In siebzehn Landkreisen Boliviens leiten Tankstellen den Dieseltreibstoff in Zonen weiter, in denen die illegale Goldgewinnung Konjunktur hat. Jeder Bergwerksbetrieb benötigt nach Berechnungen legaler Goldkooperativen mindestens 25.000 Liter Diesel im Monat. Das ist mehr als die 20.000 Liter, die ein Unternehmen laut Verordnung von staatlich subventioniertem Treibstoff beziehen darf. Deshalb greifen sie auf den Schwarzmarkt zurück. Nach Koordinationstreffen mit der Agroexportindustrie begannen am 5. Dezember auch Beratungen der Regierung mit den Bergwerkskooperativen, um die Versorgung mit Diesel sicher zu stellen. Denn immer wieder bremst der Treibstoffmangel die Goldproduktion. Die Kooperativen zahlen zwar kaum Steuern und Abgaben, aber sie sind eine Machtbasis der regierenden MAS. Regierungsmitglieder sind selbst im Bergbau involviert. Doch der schädigt wie diese ARTE-Reportage anschaulich zeigt, die Natur und Gesundheit insbesondere der indigenen Völker erheblich.
Im ersten Beitrag (hier die Langfassung auf Spanisch) einer Reihe von drei Reportagen der online-Zeitschriften La Brava und Mongabay Latam geht es um den Modus Operandi von Tankstellen und Wiederverkäufern, die legale wie illegale Bergwerksbetriebe in der Amazonasregion im Norden von La Paz mit Dieseltreibstoff versorgen.
von Revista La Brava
An einem Morgen im Mai diesen Jahres entdeckten der Fahrer eines „Torito“ (Motorrad-Rikscha) und Sprecher der Transportgenossenschaft zwei verdächtige Tanklastwagen, die sich auf einer Nebenspur der Straße von Caranavi nach Guanay im subtropischen Tiefland von La Paz versteckt hatten. Sie befragten die Fahrer und prüften die Dokumente. Ein Tanklastwagen hatte Diesel für Tipuani geladen. Aber der andere war auf dem Weg zu einem Goldbergwerk in Mapiri, obwohl er laut Dokumenten den Treibstoff zur Tankstelle von Teoponte bringen sollte. Verärgert eskortierten die Vertreter der Transportkooperative den zweiten Lastwagen bis zur Tankstelle von Guanay. Dort baten der Fahrer und die Verwalterin der Tankstelle inständig darum, die Ladung bis nach Mapiri durchzulassen. Das liegt drei Stunden entfernt von Guanay. Eine dortige Bergbaufirma habe die 24.000 Liter Diesel bereits bezahlt.
“Zuerst verkauft ihr an uns!”, befahl der Fahrer der Motor-Rikscha, der nicht namentlich genannt werden will. Die Vertreter der Transportkooperative schlossen sich der Forderung an. Bereits mehrere Tage hatten sie in der Schlange an der Tankstelle vergeblich gewartet. Der staatliche YPFB-Betrieb, der für die Ausbeutung, den Import und Verkauf von Treibstoffen zuständig ist, habe nichts geschickt, hatte es gehießen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der für die Tankstellen vorgesehene Dieseltreibstoff in Bergwerksbetriebe umgeleitet wird. Doch an jenem Tag im Mai verstand man besser, wie es konkret funktioniert, dass die Regierung über die Tankstellen legale wie illegale Goldbergbaufirmen in der Amazonasregion subventioniert.
Das Recherche-Team von La Brava und Mongabay hat die Region 2024 dreimal besucht. Mitte Juli – in der für den Bergbau günstigeren Trockenzeit – kam es auch nach Guanay. Von den drei Tankstellen dort war eine geschlossen. An den beiden anderen gab es lange Schlangen von Autos, Lastwagen, Motorrad-Rikschahs und Einzelpersonen mit Kanistern, die Benzin kaufen wollten. Seit Monaten war der Treibstoffmangel in verschiedenen Regionen Boliviens spürbar. An diesem Tag in Guanay war er ganz offensichtlich. Laut Regierung fehlten ihr Devisen, um den nötigen Treibstoff zu importieren.
Kooperativenbergbau und Treibstoffbedarf
Die hohe Nachfrage nach Dieseltreibstoff in der Region ist älteren Datums und eng mit dem Goldbergbau in Orten wie Guanay, Tipuani, Mapiri und Teoponte verknüpft.
Mehr als ein halbes Jahrhundert wird dort bereits Gold abgebaut. Doch seit 2019 hat das Goldfieber zugenommen. Lag der Anteil der Goldförderung in La Paz im Jahr 2018 noch bei 39%, stieg er bis 2022 auf 75% der bolivianischen Produktion. 2023 wurden in La Paz laut Zahlen des Bergwerksministeriums 46,6 Tonnen Gold abgebaut. Die damit verbundene Umweltzerstörung ist nicht zu übersehen. Berge wurden abgetragen, Flüsse umgeleitet (siehe auch diesen Beitrag in der ila-Zeitschrift über die Belastung mit Quecksilber).
Kooperativenwirtschaft und Nachfrage nach Dieseltreibstoff
Laut einer im Juni 2024 veröffentlichten Studie des CEDLA privilegiert die bolivianische Gesetzgebung die Kooperativen im Goldsektor. Sie hätten die Privatfirmen verdrängt, die den Markt noch im vorherigen Jahrzehnt dominiert hatten. Laut Bergwerksministerium produzierten die Kooperativen im Jahr 2022 bereits 99% des Goldes in Bolivien. Anders als Privatfirmen, die auch Steuern bezahlen müssen, entrichten die Kooperativen nur Konzessionsgebühren. Im Jahr 2022 waren das gerade einmal 2,5% der über 3 Milliarden US-Dollar Exporterlöse. Als steuerbegünstigte Kooperative gelten Personen, die sich für den Bergbau im handwerklichen Rahmen oder mittlerem Umfang zusammenschließen. Doch daraus sind im Laufe der Jahre häufig industriell arbeitende Betriebe geworden.
In diesen nehmen die Kooperativenmitglieder ihrerseits Arbeiter unter Vertrag oder verkaufen Konzessionen an Privatfirmen, obwohl das laut Artikel 151 des Bergbaugesetzes nicht erlaubt ist.
In Guanay, so ein Sprecher der Kooperativen, schlössen sich diese häufig mit Privatunternehmen zusammen. Sie würden dann die Claims, die der Staat dem Kooperativensektor genehmigt habe. “Mit dem Anstieg des Goldpreises haben die Kooperativen zugenommen und sind auch mehr Unternehmen in die Region gekommen, die immer mehr Treibstoff benötigen. Das kann man hier nicht mehr kontrollieren“, sagt ein Bewohner von Guanay, der nicht namentlich genannt werden möchte.
Laut Presserklärung der Aufsichtsbehörde für Treibstoffe ANH ist die steigende Nachfrage seit 2013 zu beobachten. Die für diese Recherche befragten Personen äußern übereinstimmend, dass die Entwicklung sich 2019 noch einmal beschleunigt habe. Francisco, der seinen tatsächlichen Namen nicht genannt haben will, bestätigt die Information, genauso wie alle anderen Kooperativenmitglieder, mit denen La Brava und Mongabay Latam gesprochen haben. Am Ufer des Coroico-Flusses sitzend erklärt er uns, dass alle drei Bergwerke, die in 200 Meter Entfernung zu sehen sind, von Privatunternehmen betrieben werden. Viele Kooperativen hätten nicht das Kapital für benötigte Maschinen und schweres Gerät. Deshalb würden bolivianische wie ausländische Unternehmen „unter Vertrag genommen.“
Nicht immer finde man auch Gold. Aber wenn, dann seien die Gewinne beträchtlich. Deshalb hätten er und seine Kooperative entschieden, selbst die Maschinen anzuschaffen, statt von dritten abhängig zu sein.
Viel Geld werde auch benötigt, um die Tausenden von Litern Diesel zu besorgen, mit denen die Maschinen am Laufen gehalten werden. Sei es bei der Goldgewinnung im Flussbett, an den Mündungen oder auf dem Land. Alle drei Abbauformen sind in Guanay üblich.
Das subventionierte Diesel hält die legale wie illegale Bergwerkswirtschaft am Laufen
Die benötigte Treibstoffmenge hängt von der Abbaumethode und damit der Anzahl der Maschinen und Fahrzeuge ab. Francisco verbraucht mindestens 25.000 Liter Diesel pro Monat für zwei Bagger, fünf Lastwagen, einen Schaufellader, zwei Wasserpumpen und einnen Lichtgenerator. So kann er rund um die Uhr auf der Erdplattform arbeiten.
Die Goldgewinnung im Fluss benötigt noch mehr Diesel. Befragte Kooperativenmitglieder schätzen eine Menge von mindestens 45.000 Liter im Monat. In größeren Betrieben seien es sogar über 120.000 Liter.
Bei den meisten Bergwerksbetrieben übersteigt die benötige Treibstoffmenge die Grenze dessen, was der Staat im April 2023 per Dekret als Grenze für den Bezug subventionierten Diesels festgelegt hat. Im Falle der Kooperativen wären das zwischen 5000 und 19.999 Liter im Monat. Das beruht auf der Annahme, dass die Kooperativen wenige Maschinen einsetzen. Mit dem Dekret sollte laut Begründung des zuständigen Ministers Franklin Molina verhindert werden, dass subventionierter Treibstoff illegalen Geschäftstätigkeiten zugute komme. Man habe auch Familienclans identifiziert, die größere Mengen Treibstoff aufgekauft und dann zu erheblich höheren Preisen weitergegeben hätten. Seit 2004 subventioniert der bolivianische Staat den Dieseltreibstoff, um ihn dem lokalen Markt für einen Preis von umgerechnet 0,53 US Dollar pro Liter zur Verfügung zu stellen. Auch den Kooperativen.
Niemand kennt die Menge des Treibstoffs, der von den Goldbergwerken in Bolivien verbraucht wird. Doch Héctor Córdova, Ex-Vizeminister für Bergbau und Erzverarbeitung und jetzt Forscher bei der privaten Stiftung Jubileo schätzt, dass der Sektor jährlich mit 977 Millionen US-Dollar subventioniert bzw. steuerlich begünstigt wird. Zwischen Januar und August 2022 wurden in Bolivien 1,48 Milliarden Liter Diesel verbraucht, 22 Prozent davon im Departement La Paz. Und der Norden von La Paz ist laut Überzeugung der Bergarbeiter diejenige Region, die am meisten Treibstoff benötigt. Hier kommt der Schwarzmarkt ins Spiel.
Damit eine Kooperative subventioniertes Diesel bekommen darf, muss sie registriert sein und über die Genehmigung der Bergwerksaufsicht (AJAM) verfügen. Ebenso muss ein Plan mit den für die Arbeiten benötigten Maschinen vorgelegt werden. Mit diesen Unterlagen erteilt die für kontrollpflichtige Stoffe zuständige Abteilung des Innenministerium die Genehmigung über das Volumen und den Endempfänger. Doch da diese Auflagen nicht immer erfüllt werden, verfügen in Guanay nur rund die Hälfte der 52 Kooperativen nach Einschätzung ihres Dachverbandes über die entsprechenden Genehmigungen.
Eloy Sirpa ist der Präsident des Regionalverbandes der Goldkooperativen in La Paz. Er vereinigt 18 lokale Vereinigungen mit zusammen mehr als 600 Kooperativen. Einige der Mitglieder, erklärt Sirpa, besäßen die Genehmigungen nicht, weil das im April 2023 eingeführte Registrierungsverfahren für die Maschinen die Vorlage von originalen Besitzurkunden verlangen. Aber viele verfügten nicht über diese Dokumente, weil sie die Maschinen gebraucht kaufen würden. Auch hätten häufig Kooperativen nicht nur Verträge mit einem, sondern gleich mehreren Privatunternehmen. Und alle bräuchten Dieseltreibstoff.
Ein illegal operierender Bergbauunternehmer schätzt, dass in Guanay von den 100 Kooperativen ohnehin die Hälfte nicht registriert seien. So sind diese illegal tätigen Betriebe auf den Schwarzmarkt angewiesen. Aber auch der Vertrag einer legal registrierten Kooperative mit einem Bergwerksunternehmen ist illegal. So gebe es mit der Subventionierung des Diesels für eine solche Kooperative automatisch eine direkte Unterstützung der Regierung für eine illegale Tätigkeit, mahnt der Wissenschaftler Alfredo Zaconeta. Hinzu kommen Hunderte Dorfbewohner, die nur mit Hilfe einer kleinen Wasserpumpe Gold gewinnen und ebensowenig über eine Genehmigung verfügen, aber Treibstoff benötigen.
Der Schwarzmarkt
“Wir können nicht aufhören zu arbeiten. Wenn der Bergmann aufhört zu arbeiten, gibt es keine Schulbildung, keine Gesundheit und kein Essen im Haus; deshalb sind wir gezwungen alles Mögliche zu tun, um – egal wie – an Diesel zu kommen. Und wenn ich die Arbeit stoppe, beginnt das Wasser zu steigen; wenn ich nicht pumpe, wird alles überschwemmt und ich verliere meine investierten vier Millionen Bolivianos“, erklärt ein Kooperativensprecher, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden will. „Alles Mögliche“ bedeutet, Diesel auf dem Schwarzmarkt zu besorgen: Ohne Genehmigungen, ohne Mengenbegrenzung, aber auch zu einem höheren Preis.
Selbst in Zeiten, in denen im ganzen Land und auch an den Tankstellen von Guanay der Treibstoff fehlte, wurden die Bergwerksunternehmen dank des Schwarzmarktes versorgt. An einem Mittwoch im Juli konnten wir auf der Strecke von La Paz nach Guanay zehn Tankwagen zählen, zum Teil im Abstand von fünf oder 20 Minuten hintereinander. Andere waren auf dem Rückweg. Man versicherte uns, dass an manchen Tagen um die 40 Tankwagen die Brücke zwischen Guanay und Teoponte kreuzen.
“Dieses Geschäft bewegt jeden Monat Millionen“, sagt Roger, ein Anwohner von Guanay über den Diesel-Schwarzmarkt. In der Regenzeit, wenn weniger Bergwerke arbeiten, kostet der Liter Diesel, der offiziell für 3,72 Bolivianos verkauft wird, zwischen vier und fünfeinhalb Bolivianos. Bei Treibstoffmangel, der meist mit der Trockenzeit und erhöhter Bergwerksaktivität einhergeht, haben die Bergwerksbetriebe nach eigenen Angaben zwischen acht und 20 Bolivianos pro Liter bezahlt. Im September gab es Tage, an denen der Liter auf dem Schwarzmarkt sogar 24 Bolivianos (umgerechnet 3,44 US-Dollar) gekostet habe, mehr als viermal so viel wie der offizielle subventionierte Preis. Für Córdova, gehört der illegale Verkauf von Treibstoff zusammen mit der mit dem Goldboom einhergehenden Prostitution und kommerziellen sexuellen Gewalt zu den einträglichsten Geschäften in der Region.
Der Dieselschwarzmarkt versorgt nicht nur die Bergwerkszentren Guanay, Tipuani, Teoponte und Mapiri, sondern erreicht auch Apolo, wo die illegale Bergwerkswirtschaft den Nationalpark Madidi erreicht hat, der zu den Naturschutzgebieten mit der höchsten Artenvielfalt weltweit gehört. Laut Informationen der Parkwächter gelangte allein in den Monaten April und Mai 2024 die Menge von 271.533 Litern Treibstoff in zwei dortige Zonen der Goldgewinnung.
Der Schwarzmarkt versorgt auch illegale Bergwerke, die seit zwei Jahren in der Region Caranavi den Fluss und die Landwirtschaft schädigen. Mindestens seit dem Jahr 2019 sind die Bergwerksbetriebe auf den Schwarzmarkt angewiesen. „Wir müssen das akzeptieren“, sagt ein Kooperativenmitglied.
Die Rolle der Tankstellen
Genauso wie die Bergwerksbetriebe kauft auch der Transportsektor den Dieseltreibstoff für mehr als den festgesetzten subventionierten Preis an den Tankstellen. “Es ist gelogen, dass der Liter 3,72 Bolivianos kostet. Selbst wenn genug Diesel auf Lager ist, zahlen wir vier bis viereinhalb Bolivianos, selbst wenn wir Genehmigungen haben und alles legal abläuft“, erklärt ein Kooperativensprecher. Obwohl sie sich beschwert hätten, dass die Tankstellen den Treibstoff teurer verkaufen, sei nichts passiert. Wenn ein Ortsbewohner reklamiere, bekäme er schlicht kein Diesel verkauft. So hat man sich daran gewöhnt, dass der Verkaufspreis auch für Benzin höher als der festgelegte staatliche Preis liegt, obwohl auf der Quittung, die sie bekommen, etwas anderes steht.
Die Tankstellen, heißt es, kontrollieren den Schwarzmarkt im Norden von La Paz. “Der Treibstoff, der zu den Tankstellen gebracht wird, wird mit den gleichen Tankwagen weitergeleitet“, sagt der Generalsekretär der Transportvereinigung Larecaja Jhonny Divico in seinem Büro in Guanay. Laut Daten der Aufsichtsbehörde wurden den drei Tankstellen von Guanay ingesamt 1.500.000 Liter Diesel zugewiesen. 80% davon waren für die Bergwerkswirtschaft vorgesehen, bestätigt der Kooperativendachverband. Laut Angaben der Kreisverwaltung wurden die Lieferungen seit Mai wegen Devisenmangels jedoch um die Hälfte reduziert. Und wenn die Tankstellenbetreiber sagen, dass sie keinen Treibstoff haben, wie es häufig geschieht, sind die Kunden gezwungen ihn zu einem erhöhten Preis von Zwischenhändlern oder den Tankstellen selbst zu beziehen.
“Die Tankstellen ziehen es vor, den Treibstoff zu einem höheren Preis an Wiederverkäufer abzugeben, und diese verkaufen ihn wiederum zu einem noch höheren Preis an die Kooperativen“, erklärt Francisco. Laut Augenzeugen geschieht das auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen würden nachts, wenn die Tankstellen offiziell geschlossen sind, Behälter von bis zu 200 Liter abgefüllt. Der Bürgermeister von Guanay Victor Ticona berichtet, dass sein Amt 2022 versucht habe, die Verkaufsdokumente vorgelegt zu bekommen, um den Handel zu kontrollieren. Zwei Tankstellen seien dem nachgekommen, die dritte nicht.
Die Tankstellen sind verpflichtet, die Ausweisdaten der Käufer zu registrieren, damit die monatlich genehmigte Höchstmenge nicht überschritten wird. Doch zahlreiche Personen in Guanay und anderen Ortschaften wie Buenaventura haben berichtet, dass sie nach langen Warten in der Schlange und obwohl ihnen 120 Liter monatlich für den Verkauf in Kanistern zustehen, nach dem Erwerb von gerade einmal 20 Litern gesagt bekommen hätten, dass ihr monatliches Kontingent bereits ausgeschöpft sei.
Eine andere Form der Umleitung der Kontingente ist, dass die Tankwagen mitten auf der Strecke anhalten, um einen Teil der Ladung in kleinere Tanks auf bereit stehenden Pickups oder kleineren Lastwagen umzufüllen. Diese bringen den Treibstoff dann zu den Bergwerksbetrieben.
Das ist in diesem Video zu sehen, das eine Mitarbeiterin der Aufsichtsbehörde gefilmt hat. Doch sie konnte nicht gegen die Verantwortlichen vorgehen, weil sie von einer Gruppe von Personen daran gehindert wurde. So musste die Staatsangestellte den Ort in einem Polizeifahrzeug verlassen. Das Abzweigen von Dieseltreibstoff ist weit verbreitet und geschieht, obwohl die Tanklastwagen zur Ortung per GPS verpflichtet sind.
Die Tankwagen, die die Bergwerksregion im Norden von La Paz erreichen, kommen laut Aufsichtsbehörde aus 17 verschiedenen Munizipien von La Paz oder dem Nachbardepartament Beni. Selbst Ladungen, die für Tankstellen in der bolivianischen Hochebene zugeteilt waren, landen in den Bergwerkszentren im Norden von La Paz. Dies geschieht über zwei Routen. Die erste über die Straße nach Caranavi bis zur Brücke nach Coroico, von wo die Tankwagen weiter Richtung Teoponte oder Guanay, und von dort nach Tipuani, Mapiri oder Apolo weiterfahren. Die zweite Route geht von Palos Blancos Richtung Mayaya, dem derzeit wichtigsten Bergwerkszentrum von Teoponte.
Eine Quelle im für Treibstoffe zuständigen Ministerium, die nicht namentlich genannt werden will, bestätigt, dass nach ihren Recherchen dafür vor allem die Tankstellen verantwortlich sind. Und ähnlich wie in den Bergwerkszentren, würden auch in den Zonen der Agroindustrie in der östlichen Tieflandregion von Santa Cruz überhöhte Preise gezahlt, vor allem in der Erntezeit.
Ein Millionengeschäft auf dem Schwarzmarkt
Laut Antwort des Erdöl- und Erdgasministeriums auf eine Anfrage des oppositionellen Senators Fernando Vaca wurden 2023 offiziell über 54 Millionen Liter Treibstoff an Bergwerksunternehmen und Kooperativen im Department La Paz verkauft. In den ersten drei Monaten 2023 waren es gut 16,5 Millionen Liter. Zwar wird dort nicht spezifiziert, um welchen Treibstoff und welche Landkreise es sich handelt. Doch nach Berechnungen von La Brava hat die Regierung die Bergwerkswirtschaft in der Region allein im Jahr 2023 mit über 280 Millionen Bolivianos (umgerechnet gut 37 Millionen Euro) subventioniert. Der reale Preis für das importierte Diesel lag in jenem Jahr bei 8,88 Bolivianos. Davon hat die bolivianische Regierung 5,16 Bolivianos aus eigenen Mitteln übernommen.
Und ein Teil dieser staatlichen Subventionen füttert den Schwarzmarkt, der sowohl legale wie illegale Bergwerksbetriebe in der Amazonasregion von La Paz versorgt. Der aus anderen Landesteilen abgezweigte Treibstoff, der im Norden von La Paz landet, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Die Recherche und Reportage ist eine Gemeinschaftsproduktion von LA BRAVA (Bolivien) und Mongabay Latam und wurde in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk zu Forschungen über den Tropenwald des Pulitzer-Center erstellt. Kürzung und Übersetzung ins Deutsche: Peter Strack