vonGerhard Dilger 18.03.2013

Latin@rama

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Die Zustände an den deutschen Auslandsschulen in Lateinamerika und anderswo sind reformbedürftig. Das neue, von der schwarz-gelben Koalition geplante Auslandsschulgesetz geht allerdings an den wichtigsten Problemen vorbei. In der folgenden Petition an Bundesregierung und Bundestag – und in den Kommentaren dazu – werden einige zentrale Punkte angesprochen:

Das neue Auslandsschulgesetz sieht vor, die Beihilfen für die Schulen zu erhöhen, abhängig von “nachhaltig hohen Abschlusszahlen”. Damit sollen die Schulen finanziell unabhängiger und besser ausgestattet werden. Wir fordern die Politiker auf sicherzustellen, dass das Geld pädagogisch sinnvoll eingesetzt wird, z. B. um gute Lehrer zu halten und um Kinder von Auslandsdeutschen und sozial Schwachen Stipendien zu garantieren. Denn sonst wird der Trend anhalten, dass deutsche Auslandsschulen Ghettos für die Geld-Elite werden. Dafür sind deutsche Steuergelder zu schade!

Auslandsschulen gehören normalerweise zu den teuersten Privatschulen der jeweiligen Länder, an denen die wirtschaftliche und politische Elite ausgebildet wird und sind sehr luxuriös ausgestattet. Bitte schauen Sie sich nur einmal die Internetauftritte der Schulen an – hier oder hier.

Das Lehrmaterial wird in der Regel von den Eltern finanziert (Bücher) bzw. über Basare und andere Schulveranstaltungen aufgebracht (smartboards, Instrumente etc.) Über die finanzielle Verwendung der Schulgelder müssen die Schulvereine keine Rechenschaft ablegen, meistens sind sie nicht einmal steuerpflichtig. Diesen Freiraum gewähren ihnen in den meisten Fällen die lokalen Gesetze. Das Auswärtige Amt prüft lediglich die deutschen Beiträge (zu 80-90% Gehälter der entsandten Lehrer). Das hat leider in der Vergangenheit zu Intransparenz und Korruption geführt, Beispiel ist dieser Betrugsfall, der in Mexiko vor Gericht verhandelt wird.

Ein grosses Problem der Auslandsschulen ist es, geeignete lokale Lehrer zu finden und zu halten. Dies liegt oft an den verschwindend geringen Ortsgehältern. Doch die Ortslehrkräfte sind das Rückgrat der Schule (siehe auch VDLIA Heft 4/2012, Artikel von Martin Gabel). In Mexiko beispielsweise wird das Gehalt eines Ortslehrers mit dem Schulgeld von eineinhalb bis zwei Schülern abgedeckt (durchschnittliche Klassengrösse: 25).

Die Aufstockung des Etas für deutsche Auslandsschulen wäre nur dann sinnvoll, wenn sichergestellt würde, dass davon nicht nur Prestigeprojekte wie Kunstrasenplätze, Autogrammstunden mit Fussballstars und Kinderkrippen in Shoppingcentern (um nur ein paar Beispiele aus Puebla zu nennen) finanziert werden, sondern das Geld auch nachhaltig in die Pädagogik investiert wird. Insbesondere wünschenswert wäre es, die Schulen zu Stipendienprogrammen zu verpflichten, die auch ein Beitrag zur Demokratisierung und zur Verringerung der sozialen Bresche in den meisten Entwicklungsländern wären. Empfehlenswert hierzu dieser Artikel.

Denn sonst laufen die deutschen Schulen Gefahr, immer mehr ein „Spielplatz für die an Deutschland wenig interessierte Geldelite“ zu werden (Martin Gabel im VDLIA: „Für die Schulpolitik sollte daraus folgen, dass man besonders die bildungs- und aufstiegsorientierte akademische Mittelschicht anspricht. Für diese muss dann aber auch das Schulgeld bezahlbar bleiben. Wenn schon Ärzte oder Rechtsanwälte dies nicht mehr können, scheint auch die pädagogische Orientierung der Schule in Frage gestellt. Deutsche Schulen sind keine Kuschelecken für Kinder der Finanzelite, dafür ist das Geld der Steuerzahler zu schade.“).

Zu berücksichtigen wäre sicher auch das im Grundgesetz verankerte Recht auf Bildung. Es gilt bislang nicht für Deutsche im Ausland; das AA argumentiert damit, dass dieser Anspruch nicht ausserhalb des Geltungsbereich des Grundgesetzes geltend gemacht werden kann. Was allerdings a) die völkerrechtliche Frage aufwirft, ob grundlegende Menschenrechte territorial gebunden sind bzw. warum die Grundrechte der Kinder im Ausland nicht gleichwertig sind mit den Grundrechten der Kinder im Inland, b) ob dies in Zeiten des globalen Wettbewerbs noch sinnvoll ist, denn dadurch gehen tausende deutscher Kinder, deren Eltern sich keine deutsche Schule leisten können, als potenzielle Arbeitkräfte und Multiplikatoren für den deutschen Arbeitsmarkt und die deutsche Kultur verloren und c) ist in diesem Zusammenhang interessant, dass andere europäische Länder dies anders handhaben, also beispielsweise französische Schulen von französischen Kindern kein Schulgeld verlangen. Dieses Verständnis von Staatsbürgerschaft sollte auch für Deutschland selbstverständlich sein.

Zusammengefasst wäre es aus unserer Sicht angeraten, die Gewährung zusätzlicher Gelder nicht nur an „nachhaltig hohe Abschlusszahlen“ zu binden, sondern auch an folgende Kriterien:
1. Anreize für die Kinder von Auslandsdeutschen zu schaffen, d. h. deren Kinder von den Schulgeldern ganz oder zumindest teilweise zu entbinden.
2. Stipendien massiv auszubauen
3. Die transparente und pädagogisch sinnvolle Verwendung der Finanzmittel sicherzustellen und dabei möglichst partizipative, demokratische Ansätze in den Schulvereinen zu fördern (Mitspracherecht der Eltern und Lehrer, Schulkonferenzen, die nicht nur pro forma auf dem Papier stehen sondern wirkliche Entscheidungsbefugnis haben). Dies wären sinnvolle und nachhaltige Beiträge zur Entwicklungshilfe und zur Verbesserung des deutschen Images im Ausland.

Wir bitten Sie, diese Vorschläge ins neue Auslandsschulgesetz einzuarbeiten.

Foto: AA-Staatssekretärin Cornelia Pieper (FDP). Hier unterschreiben.

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https://blogs.taz.de/latinorama/wichtige-petition-auslandsschulgesetz-andern/

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kommentare

  • Lieber Herr Schreiner,
    die deutschen Auslandsschulen befinden sich in den meisten Ländern im oberen Preissegment der Privatschulen. Sie können gerne mal nachfragen und Vergleiche anstellen, etwa in Singapur, Sao Paolo oder Bogotá. Was die Gemeinnützigkeit angeht, so richtet die sich nach dem jeweiligen Ortsrecht, und da gibt es oft juristische Stolperfallen. In Mexiko sind die Schulen rechtlich so aufgestellt, dass zwar keine Gewinne angestrebt werden, diese aber durchaus erlaubt sind (und nicht besteuert werden!). Es gibt viele juristische Konstrukte, diese Gemeinnützigkeits-Auflage zu umgehen, etwa indem die Schulvereine ausgelagerte Service-Dienstleister gründen, über die dann Lehrer eingestellt werden und z.B. die Wartung/Informatik/Betriebspersonal läuft. Dann gibt es Schulkantinen und Schreibwärengeschäfte, die der Schule angegliedert sind, aber juristisch gesondert laufen und gute Gewinne abwerfen. Buchhalterisch kann da auch einiges Geld hin- und herverschoben werden. All das ist natürlich nicht gemeinnützig und unterliegt keiner Prüfung deutscher Institutionen (die prüfen nur dt. Steuergelder, zum Grossteil Lehrergehälter). Daher ist aus Sicht der Petitionsunterzeichner unbedingt mehr Transparenz vonnöten.

  • Ihr Bericht geht größtenteils an dem eigentlichen Problem bezogen auf das neue Auslandsschulgesetz vorbei. Die meisten Auslandsschulen sind non-profit- Organisationen, und die Fördermittel aus Deutschland kommen direkt den Eltern in Form von niedrigeren Schulgeldgebühren zugute. Wenn im Auslandsschulgesetz aufgrund der Festlegung von Obergrenzen für Abiturienten nur noch 45 der 140 Auslandsschulen gefördert werden, dann wird das Schulgeld für die Eltern der 95 nicht geförderten Auslandsschulen drastisch steigen. Dies führt dann zu einem Exodus ganzer Deutscher Auslandsschulen oder aber zu einer zwangsweisen Veränderung des von ihnen beschriebenen Klientels.

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