Seit ein paar Jahren geht es den salmoneras aber nicht mehr so richtig gut – obwohl sie (die norwegischen, die japanischen und auch die einheimischen) kaum Abgaben an den chilenischen Staat leisten müssen und die Arbeitskraft weiterhin schön billig ist. Schuld daran ist vor allem ein Virus namens ISA – das „Lachs-AIDS“, wie die Menschen in der Region etwas vereinfachend sagen. Die „Infektiöse Lachsanämie“ wurde mutmaßlich aus norwegischen Aquakulturen eingeschleppt und hat schon viele Millionen Exemplare des Edelfischs dahingerafft. Auf der anderen Seite machte den Exporteuren bis vor kurzem der niedrige Dollarkurs zu schaffen – und dann ist da noch die Sache mit den Umweltschützern.
Ökologisch betrachtet ist Aquakultur nämlich mindestens umstritten, zumal so, wie sie in Chile praktiziert wird. Zu viele Fische auf zu engem Raum, zu viele Futterreste und Kot, die die Gewässer verseuchen, zu viele Medikamente und Hormone. Lachse, die den Netzen entkommen – das sind nicht wenige -, fressen ganze Küstenabschnitte leer. Außerdem: Um den Lachs zu mästen, benötigt man ein Vielfaches an Wildfisch, der als Mehl verfüttert wird. Eine Lösung für die weltweiten Ernährungsprobleme sieht anders aus.
Ausgezeichnete Aufklärungsarbeit bertreibt in Chile die Kampagne Sin Miedo contra la Corriente (Furchtlos gegen den Strom), die von Oxfam und der chilenischen Umweltorganisation Terram getragen wird. Den Unternehmen ist so etwas natürlich mehr als ein Dorn im Auge, denn Behörden und Konsumenten in den Zielmärkten reagieren recht sensibel auf schlechte Nachrichten. Ein Artikel in der New York Times, der auf den ungehemmten Einsatz von Antibiotika und anderen Mitteln hinwies, sorgte im April dieses Jahres für gehörige Aufregung: Mehrere US-Supermarktketten kündigten an, chilenischen Lachs aus ihrem Sortiment zu streichen, der chilenische Botschafter in den USA musste Feuerwehr spielen. Am Ende solcher Skandale stehen dann wieder Selbstverpflichtungen der Industrie, die bestehenden Grenzwerte einzuhalten.
Jetzt gibt es schon wieder schlechte Presse für den chilenischen Fisch: aus Deutschland. Da hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gerade in mehreren Stichproben Rückstände eines als krebserregend geltenden Fungizids und eines antiparasitären Medikaments entdeckt, die in der Bundesrepublik gar nicht zugelassen sind. Das Amt hat die Ergebnisse an die Länder weitergeleitet, die nun über Verzehrwarnungen entscheiden müssen. In Chile spielt man die Nachricht (die in Deutschland noch nicht einmal über die Ticker gelaufen ist) vorsorglich herunter. César Barros, Vorsitzender des Branchenverbands SalmónChile, gab zu Protokoll, man habe andere Sorgen als „winzige Verunreinigungen in einer Lieferung“, die vermutlich auf irgendeinen Verarbeitungsfehler zurückzuführen seien. Aber – das weiß inzwischen jeder hier – auch winzige Verunreinigungen können das Geschäft mit dem Lachs gehörig trüben.