vonClaudius Prößer 06.06.2009

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Estoy pato heißt auf Chilenisch so viel wie „ich bin blank“. Was ein akuter Mangel an Liquidität mit einer Ente (pato) zu tun hat, kann niemand genau erklären, aber die BancoEstado, eine staatliche Bank mit Sparkassencharakter, warb vor ein paar Jahren im klammen Monat März mit einem Fernsehspot für Konsumkredite, in dem tausende niedliche Entchen durch das Zentrum von Santiago wackelten. Damit konnten sich die chronisch unterfinanzierten Chilenen nur zu gut identifizieren – die Kampagne war ein voller Erfolg.

Seitdem hat sich die Ente zum zentralen Werbe- und Sympathieträger für die BancoEstado gemausert – das heißt, gemausert hat sie sich eben nicht, sie ist immer noch klein und gelb, wie frisch geschlüpft. In einer langen Reihe populärer TV-Spots tritt sie in den verschiedensten Zusammenhängen computeranimiert auf, meistens in einem bekannten historischen Kontext, dem sie eine absurde Wendung gibt.

Erstaunlicherweise hat sich die katholische Kirche noch über keinen der Spots beschwert, in denen das Tierchen an der Krippe von Betlehem steht („Ganz der Vater“, so sein Kommentar), Adam und Eva ein Fer­tig­haus zu günstigen Konditionen anpreist oder als Moses den Is­ra­e­li­ten statt Gesetzestafeln Kreditkarten präsentiert.

Bitter beschwert haben sich dagegen rechte Parlamentarier, als das Entchen auf der „Esmeralda“ auftauchte, dem chilenischen Schlachtschiff, das 1879 von den Peruanern in der Bucht von Iquique versenkt wurde und dessen Kommandant Arturo Prat – so will es zumindest die Legende – in Todesverachtung auf das feindliche Schiff sprang, wo er recht bald sein Leben ließ. Prat dient dem chilenischen Staat bis heute als Nationalheld Nummer eins, und die Abgeordneten empfanden es als „unerhörte Respektlosigkeit“, dass da im ent­scheidenden Moment eine kleine gelbe Ente auf der Reling sitzt, die den Admiral fragt: ¿Está seguro? (damals ging es um eine Versicherung).

Nie vollständig ausgetrahlt wurde auch ein Spot, der den Film „300“ persifliert. Die Ente erscheint lediglich am Ende, um mit der Stimme von Augusto Pinochet ein Estamos en guerra, señores herauszuquetschen.

Ob die Verantwortlichen kalte Füße bekamen, weil sie Kritik von rechts, von links oder von beiden Seiten befürchteten, ist nicht bekannt, aber der ironische Verweis – also der gesamte Entenauftritt – wurde he­raus­geschnitten und ist lediglich auf Youtube zu sehen.

Historische Vergleiche sind überhaupt en vogue in Chile, auch wenn das bisweilen, wie im folgenden Fall, gar nicht mehr lustig ist: Bei ihrem jüngsten Staatsbesuch in den Niederlanden hatte Präsidentin Michelle Bachelet das Anne-Frank-Haus in Amsterdam besucht und im Rahmen eines Gesprächs auf ihren eigenen Aufenthalt im Folterzentrum „Villa Grimaldi“ Bezug genommen, wo sie als junge Frau nach dem Putsch für mehrere Wochen festgehalten und misshandelt wurde.

Der Vorsitzende der rechten Partei Renovación Nacional, Carlos Larraín, warf Bachelet prompt vor, mit ihrer persönlichen Geschichte hausieren zu gehen – ganz so schlecht sei es ihr ja offensichtlich nicht ergangen, sonst wäre sie jetzt nicht Präsidentin. Später verschärfte er seine Kritik noch, mit einem mehr als gewagten Meta-Vergleich: Die Parallele, die Bachelet angeblich zwischen sich und Anne Frank gezogen habe, suggeriere, dass die Juden am Holocaust selbst schuld seien – denn die chilenische Linke habe die Gewalt der Militärs ja bekanntermaßen durch ihre Politik selbst entfesselt. Auf sowas muss man erst mal kommen.

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