoße. Mindestens bis zur demokratischen Wahl eines neuen Präsidenten im April 2013 hat Paraguay kein Stimm- und Vetorecht in allen Gremien des Mercosur.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez freute sich von Caracas aus. Markig wie gewohnt sprach er von „einer Niederlage des Imperiums und seiner Lakaienbourgeoisie“ in der Region. Mit dem Beitritt Venezuelas werde der Mercosur eine Energiemacht, denn „der südamerikanische Markt umfasst die größten Ölreserven der Welt“, sagte Chávez.

Lugo begrüßte die Gipfelbeschlüsse. Der Mercosur habe die „paraguayische politische Klasse verurteilt“, achte zugleich aber darauf, die Bevölkerung vor wirtschaftlichem Schaden zu bewahren, erklärte er in Asunción.

Ganz anders fielen die Reaktionen der politischen Rechten in der Region aus, die eine Woche zuvor den „sanften Putsch“ gegen Lugo überschwänglich oder klammheimlich gefeiert hatte. Nun schäumt sie vor Wut. Paraguays neuer Präsident Federico Franco versuchte jedoch, den vorübergehenden Rauswurf herunterzuspielen. Sein Land sei nun freier als zuvor, ließ er aus der Hauptstadt Asunción verlauten. „Die Vormundschaft Argentiniens und Brasiliens ist jetzt zu Ende“, sagte Franco, der von den Treffen in Mendoza ausgeschlossen war.

Die Dominanz Brasiliens und Argentiniens treibt auch Uruguays Präsidenten Mujica um. Eben deswegen sprach er sich für den Beitritt Venezuelas aus. „Wie sollen Uruguay und Paraguay ein Gleichgewicht zu Brasilien und Argentinien schaffen?“, fragte er schon vor dem Treffen. „Wir brauchen den Beitritt von großen Staaten wie Venezuela, sonst hängen wir Kleinen immer am Gängelband der zwei Großen“.

Weniger harmonisch ging es bei dem Treffen in Mendoza unterhalb der Präsidentenebene zu. Bei einer Arbeitssitzung zu Thema Handelsbarrieren bekamen sich die beiden Außenhandelsstaatssekretärinnen Tatiana Prazeres aus Brasilien und Beatriz Paglieri aus Argentinien in die Wolle.

In voller Lautstärke warfen sie sich gegenseitig vor, statt Hindernisse abzubauen, ständig neue Handelsschikanen zu errichten. Vor allem Brasilien und Argentinien in reagierten in den vergangenen Monaten mit immer neuen Beschränkungen auf Auswirkungen der internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich auch gegen die Mitgliedstaaten richtet.

Und so hat die politische Harmonie der Staatsoberhäupter auch den Rücktritt den Hohen Repräsentanten des Mercosur während des Gipfels zur Randnotiz verdrängt. Der Brasilianer Samuel Pinheiro Guimarães hatte wegen fehlender politischer Unterstützung sein Amt zu Verfügung gestellt, das eigens dazu eingerichtet worden war um gemeinsame Positionen des Mercosur zu formulieren.

In seinem Schlussbericht hatte sich Guimarães für den Beitritt Venezuelas und anderer linksregierter Staaten ausgesprochen. Er  warnte aber auch davor, dass die Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Wege sei, zu einem bloßen Rohstofflieferanten für China, die USA und die EU verkommen.

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