… und danke für den Fisch: Der Abgesang des „Mercurio“ auf Puerto Montt
Der Ingenieur Quintana verdiente bis vor kurzem 5 Millionen Pesos (6.500 Euro) in einer Firma, die hydraulische Anlagen für die Lachsindustrie installiert und wartet. Die beiden Kinder besuchten die teuerste Schule am Ort, die Familie mietete ein großes Haus mit Garten, ging an den Wochenenden gut essen oder ins Casino von Puerto Varas, alles lief wie geschmiert. Dann geriet der Lachs in die Krise. Heute kann die Familie kaum noch ihre über diverse Kreditkarten angehäuften Schulden bedienen, weil der Arbeitgeber seit Monaten die Gehaltszahlungen stundet.
Was bei unserer Ankunft in Puerto Montt noch wie ein dunkle Wolke über der Stadt hing, ist längst Realität geworden: Der Lachs-Boom, das große Geschäft mit dem Mastfisch, das ein gutes Jahrzehnt lang Geld und Menschen anspülte, ist in sich zusammengebrochen. In dieser Zeit schufen die Produzenten, direkt oder indirekt, an die 15.000 neue Arbeitsplätze – pro Jahr. Überall entstanden auf der grünen Wiese Zuliefer- und Servicefirmen, der Einzelhandel und der Wohnungsbau explodierten. Ende 2006 herrschte praktisch Vollbeschäftigung. Dann, im Juli 2007 traten sie ersten Fälle des ISA-Virus auf.
Jetzt, im ersten Quartal 2009, ist die Arbeitslosenquote auf 10,4 gestiegen. In den letzten 12 Monaten sind nach offiziellen Angaben in der Provinz 17.000 Jobs weggebrochen. Und ein Ende ist nicht absehbar. Ein Freund, der für einen norwegischen Investor arbeitet, drückt es so aus: „Ab Oktober gibt es keinen Lachs mehr in Puerto Montt.“ Aufgrund der Infektionsgefahr setzten die meisten Firmen keine Jungtiere mehr in die Schwimmkäfige ein. Und wenn die erstmal leer sind, dauert es anderthalb Jahre, bis ein neuer Zucht- und Mastzyklus abgeschlossen ist.
Der „Mercurio“ zitiert Carlos Odebret, den Geschäftsführer des Branchenverbands SalmonChile: „In anderthalb Jahren haben wir die Gewinne von zehn Jahren verloren.“ Zum Lachs-Virus, der sich rasant ausbreitete, kam die Weltwirtschaftskrise, die Banken geben keine billigen Kredite mehr und fordern Garantien, die die klammen Firmen nicht aufbringen können.
Odebret will jetzt das Lachs-Geschäft umkrempeln: „Es hat uns an Professionalität gemangelt. Wir müssen in Zukunft verantwortlicher mit dem Meer als Standort umgehen, wir brauchen Ruhephasen zwischen den Produktionszyklen und einen rechtlichen Rahmen zur Herstellung ökologisch verträglicher Bedingungen.“ Das sind keine neuen Erkenntnisse, aber noch vor zwei Jahren haben sie niemanden interessiert. Da floss das Geld ja noch in Strömen.
Bis die Industrie wieder Fahrt aufnimmt, ist es – wenn überhaupt – noch ein weiter Weg. Und die Talsohle ist noch lange nicht erreicht, man rechnet frühestens ab 2012 mit einem Aufschwung. „Ich fürchte, dass Puerto Montt eine Geisterstadt wird“, sagt Alvaro Quintana im „Mercurio“, „wie die Salpeter-Städte im Norden.“ Dabei sieht man von der Krise noch nicht viel auf den Straßen. Noch haben genug Menschen genug Geld, und sei es aus der Abfindung, die sie bei ihrer Kündigung erhalten haben. Noch werden die Hochhäuser zu Ende gebaut, die vor zwei Jahren projektiert wurden. Der Motor ist ausgefallen, aber das Auto rollt noch.
Dazu kommen verstärkte öffentliche Investitionen, mit denen der Staat die Krise – landesweit – abzumildern versucht. Diese Mittel fließen in Straßenbau oder Grünflächenarbeiten. Im Mai und im Juni haben Brigaden arbeitsloser Frauen wochenlang Erde abgetragen, Löcher gebuddelt, Büsche gepflanzt und Rollrasen verlegt. Der verwandelt sich jetzt im Juliregen zu Matsch. Es sieht nicht gut aus für Puerto Montt.