Im Mittelfeld bewegten sich Marco Enríquez-Ominami, der Querschläger aus den Reihen der Sozialistischen Partei, dessen jugendlich-rebellisches Image unter dem stark reglementierten TV-Format litt, und Ex-Präsident Eduardo Frei, Kandidat der regierenden Concertación, bei dem man nicht genau weiß, ob man seinen Habitus als empathiearm oder cool bezeichnen soll. Vermutlich wüsste er es selbst nicht.
Aus Sicht der Zuschauer klarer Verlierer war hingegen Sebastián Piñera, der für die rechte Alianza por Chile Präsident werden und das rechte Trauma überwinden will, seit 50 Jahren keine Wahl mehr gewonnen zu haben. „Sebastián Piñera, Presidente 2010-2014“ steht über seiner Kampagnenwebsite, aber so sicher kann er sich des Erfolgs nicht sein, allen Abnutzungserscheinungen der Concertación zum Trotz. Piñera war schlecht gekleidet, drosch Phrasen und zeigte Nerven. Letzteres hatte auch damit zu tun, dass Transparency International am selben Tag seinen „Global Corruption Report 2009“ vorgestellt hatte, und er selbst, also Piñera, im von Chile Transparente (CT) verfassten Länderkapitel namentlich auftauchte – als Unternehmer, der 2006 ein dickes Aktienpaket der Fluggesellschaft LAN möglicherweise auf der Grundlage von Insiderinformationen gekauft hat.
Frei schmierte das seinem Konkurrenten ungerührt aufs Brot – direkt vor dem Werbeblock. Der Geschmähte konnte sich erst viel später verteidigen, und auch das gelang ihm nur mit Mühe. Für Chile Transparente hatte die Geschichte freilich ein Nachspiel: Piñera schoss in den Folgetagen aus allen Rohren zurück, und der Vorstand von CT entschied schließlich nach einer Sondersitzung, sich von den Aussagen des eigenen Berichts teilweise zu distanzieren. Begründung: Für den Text seien allein dessen Autoren verantwortlich. Alles in allem ein eher undurchsichtiger Vorgang und insofern kein Ruhmesblatt für die NGO.
Inzwischen hat sich Sebastián Piñera freilich als wahrer Erbe des Widerstands gegen Pinochet geoutet. In einem Video auf seinem Youtube-Kanal beglückwünschte er sich und seine Mitbürger zu 21 Jahren „No“ – am 5. Oktober 1988 war Pinochet daran gescheitert, sich per Plebiszit acht weitere Jahre an der Macht zu halten. Richtig ist, dass Piñera aus einer zutiefst christdemokratischen Familie kommt, genauer: Sein Vater José war einer der Gründer der chilenischen Christdemokraten. Richtig ist auch, dass Sebastián damals offen bekannte, gegen die Fortführung der „Militärregierung“ zu stimmen. Dennoch ist die Verklärung seiner Vergangenheit, die der Kandidat der Rechten betreibt, doppelt absurd. Links von ihm nimmt sie ihm keiner ab, rechts von ihm (wo noch viel Raum bis zum Ende des Spektrums ist), rümpft man die Nase.
Vollends absurd wird es, wenn Piñera als Beweis seiner Affinität zum „No“ ein wenige Sekunden langes historisches Video zeigt, auf dem er am Rande einer Demonstration zu sehen ist. Um was für eine Demo es sich genau handelt, erfährt man nicht, auch nicht, warum der junge Mann sich entgegen den anderen Demonstrationsteilnehmern bewegt, und schon gar nicht, warum er ein so gänzlich unoppositionelles Outfit zur Schau trägt (weißes Hemd und Blouson, Kurzhaarschnitt und Sonnenbrille). So liefen damals doch Pinochets Spitzel herum, sagen alle unisono, und auch wenn man das Piñera nicht unterstellen möchte – vielleicht ist es ein Augenzwinkern in Richtung seiner rechten Unterstützer, die subtile Andeutung, seine Rolle könnte damals ja, rein theoretisch natürlich, eine ganz andere gewesen sein? Wer weiß.