Jedes Jahr flammt in Bolivien mit den Waldbränden (wie hier in der anschaulichen englischsprachigen Reportage aus Buenaventura im Norden von La Paz beschrieben) auch die politische Debatte auf (siehe auch diesen früheren Beitrag auf latinorama). Die Regierung fernab in La Paz wiegelt ab. Eine Ministerin vertritt gar die These, die Feuer würden von rechten Oppositionellen gelegt, um die Regierung zu schwächen. Die indigene Gemeinden und Aktivist*innen fordern dagegen ein stärkeres Engagement der staatlichen Stellen bei der Erfüllung der international übernommenen menschenrechtlichen Verpflichtungen, und ganz konkret beim Löschen. Zwar wurden jüngst die Strafen für das Legen von Feuer erhöht, doch andererseits kritisierten zum Beispiel Agrarproduzent*innen in Buenaventura nun, dass die Polizei zwei Mitglieder eines Löschteams festgenommen und in Untersuchungshaft genommen habe, statt die Brandstifter.
„Die Brände sind nicht gelöscht, weil für sie gelöhnt wurde“ („El fuego no se apagó, porque se pagó“) reklamiert ein Plakat einer Aktivistin in La Paz die politische Verantwortung für die Zerstörung: Die jährliche Vernichtung eines Teils der Trocken- und Tropenwälder zur Ausweitung der Agrarexporte und Biodieselproduktion ist erklärtes Planungsziel und hat unter Präsident Luis Arce Catacora Rekordhöhen erreicht. Agroindustrie, Siedler, Goldbergbau, Kokabauern, aber auch indigene Familien, die ihre althergebrachten Prinzipien von einem harmonischen Leben im Einklang mit der Natur kurzfristigen Einnahmeerwartungen geopfert haben, tragen dazu bei. Darüber sprachen wir mit Abel Iaira Guaguasu.
Der 39jährige kommt aus der Gemeinde Biá Recuaté und ist als Generalkazike Oberhaupt der Yuki. Als letztes unabhängig lebendes Tupi-Guaraní-Volk Boliviens hatte es erst Ende der 1960er Jahre Kontakt mit der Nationalgesellschaft aufgenommen. Mit wenigen hundert überlebenden Mitgliedern ist diese Kultur vom Aussterben bedroht.
Sie waren gerade in Santa Cruz bei der Nationalen Forstbehörde um sich über deren lokales Personal zu beschweren. Was ist der Hintergrund und die aktuelle Situation ihres Volkes?
Meine Gemeinde liegt in der Provinz Carrasco etwa eine Wegstunde entfernt von der Überlandstraße zwischen Cochabamba und Santa Cruz. Hier leben 480 Personen, 220 davon sind Biá Yuki. Unsere Hauptprobleme sind Hautkrebs und Tuberkulose. Wir haben unsere eigene Sprache und Kultur. Früher waren wir Nomaden im Urwald. Traditionell leben die Yuki nicht vom Ackerbau, sondern vom Fischen, Jagen und Sammeln von wildwachsenden Früchten und Honig. Aber als 1967 die Missionare von der New Tribes Mission kamen, wurden wir in einem Ort angesiedelt. 1999 bekamen wir ein festes Territorium zugesprochen, damit wir unsere Kultur erhalten können, unsere Kultur respektiert wird und der Staat uns schützen kann. Unsere Vorfahren haben allerdings ein Abkommen unterschrieben, dass es einigen Yuracaré-Familien und Trinitario-Mojeño aus den Nachbarregionen erlaubte, sich auf unserem Land anzusiedeln.
Indigene gegen Indigene und gegen die Natur
Und sie gefährden heute unsere Lebensform. Sie fällen Bäume und zerstören auch die geschützten Gebiete, die für die Regeneration des Waldes wichtig sind. Sie sind nicht mehr wie Geschwister, sondern stellen eine Bedrohung für uns dar. Sie sehen sich als etwas Besseres und wir sind nur noch wenige.
Yuracaré und Trinitario-Mojeño sind ebenfalls Tieflandvölker. Anders als die Siedler aus dem Hochland müssten sie die Verhältnisse und Lebensweise vor Ort kennen und die Amazonas-Wälder entsprechend schützen.
Sie waren immer sesshaft, haben Ackerbau betrieben, haben Maniok und Bananen angebaut. Sie berufen sich aber auf ihre materiellen Bedürfnisse, die sie mit der illegalen Abholzung und dem Holzverkauf befriedigen würden.
Es gibt einen genehmigten Forstnutzungsplan für unser Territorium, in dem auch die Yuracaré und Mojeños berücksichtigt sind. Trotzdem fällen sie weiter Bäume in Zonen, die für uns heilig sind und für künftige Generationen bewahrt werden müssen. Wir haben deshalb bei der regionalen Forstbehörde Anzeige erstattet, auch wegen dem illegalen Abbrennen von geschützten Wäldern.
Strafen für die Walschützer?
Aber statt Maßnahmen zu ergreifen, kritisierte die regionale Forstbehörde von Cochabamba stattdessen uns. Wir seien schließlich die Besitzer. Und deshalb würden sie uns wegen der Feuer und Abholzungen auf unserem Territorium Strafen auferlegen.
Von umgerechnet etwa 14.000 Euro war die Rede. Das Geld haben wir nicht. Während sie die Täter nicht belangen wollten. Deshalb haben wir uns an die vorgesetzte nationale Forstbehörde gewandt, damit sie einschreiten und die Zerstörung gestoppt wird. Diesmal haben sie uns sehr gut aufgenommen und uns zugehört. Sie hätten auch Satellitenaufnahmen, auf denen sie die illegalen Abholzungen verifizieren könnten. Und sie haben einen Kontrollbesuch vor Ort angekündigt, um die Täter zu identifizieren.
Ist der Kokaanbau und Drogenhandel ein Problem im Territorium der Yuki?
Es ist eine unendliche Geschichte. Die Koka gehört nicht zu unsere Lebensweisen. Aber die Yuracaré und Mojeños bauen Koka selbst dort an, wo keine Äcker angelegt werden dürften und obwohl sie sich, als sie in unser Territorium gekommen sind, verpflichtet haben, auf den Koka-Anbau zu verzichten. Die Siedler im Chapare und Carrasco haben ihr System und Regeln für den Kokaanbau. Aber es gibt keinen Grund, warum wir da mit hineingezogen werden sollten.
Der Staat sollte garantieren, dass unsere Lebensweise respektiert wird
Wir wünschen uns, dass die staatlichen Stellen enger mit uns zusammenarbeiten. Wir sind erst seit kurzer Zeit in den Staat integriert und kennen uns deshalb nicht so gut aus. Wir sind ein Nomadenleben in den Wäldern von Santa Cruz, dem Beni und Cochabamba mit wechselnden Wohnstätten gewohnt, je nach Jahreszeit und Klima. Der Ackerbau spielte dabei lange keine Rolle. Viele Leute sagen deshalb, wir seien schmutzig und faul. Unser Territorium umfasst 115.000 Hektar. Das ist für unsere Lebensweise aber gar nicht viel. Ursprünglich waren es sogar 127.000 Hektar. Aber durch Ansiedlungen und Holzhändler wurde die Fläche reduziert.
Um so wichtiger ist es, dass das restliche Territorium geschützt wird. Es ist Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass unsere Lebensweise und unsere Weltanschauung respektiert wird. Wir fühlen uns dabei weitgehend im Stich gelassen.
Nachbemerkung: Dank rechtlicher Beratung und Unterstützung bei den eigentlich zuständigen Behörden konnten die Yuki neben der Vereinbarung einer Prüfung der Abholzungen und der Erfüllung des Waldnutzungsplans durch die Nationale Forstbehörde, dessen Ergebnisse abzuwarten sind, auch erreichen, dass ein Notar beurlaubt wurde, der den illegalen Verkauf von Gemeindeland im Territorium der Yuki, beglaubigt und damit zur weiteren Reduzierung ihres Territoriums beigetragen hat. Doch die Zahl ähnlicher Fälle erfordert ein systematisches Eingreifen der staatlichen Stellen zum Schutz der Rechte der indigenen Völker des Landes.
Es waere gut zu wissen, was wir und NGO`s tun können, um die Probleme nachhaltig zu ändern/lösen? Dazu brauucht es Strategien… und finanz. Mittel…!? Die betroffenen Einheimischen wissen das am besten und sollten uns informieren! Dr. D. Busse, Hasbergen,