vonNiklas Franzen 27.03.2014

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Coxinha ist eine frittierte, mit Hähnchen gefüllte Teigtasche und einer der beliebtesten Snacks in Brasilien. Gleichzeitig werden Faschisten, Konservative und Polizisten jeglicher Couleur als Coxinhas bezeichnet. Am letzten Samstag fand in mehreren brasilianischen Städten der sogenannte „Marsch der Familie mit Gott“ statt. Auch in São Paulo marschierten hunderte Rechte durch die Innenstadt.

Ein Meer aus Brasilienfahnen auf dem Platz der Republik. Mehrmals wird die Nationalhymne gesungen. Rund 600 Menschen versammeln sich am heutigen Nachmittag im historischen Zentrum der Stadt, darunter ehemalige Militärs, fundamentale Christ_innen, Angehörige der Oberschicht und rechte Skinheads. Was alle gemeinsam haben: Sie wollen die Militärdiktatur zurück.

„Militärintervention jetzt“  und „Die Streitkräfte sind unsere letzte Chance“ ist auf den Schildern und Bannern der Demonstranten zu lesen. „Tod dem Kommunismus“ und „Wir brauchen keine Wahlen sondern Intervention“ hallt es immer wieder über den Platz. Die Veranstalter der Versammlung kündigen die Demo als „Marsch zum Schutz des Glaubens, der Familie und des Vaterlandes“ an. Inhaltlich wird sich aus dem Repertoire der Rechten bedient: Platter Nationalismus vermischt sich mit christlicher Kritik am Verfall der Familie, Homophobie und der Verharmlosung der Verbrechen der Militärdiktatur. Die aktuelle Regierung wird scharf angegriffen. Glaubt man den Rednern auf der Bühne, bereitet die regierende Arbeiterpartei PT mit Hilfe Kubas und Venezuelas eine kommunistische Weltverschwörung vor.

Die Stimmung ist gereizt: Organisierte Faschisten und andere Teilnehmer greifen am Rand der Versammlung vermeintliche Linke und Journalist_innen tätlich an. Eine Gruppe von jungen Metal-Fans, die auf dem Weg zu einem Metallica-Konzert sind, wird als „Müll“ beschimpft. Die Rechten hatten die Jugendlichen mit linken Black Blocs verwechselt.

Gegen 16 Uhr setzt sich der Marsch in Bewegung. Genau wie vor 50 Jahren: am 19. März 1964 demonstrierten eine halbe Millionen Menschen gegen den progressiven Präsidenten João Goulart. Wenige Tage später, am 31. März, kam es zum Militärputsch. Dieser löste eine über 20 Jahre dauernde, rechte Diktatur aus. Tausende Oppositionelle mussten das Land verlassen. Hunderte wurden gefoltert und ermordet. Endpunkt des Marsches ist wie vor 50 Jahren der Praça da Sé.

Dort hatten sich nur wenige Stunden zuvor rund 1.000 Antifaschisten versammelt. Ein Bündnis aus sozialen Bewegungen, kommunistischen Parteien, Gewerkschaften, anarchistischen Gruppen und LGBT-Organisationen hatte zu einer Gegendemonstration aufgerufen. „Faschisten, Putschisten werden nicht durchkommen“ ist die Kampfansage an die Rechten an diesem Tag. „Wir sind hier um gegen die Rückkehr von faschistischen Ideen auf Brasiliens Straßen zu demonstrieren“, erklärt der LGBT-Aktivist José Torres de Muranda am Rande der Demonstration.

Auffällig viele ältere Aktivisten sind an diesem Tag auf der Straße. Der 73-jährige Senator Eduardo Suplicy der PT erinnert mit mahnenden Worten und einer Gesangseinlage an die Verbrechen der Diktatur. Mehrere Teilnehmer tragen Fotos von „Verschwundenen“ und Ermordeten. „Nunca Mais – Nie wieder“ fordern die Aktivisten. Auch die Straflosigkeit vieler Täter wird an diesem Nachmittag thematisiert. Die Mehrzahl der Folterer und Mörder blieb bis zum heutigen Tag ungestraft. Für viele Demonstranten lebt zudem das Erbe der Diktatur weiter, vor allem im Vorgehen der Militärpolizei. Die Redner bezeichnen das Sterben von schwarzen Jugendlichen durch Polizeikugeln in den Favelas der Großstädte als „Genozid“. Der antifaschistische Protestzug endet mit einer Schweigeminute am Widerstandsdenkmal vor der Station Luz.

Auch in anderen brasilianischen Städten marschierten am Samstag – 50 Jahre nach dem Militärputsch und 30 Jahre nach dem Ende der Diktatur – Rechte auf. Zwar konnte man die Teilnehmer_innen dort an einer Hand abzählen, jedoch zeigen die Märsche, dass die blutige Vergangenheit in Brasilien präsenter ist, als man denken mag.

 

Fotos: Mídia NINJA &  Comitê antifascista e anti-golpista

 

 

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