vonericbonse 30.09.2023

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Ein Jahr nach den Anschlägen auf die Nordstream-Pipelines geht das Rätselraten munter weiter. Nach Erkenntnissen deutscher Ermittler gibt es zwar einige Tatverdächtige, die allesamt aus der Ukraine stammen.

Doch nach Recherchen von ARD, Süddeutscher Zeitung und ZEIT dementieren die meisten Verdächtigen eine Tatbeteiligung. Und die Bundesregierung tut alles, um die Ukraine aus dem Schußfeld zu nehmen.

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Auch die USA wollen es nicht gewesen sein – den Enthüllungen von S. Hersh zum Trotz. Zum Jahrestag legte Hersh neue Erklärungen vor. Demnach sei es Washington darum gegangen, Berlin von einer möglichen Rückkehr zur russischen Gasversorgung abzuhalten.

Tatsächlich gab es damals deutsch-russische Gespräche über die angebliche defekte Turbine. Deutschland blockierte auch EU-Sanktionen gegen Gas aus Russland, wie sie etwa die Ukraine forderte.

Mehr als ein Indiz ist dies jedoch nicht. Die Ukraine und die USA hatten ein Motiv – that’s all we know.

Mindestens genauso stark schien zunächst die Motivation, die Hintergründe aufzuklären. Doch die Bundesregierung hält ihre (angeblichen) Erkenntnisse zurück, die EU hat nie ermittelt, und die Nato schweigt.

Kein Interesse an Aufklärung

Mittlerweile hat im Westen offenbar niemand mehr ein Interesse an Aufklärung. Der Bruch mit Russland ist vollzogen, daran will auch die Bundesregierung nicht rütteln. Die USA und die Ukraine haben in dieser Hinsicht ihre Ziele erreicht.

Die EU und die Nato arbeiten enger denn je zusammen, kritische Infrastruktur wird gemeinsam gegen vermeintlich drohende Angriffe aus Russland geschützt. Auch daran will niemand mehr rütteln.

Deshalb werden Ermittlungen verschleppt und Erkenntnisse verschwiegen. Das Nordstream-Attentat, das in Brüssel bezeichnenderweise nur „Sabotage“ genannt wird, wird weiter vertuscht.

Bleibt dieser Kriegsakt gegen eine wichtige, wenn nicht die wichtigste europäische Infrastruktur also ungesühnt? Es sieht ganz so aus…

Siehe auch Wie das Nordstream-Attentat vertuscht wird (IV): Leaks, die Verwirrung stiften sowie drei weitere Beiträge

 

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https://blogs.taz.de/lostineurope/2023/09/30/keine-suehne-fuer-nordstream/

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kommentare

  • Diese Vertuschung wird Verschwörungsideologen unglaublichen Aufwind verleihen. Langfristig. Der Schaden ist enorm. Zu einer Demokratie gehört Transparenz. Das unterscheidet uns von autoritären Regiment wie Russland. Es ist eine Katastrophe, dass die Bundesregierung diesen demokratischen Wert opfert. Es nützt auch autoritären Regimen langfristig. Die werden sagen können, dass Demokratie auch nur eine von vielen Möglichkeiten ist und dass sie keinen Vorteil bietet. Denn in Demokratien werden die Leute ja auch belogen. Überall Lüge und nichts ist mehr sicher. Exakt dies ist das Mantra der russischen Propaganda.

    Um die Ukraine kurzfristig aus der Schussbahn zu nehmen, hat man Russlands Propaganda langfristig gestärkt. Das wird sehr lange nachwirken. Ich bin darüber schockiert. Ich kann den verschwörungsideologisch angehauchten Leuten in meinem Umfeld nicht mehr überzeugend gegenübertreten. Schande über diese Politik der Regierung!

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